„Vampire: The Masquerade Swansong“: Narratives RPG im Test

Sehnsüchtig habe ich auf „Vampire: The Masquerade – Bloodlines 2“ gewartet, das eigentlich 2020 erscheinen sollte, jedoch mittlerweile in der Development Hell versumpft. Die Entwicklung läuft zwar offiziell weiter, aber nach dem Wechsel des Entwicklerstudios ist es extrem ruhig geworden. Als Ersatzbefriedigung für Fans des Pen-and-Paper-Rollenspiels aus der World of Darkness (WOD) ist diese Woche „Vampire: The Masquerade Swansong“ erschienen. Das narrative RPG habe ich mir im Test für euch angeschaut.

Der französische Entwickler dieses Spiels, Big Bad Wolf, hat mit „The Council“ 2018 ein sehr ähnlich gelagertes Game veröffentlicht. Habt ihr also „The Council“ gespielt, dann werden euch die Gameplay-Mechaniken von „Vampire: The Masquerade Swansong“ extrem bekannt vorkommen. Auch hier gibt es absolut keine Kämpfe, sondern die wichtigsten „Gefechte“ tragt ihr in Dialogen aus. Dafür nutzt ihr eure Willenskraft, mit der ihr Fähigkeiten wie die Rhetorik einsetzen könnt. Zudem dürft ihr Blutpunkte verwenden, um besondere Skills einzusetzen – auch außerhalb von Dialogen. Dadurch werdet ihr jedoch hungrig. Von Zeit zu Zeit müsst ihr daher Menschen in abgelegene Ecken locken und könnt dann euren Durst stillen.

Dabei verkörpert ihr im atmosphärischen Vampir-Abenteuer drei Protagonisten: die das Club-Nachtleben von Boston beherrschende Emem, den mächtigen Vampir-Adeligen Galeb und die psychologisch traumatisierte Leysha. Alle drei gehören unterschiedlichen Vampir-Clans an: Toreador, Ventrue und Malkavianer. Hier zeigt sich zugleich Stärke und Schwäche von „Vampire: The Masquerade Swansong“: Das Spiel wirft euch sozusagen mitten in die Geschichte. Zwar erklärt ein grober Intro-Text das Szenario, wer aber bisher keinerlei Kontakt zur World of Darkness hatte, wird entweder in den Codex-Einträgen des Spiels nachlesen wollen oder aber vollkommen überfordert den De-Installations-Button drücken.

So haut man dem Spieler direkt unterschiedliche Clan-Bezeichnungen um die Ohren, verstrickt die Figuren in die strenge Vampir-Hierarchie und führt auch noch zahlreiche weitere Gruppierungen und Nebencharaktere ein. Mir selbst hat es gut gefallen, ich bin zwar kein WOD-Insider, bringe aber ausreichend Vorwissen mit, um alles einordnen zu können. Insofern fühlt sich das Spiel von Big Bad Wolf direkt zum Einstieg an wie ein Titel von Fans für Fans.

Daher bin ich auch geneigt, die zum Launch spürbaren technischen Mankos zu verzeihen. So kranken gerade die Cutscenes an Grafikfehlern: Texturen werden mit starken Verzögerungen eingeblendet, Haare kreiseln ohne Anlass wild herum und es kam auch vor, dass ich einmal ein als interaktiv markiertes Objekt dennoch nicht anklicken konnte. Getestet habe ich „Vampire: The Masquerade Swansong“ an der Xbox Series X. Auch die Performance schwankt, sodass die Entwickler hier definitiv ein paar Patches nachlegen sollten.

Generell ist dieses Game aber kein Hingucker: Ab und an werden richtig schöne Lichtstimmungen erzeugt und die Gesichter der Figuren sind detailliert. Allerdings sind die Animationen dermaßen hölzern, dass man zeitweise vermeint einem Marionettentheater beizuwohnen. Hier hinkt das Gebotene selbst dem Standard der letzten Konsolengeneration hinterher. Auch die (englische) Sprachausgabe sorgt für gemischte Gefühle. Manchmal schwankte plötzlich die Lautstärke der Sprecher, dann passten Betonungen in Dialogen so gar nicht. Die ausgewählten Sprecher sind fast durch die Bank aber gut gewählt, an der Regie hapert es ab und an.

Musik setzt „Vampire: The Masquerade Swansong“ eher sparsam ein und sie ist mir nicht sonderlich im Gedächtnis geblieben. Die Soundkulisse passt, ist aber ebenfalls eher zweckmäßig. Was einen also eher ins Spiel zieht, ist die düstere Atmosphäre, die teilweise auch an Thriller wie „Sieben“ erinnert. Denn zu Beginn der Geschichte verdingt man sich erst einmal als Detektiv: Es wurde ein „Code Red“ ausgelöst, bei den Vampiren, die im verborgenen in unserer Gesellschaft die Fäden ziehen, ist etwas schiefgelaufen. Betroffen ist die US-Stadt Boston, die von Hazel Iversen regiert wird.

Im Rahmen der strengen Vampir-Hierarchien versucht man aufzuklären, was genau schiefgelaufen ist, denn einige Vertraute der Vampire wurden getötet. Jemand soll büßen, doch wer? Dabei müssen sich die Vampire an „die Maskerade“ halten: Menschen dürfen sie nicht entdecken, denn das könnte das Gleichgewicht stören. Wer die Maskerade bricht, wird zum finalen Tod verurteilt. Alle drei Hauptcharaktere agieren dabei in unterschiedlichen Szenarien bzw. wechselnden Schauplätzen – ihr könnt also nicht beliebig hin- und herwechseln, um etwa eine Aufgabe mit eurem Lieblingscharakter zu lösen.

Dabei habt ihr zu Anfang die Wahl, wie ihr ihre Attribute und Fähigkeiten gestaltet: Wollt ihr lieber Charaktere erfolgreich bequatschen oder einschüchtern? Ist euch wichtiger, Schlösser zu knacken? Oder darf es Fachwissen und Kombinationsgabe sein? Einige Fähigkeiten stellen sich aber schnell als sinnvoller heraus als andere. Beispielsweise findet ihr für verschlossene Türen und andere Schlösser meistens mit etwas Gesuche in der Spielwelt die Schlüssel. Wichtiger ist, dass ihr in der Lage seid entweder Hinweise zu entschlüsseln oder in Dialogen erfolgreich zu sein.

Nicht nur die Fertigkeiten der Charaktere, die ihr durch Erfahrungspunkte steigern könnt, beeinflussen dabei den Verlauf der Handlung. Ihr trefft auch regelmäßig Entscheidungen: Führt ihr etwa eure beste Freundin wie angewiesen dem Prinzen vor oder lasst ihr sie stillschweigend entkommen? Insgesamt erinnert „Vampire: The Masquerade Swansong“ somit an eine Mischung aus den Telltale-Spielen und den „Sherlock Holmes“-Titeln von Frogwares.

Was bleibt ist ein unterhaltsames Vampir-Adventure / -RPG, bei dem man aber bereit sein sollte, die technischen Mankos zu verzeihen. Wer auf ein Trösterchen hofft, um die Wartezeit auf „Vampire: The Masquerde – Bloodlines 2“ zu verkürzen, sollte jedenfalls hereinschauen. Das gilt besonders, wenn euch schon „The Council“ gefallen hat und / oder ihr die World of Darkness aus dem Effeff kennt.

Vampire: The Masquerade - Swansong
  • Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 18 Jahren

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden. PayPal-Kaffeespende an den Autor.

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4 Kommentare

  1. Wir haben vor 30 Jahren in der Rollenspielrunde eine Zeit lang Vampire gespielt. Bis ein paar Leute unbedingt anfangen wollten, ihre Werewolf-Charaktere da mit einzubringen, was in einer total unausgeglichenen Kampagne endete. Imba würde man heute sagen. Egal, das ursprüngliche Szenario fand ich sehr reizvoll.
    Als Storymode-Spiel wie dieses hier im Artikel würde mir das wahrscheinlich keinen Spaß machen. Ich hoffe allerdings immer noch, dass ich irgendwann mal erlebe, dass ein Computer-RPG nur die Regelmechanik vorgibt und bei sonstigen Handlungsentscheidungen dem Spieler die völlige Freiheit lässt. So wie Minecraft, nur in geil :-). Vielleicht wird das ja mit dem Metaverse was…

  2. Zu erwähnen wäre noch das es ein neues Multiplayer Game gibt im selben Universum. Bloodhunt… Ist quasi ein Battle Royal mit Vampiren…

  3. Steffen Hartmann says:

    mich nervt/stört die kleine schrift. als „couch-gamer“ mit 3-4m abstand zum 70″-tv ist das schon recht schwer zu lesen.

    für mich persönlich ein unding, wenn moderne games keine skalierbaren schriftgrößen anbieten

    • HackfleischHugo says:

      Endlich auch mal jemand, den das stört .
      Mich persönlich hält das gerade ab, es zu spielen.
      Ich hoffe es folgt ein Patch….

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