Amazon Kindle Scribe im Ersteindruck: Der Kindle mit dem Stift

Ich arbeite tagtäglich mit einem iPad. Insbesondere der Stift sowie eine Schreib-App stehen da nebst PDF-Bearbeitung im Vordergrund. Für meine sonstigen Notizen wollte ich mir Alternativen anschauen. Diese sollen mehr Akkulaufzeit bieten, beim Schreibgefühl an Papier erinnern und dürfen ohne Pop-Up-Benachrichtigungen, Apps und Schnickschnack nicht vom Wesentlichen ablenken. Wer da derzeit auf den Markt schaut, der blickt rasch auf Remarkable 2 sowie den neuen Amazon Kindle Scribe.

Der Name ist beim Kindle Scribe Programm. So weist das Display vom Scribe 10,2 Zoll auf, sonst bewegt sich Amazon immer eher im Bereich zwischen 6 und 7 Zoll. Das Kindle-Universum begleitet mich bereits seit längerem, derzeitiges Vergleichsobjekt im E-Reader-Segment ist da vor allem der Kindle Paperwhite Signature, der dem Kindle Scribe abseits der Größe in nahezu allen technischen Ausstattungsmerkmalen gleicht. Im Vergleich fehlen die IPX8-Zertifizierung sowie die Möglichkeit zum kabellosen Aufladen.

Wir hatten im Blog auch bereits einige der Kindle-Modelle Testberichten unterzogen. Die Vorteile eines E-Ink-Displays liegen auf der Hand, denn da liest es sich, insbesondere über längere Zeit, entspannter. Entsprechend soll hier im Fokus die Schreibfunktionalität stehen, weitgehend ist das Scribe nämlich auch bei der Software ein waschechter Kindle. Angefangen bei der generellen Aufmachung, bis hin zu Dingen wie den Schnelleinstellungen.

Aus der Verpackung genommen vernahm ich direkt ein Gefühl, was ich bei bisherigen Kindle-Modellen (die Oasis-Reihe kenne ich nicht) bisher nie hatte: was für ein hochwertiges Stück Technik. Während mir bekannte Kindle-Modelle auf eine Kunststoff-Rückseite setzen, kommt beim Kindle Scribe Aluminium zum Einsatz. Zweite Erkenntnis: Der Scribe ist dünner als mein Signature Paperwhite. So hat man das Gerät auf die Dicke des USB-C-Ports (5,8 Millimeter) begrenzt. Die Rückseite ist gleichmäßig dick und hat nur vier Pins für den Halt in der Hülle.

Die zusätzliche Größe des Kindle Scribe und die Materialwahl spiegeln sich auch im Gewicht des Geräts wider. Hier bringt man mit 433 Gramm ein Tablet-ähnliches Kampfgewicht auf die Waage. Das Scribe ist somit definitiv kein Gerät, um über Kopf zu lesen oder es lange in einer Hand zu halten. Da sich das Display automatisch dreht, ist es sowohl eine Geschichte für Rechts- als auch Linkshänder. Dass sich an der Seite mit dem breiten Rand sowohl Ein-Aus-Taste als auch der Ladeport befinden, könnte stören, wenn man das Gerät beim Aufladen verwenden möchte. Fehleingaben durch die Power-Taste hatte ich keine.

Erstmalig eingeschaltet, erwartet mich ein E-Ink-Display auf gewohntem Kindle-Niveau. Auch beim größeren Screen setzt man auf 300 ppi. Für eine gleichmäßige Beleuchtung sorgen in diesem Fall 35 LEDs. Die Helligkeit lässt sich manuell oder per Automatik regulieren. Der verbaute Lichtsensor tut gute Dienste. Auf Wunsch kann auch die Farbtemperatur angepasst werden – optional geknüpft an einen Zeitplan.

Bei der Software gibt es nur wenige Unterschiede zu einem „herkömmlichen“ Kindle. Die gewohnte Navigation zum Blättern ist, auch in Notizbüchern, identisch. In der Navigationsleiste an der Unterseite gibt es neben „Startseite“ und „Bibliothek“ zusätzlich den Reiter „Notizbücher“, der auf die Schreibfunktion verweist. Hinter dem Reiter „Mehr“ versteckt sich zudem ein Zugriff auf Leselisten, Webbrowser sowie Einstellungen.

Auf der Startseite verweist neben dem Suchfeld ein kleines Icon auf den Schnellzugriff, um ein neues Notizbuch zu erstellen. Fest steht: Im Vordergrund stehen auch hier das Lesen und die Kindle-Funktionalität. Wer also lediglich ein Kindle mit größerem Display gesucht hat, der könnte hier ebenso goldrichtig sein. Die Notizbücher sind neu und der Bibliothek beigemengt oder eben über einen separaten Reiter dediziert anwählbar.

Auch PDFs können über den altbekannten Weg (per Mail an die spezifische Kindle-Mail) versendet werden oder per App importiert werden. Alternativ steht auch eine Web-Oberfläche zum Upload diverser Dateiformate bereit. Inzwischen unterstützt man auch EPUB-Dokumente. Eine PDF-Datei kann allerdings nicht Basis für ein Notizbuch sein – schade.

Für den Stift gibt es eine Bubble für Werkzeuge. Damit kann man in einem Notizbuch zwischen Stift, Radiergummi sowie Marker wechseln. Beim Stift kann noch die Dicke verändert werden. Das war es dann leider schon. Weitere Tools, wie etwa ein Lasso-Werkzeug zum Verschieben oder alternative Stifte? Nicht vorhanden.

In Büchern beherbergt das Navigationsmenü Zugriff auf eine Notizfunktion. Jene Haftnotizen lassen sich handschriftlich reinkritzeln. Die Funktion lässt sich beim Premium-Stift auch auf die Schnellwahl-Taste legen. Nicht gibt es in Büchern hingegen die Möglichkeit zum Markierstift zu greifen. Direktes Annotieren oder Markieren in einer PDF-Datei? Gibt es. Nicht für Bücher, aber selbst importierte PDF-Dateien. Spannenderweise funktionierte das nicht mit alten, bereits importierten PDF-Dateien, aber mit neuem PDF klappte es. Wird dann allerdings in der Bibliothek zwischen den E-Books abgelegt, nicht im Notizbuch-Bereich.

Und PDF-Dateien eignen sich auch nicht als Vorlagen. Ihr könnt da auch keine leeren Seiten zwischendrin einfügen. Oder mehrere PDF-Dateien zu einem großen Notizbuch sukzessive kombinieren. Schade. Das macht das Scribe derzeit weniger zu einem Gerät für Studenten, sondern vielmehr zum digitalen Notizblock. Die Möglichkeiten zur Organisation und Reorganisationen von Dateien sind leider stark begrenzt. Mal schauen, was da kommende Updates möglicherweise bringen.

Word-Dokumente funktionieren ebenfalls. Da ist jedoch eine extravagante Formatierung oftmals problematisch. Ganz ohne PDF können Notizbücher erstellt werden. Da habt ihr die Auswahl zwischen ein paar Vorlagen (Karos, To-Do-Liste etc.). Ich hatte es bereits angesprochen, ihr könnt da nicht mittels PDF eigene Vorlagen verwenden – da könnte man sich selbst Wind aus den Segeln nehmen, weitere eigene Vorlagen anzubieten. Einzelne Seiten aus dem Notizbuch lassen sich auch mittendrin rauslöschen. Es lassen sich nur die Titel der Notizbücher suchen, Texterkennung für handschriftliche Notizen und die Möglichkeit zum Durchsuchen gibt es nicht.

Ein paar Worte würde ich an dieser Stelle ganz gerne zum Stift verlieren. Damit man jenen nicht verliert, haftet der Stylus magnetisch an der Geräteseite. Mir liegen der der Premium-Eingabestift, ein Stift sowie 5 Ersatzminen liegen dem Lieferumfang bei. Das Schreibgefühl mit dem Stift ist gut. Ich mag das Gleiten über das Display lieber als bei einem iPad. Beim iPad hat man da eben das Gefühl, dass man auf Glas stupst, weshalb viele auf mattierte Folien setzen. Mit der Rückseite kann man durch Aufdrücken radieren.

Der Stift ist am Scribe weder drucksensitiv, noch gibt es die Möglichkeit zum Schraffieren, was ihn zum Zeichnen nur bedingt einsetzbar macht. Die Shortcut-Taste ist belegbar mit Textmarker, Stift, Radiergummi sowie Haftnotiz. Beim Stylus setzt man auf EMR-Technologie, somit lassen sich auch alternative Stifte, wie jener von der Konkurrenz bei Remarkable verwenden.

Exportieren lassen sich PDFs direkt über eine eingebaute Mail-Funktionalität. Ihr erhaltet dann einen Download-Link ins Postfach, also eine Mail ohne Anhang. Wahlweise erfolgt der Mail-Versand direkt an die bei Amazon hinterlegte Mail-Adresse, alternativ können auch bis zu 5 Mail-Adressen hinzugefügt werden. Wer dachte, man könne ein PDF über die mobile App exportieren? Fehlanzeige. Notizbücher lassen sich dort in einem neuen Bereich zwar einsehen, das war es aber.

Bei der Akkulaufzeit möchte ich noch keine Prognosen treffen. Diese variiert aufgrund der Display-Beleuchtung signifikant. Amazon gibt bei täglichen 30 Minuten Lesen ohne Datenverbindung bis zu 12 Wochen an. Kommt dann der Stift zum Einsatz, dann reduziert sich diese Prognose auf 3 Wochen – das Schreiben zehrt definitiv mehr am Akku. Festhalten lässt sich: Der Akku des Scribe hält definitiv bei intensiver Nutzung länger durch. In meiner bisher recht kurzen Testzeit bis zum Ersteindruck musste ich das Gerät nur erstmalig vollladen. Aufgeladen wird mittels USB-C, das muss man aber abseits von Apple wohl kaum noch lobenswert hervorheben.

Ein Fazit? Ein Schnäppchen ist der neue Kindle Scribe wahrlich nicht. Mit Blick auf die Konkurrenz scheint der Preis aber durchaus angemessen. Ab 369,99 Euro geht es los, wahlweise mit 16, 32 oder 64 GB. Spannend dürften erste Rabattaktionen sein. Der Stift liegt dem Lieferumfang bei. Das Basismodell gibt es wahlweise mit Standard-Eingabestift und Premium-Modell. Da liegen 30 Euro dazwischen. Dafür bekommt man einen durchaus hochwertigen Kindle.

Stand jetzt ist der Funktionsumfang für Dokumente und Tools leider noch sehr begrenzt. Hier hoffe ich auf Software-Updates durch Amazon. Man konzentriert sich auf wesentliche Dinge und die macht man gut. Ich hätte mir dennoch mehr Tools (Lasso-Werkzeug etc.) sowie Möglichkeiten zur Organisation von Dateien (PDF als Vorlage, Einfügen neuer Seiten in fertige Dokumente, etc.) gewünscht.

Überraschend limitiert: Ich hatte im Rahmen des Tests extra nachgeprüft, ob ich wirklich kein neues Software-Update einspielen kann – Fehlanzeige. Da ist noch viel Potenzial nach oben. Wer ohnehin auf der Suche nach einem Kindle (mit großem Display) ist, der nimmt die zusätzlichen Funktionen gerne als Goodie mit. Da die Hardware der Software voraus ist, könnte sich da noch etwas tun. Verlassen würde ich mich hingegen nicht darauf. Kauft das Gerät, insofern der derzeitige Funktionsumfang genügt. Derzeit ist es eben: ein Kindle mit netten Gimmicks.

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Baujahr 1995. Technophiler Schwabe & Lehrer. Unterwegs vor allem im Bereich Smart Home und ständig auf der Suche nach neuen Gadgets & Technik-Trends aus Fernost. X; Threads; LinkedIn. Mail: felix@caschys.blog

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15 Kommentare

  1. @Frank Hasz du einen Vergleich zum Remarkable 2?

  2. Mich würde der Vergleich zum boox Note 5. interessieren was gerade auf dem Markt kommt.

  3. Den Browser ausprobiert? Mich würd interessieren, wie und ob man PDFs runterladen und dann gleich ordentlich lesen kann – das wär für mich ein Killer-feature…
    Ich glaub, den gönn ich mir zu Weihnachen…

  4. Danke für den Bericht. Ein interessantes Gerät. Aber das hört sich im Vergleich zum iPad mit GoodNotes ziemlich fummelig an.

  5. Da bleibe ich doch gerne bei meinem Tab Ultra: Extrem umfangreiche und mächtige Fubktionen zum Lesen und Schreiben. Sogar mit erstaunlich treffsicherer Volltextsuche in Handschrift. Und die Kindle-App läuft auch problemlos. 🙂

  6. Ich hatte das Remarkablae 1, das war schon gut, aber irgendwas fehlte mir. Habe jetzt das HuaweiMatePaper. Das erfüllt zurzeit voll meine Bedürfnisse.

  7. Ich hatte bisher keine Erfahrung mit der Update-Laune von Amazon, find den Funktionsumfang aber doch sehr abgespeckt.
    Da muss man sich schon sehr gut überlegen, ob man nicht zu einem ähnlich bepreisten Tablet greift. Denn selbst die eigentlich zentralen Schreibfunktionen sind ja wirklich rudimentär.

  8. Onenote und Endnote da drauf und es wäre perfekt.
    Wird aber wohl ein Träumchen bleiben- schade

  9. Grumpy Niffler says:

    Von der Hardware her sehr interessant – zumal die Kindle Software deutlich besser mit eInk klar kommt als der Android-Untersatz bei den Boox Geräten. Für den Preis müssen aber die Notiz-Features noch deutlich ausgebaut werden. Dann könnte das wirklich ne runde Sache werden. Aktuell mal abwarten.

  10. Wird ja immer gerne gesagt der erste größere Kindle. Aber ich habe noch einen Kindle DX im Regal stehen.

  11. @Felix: Lohnt sich der Scribe in Deinen Augen, wenn man nur lesen will, und das gern auf einem großen e-Ink (Preis unwichtig)?

    • Ich bin zwar nicht Felix, aber wenn du schreibst „großes E-Ink“ und „Preis unwichtig“, dann bleibt dir ja fast nichts anderes übrig:) Ob sich das für dich „lohnt“, kann kaum jeamand anderes beurteilen:)

    • Felix Frank says:

      Wenn du dich ganz allgemein mit den Kindle-eBook-Readern (Software, Möglichkeiten, etc.) anfreunden kannst, dann ist das genau dein Gerät. Es ist quasi ein Kindle mit großem Display und mit Zusatzfunktion

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