Telltale Games: Es war so schön (langweilig) mit euch

Der Entwickler Telltale Games ist im Grunde Geschichte. Fast alle Mitarbeiter wurden abrupt vor die Tür gesetzt. Ein kleines Team von 25 Angestellten soll noch letzte vertragliche Verpflichtungen erfüllen. Unter anderem gilt es, die spezielle Variante von „Minecraft: Story Mode“ für Netflix fertigzustellen. Zuvor angekündigte Titel wie „The Wolf Among Us 2“ werden aber nach aktuellem Stand der Dinge nie mehr erscheinen. Zeit für mich, um ein wenig zurückzublicken. Und auch zu erklären, warum ich Telltale Games leider weniger vermissen werde, als ich früher mal gedacht habe.

Auch die derzeit laufende Staffel zu „The Walking Dead“ endet eventuell jäh mit der diese Woche erscheinenden Folge 2. Das hat unter anderem die Sprecherin der Hauptdarstellerin Clementine, Melissa Hutchinson, via Twitter bestätigt. Das ist besonders bitter, denn die erste Staffel zu „The Walking Dead“ ist es gewesen, die Telltale Games sozusagen den großen Durchbruch verschafft hatte.

Nun ja, es gibt aber auch ein wenig Hoffnung. Telltale hat vage in Aussicht gestellt, die fehlenden Episoden vielleicht doch noch nachzureichen. Eine Zeit lang galt Telltale Games als Vorzeige-Entwickler: Das Studio hatte sich quasi ein eigenes Genre geschaffen und damit freilich auch eine spezielle Nische aufgebaut. So vermischen die Games des Studios Elemente aus interaktiven Filmen, wie wir sie noch aus der CD-ROM-Anfangszeit kennen, mit Adventure-Tugenden. Der Schwierigkeitsgrad lag stets extrem niedrig, doch wegen der Story bin ich bei allen Spielen drangeblieben. Ja, seit „The Walking Dead: Season 1“, habe ich tatsächlich jedes Spiel von Telltale Games gezockt – seien es „Game of Thrones“ oder „Guardians of the Galaxy“ oder auch nur „Minecraft: Story Mode“. Auch die Wiederbelebung des Lucas-Arts-Klassikers „Sam & Max“ war eine coole Sache.

Dennoch wundert mich der Untergang des Studios nur bedingt. Ich denke bei vielen Fans haben sich Ermüdungserscheinungen gezeigt. So habe ich früher jede Episode von etwa „The Walking Dead: Season 1“ oder auch der zweiten Staffel noch am Release-Tag sofort durchgespielt. Bei „Minecraft: Story Mode – Season 2“ stecke ich immer noch in der ersten Folge. Telltale Games hat es versäumt, am Gameplay zu schrauben. Spielt man etwa die erste Staffel von „The Walking Dead“ aus dem Jahr 2012 und zum Vergleich direkt danach die nun mittlerweile vierte aus dem Jahr 2018, hat sich wenig getan. Im Gegenteil: Die Interaktivität hat abgebaut.

Auch an der Technik hat Telltale Games zu lange zu wenig gebastelt. Erst mit „Batman: The Telltale Series“ führte man 2016 nach etlichen Jahren mal eine neue Engine ein – welcher immer noch einen verhältnismäßig geringen Sprung darstellt. Seien wir ehrlich: Grafisch waren die Spiele des Entwicklers einfach nie besonders ansehnlich. Das war aber ok, solange Art Design und Story stimmten. Aber auch da begann die Fassade zu bröckeln. So halste sich Telltale Games immer mehr Lizenzen und Projekte auf. Darunter litt in den Augen vieler Gamer die Qualität der einzelnen Serien – Masse statt Klasse eben.

Ende 2017 kündigte Telltale Games deswegen bereits an sich auf weniger Marken zu fokussieren und die Qualität mehr in den Fokus zu rücken. Doch das dürfte nicht das einzige Problem des Studios gewesen sein. Ehemalige Entwickler berichten von drakonischen Arbeitsbedingungen, so dass die besten Leute abgewandert seien. Hinzu kommt, dass die Konkurrenz keinesfalls gepennt hat. Schaut man sich das ähnlich wie die Telltale-Spiele aufgebaute „Life Is Strange“ an, erkennt man die drastischen Qualitätsunterschiede. Im Titel von Dontnod Entertainment gibt es mehr Interaktivität, eine deutlich ausgefuchstere Präsentation, einen tollen Soundtrack, der oft zentral für die Atmosphäre ist – und einfach eine Geschichte, die fast alle Reihen von Telltale Games extrem blass aussehen lässt.

So wirken die Spiele von Telltale Games mittlerweile altbacken, stoisch und haben sich schlichtweg nicht genügend gewandelt. Sie wiederholten zuletzt immer wieder einfach die gleiche Gameplay-Formel mit jeweils anderen Marken. Zumal die anfängliche Einblendung des Studios „The game series adapts to the choices you make. The story is tailored by how you play.“ mittlerweile für Abwinken bei der Community sorgt. Nein, es stimmt eben nicht. Am Ende blieb es bei allen Titeln von Telltale Games einerlei, welche Entscheidungen man im Spielverlauf getroffen hatte. Es kam stets das gleiche Ergebnis dabei raus.

Okay, gewisse Variationen entstanden, doch die linearen Geschichten der Episoden-Adventures wurden nur marginal durch die Spieler-Entscheidungen beeinflusst. Da unterschied sich mal der ein oder andere Dialog ein wenig, aber wirklich unterschiedliche Abzweigungen im Story-Verlauf waren die absolute Ausnahme – nicht die Regel. Vergleicht man das z. B. mit einem „Detroit: Become Human“, ist das ein gewaltiger Unterschied. Zugute halten muss man Telltale Games, dass klar ist, warum man jenen Weg beschritten hat: Es kostet viel Geld Inhalte zu erstellen. Und wenn dann nur die Hälfte oder nur ein Drittel der Spieler den Content zu sehen bekommt, weil er nur bei spezifischen Entscheidungen auftaucht, dann ist das für einen unabhängigen Entwickler ohne Riesen-Budget von Sony oder Microsoft im Rücken alles nicht so leicht.

Das ändert nichts daran, dass viele Spieler einfach nach mehreren Jahren keine Lust mehr auf die Entscheidungs-Augenwischerei hatten. Da hat man sich eben anderen Titeln gewidmet, welche in den eigenen Augen mehr geboten haben. Meiner Meinung nach war jenes das zentrale Element, welches Telltale Games zum Untergang geführt hat: Man hat zu viele Felder auf einmal beackert und dabei immer wieder die gleichen Muster wiederholt. Eine Zeit lang mag das in der Spieleindustrie gutgehen. Aber irgendwann sind die Gamer gelangweilt und suchen im breiten Angebot bei der Konkurrenz ihr Heil. Und das ist dann eben ein „Life Is Strange“, ein „Detroit: Become Human“ oder vielleicht sogar ein RPG wie „The Witcher 3: Wild Hunt“, das Geschichte und Entscheidungen Gewicht verliehen hat.

Für die Mitarbeiter von Telltale Games tut es mir deswegen sehr leid. Viele Entwickler und Publisher haben bereits die Hand ausgestreckt und Hilfe angeboten. Ich hoffe, dass sich für die Menschen daher alles zum Guten wendet. Doch die Spiele von Telltale Games werde ich ehrlich gesagt nicht mehr wirklich vermissen. Geht es euch genau so? Oder hättet ihr doch noch auf Besserung in Serien wie „The Wolf Among Us 2“ gehofft?

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden.

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14 Kommentare

  1. Von all den Spielen habe ich nur Minecraft gespielt und fand bisher alles ok. Mit den anderen Games konnte ich nichts anfangen. Zusatzinfo: Das Spiel Minecraft an sich spiele ich nicht.

  2. „Es kam stets das gleiche Ergebnis dabei raus.“
    Das Gefühl hat man zwar schnell, weil eine Person, bei der man denkt, man hätte sie durch die eigene Entscheidung gerettet, dann später doch stirbt. Aber: Bis dahin hat die die Geschichte selbst u. U. schon geändert, nur halt nicht das Ende. Quasi wie bei Final Destination – der Tod holt sich die Personen dann später. Ich stimme aber zu: Das ist zu wenig. Immerhin bei The New Frontier haben die Entscheidungen Einfluss darüber, wer am Ende lebt und wer nicht – da habe ich einen Baum gesehen, der vier Konstellationen aufführt. Immerhin.

    „Für die Mitarbeiter von Telltale Games tut es mir deswegen sehr leid.“
    Sie sind jetzt/bald an einem besseren Ort (Arbeitsplatz) …

    Schön geschrieben. Aktuell ist es auch nicht mal mehr möglich, „The Final Season“ zu kaufen; zumindest nicht, solange unklar ist, ob es noch weitere Folgen geben wird oder nicht.

  3. Carsten Knobloch says:

    Sehe ich 1:1 wie du!

  4. kein mitleid für telltale games. als man aufgehört hat spiele für den deutschen markt zu synchronisieren, hab ich mein geld lieber wo anders ausgegeben

    • Schon blod wenn man der Englischen Sprache nicht mächtig ist
      ^_- Aber für so leute wie dich gibt’s untertitel

  5. Zockermimi018 says:

    Ich flehte euch an bitte bringt wenigstens noch episode 3 raus the walking dead is meine Kindheit ich fände es einfach schön zu wissen was mit lou (Louis und Clementine passiert es wäre nämlich auch ein schönes Ende wen beide überleben würden

  6. Ob die Telltale-Apps und In-App-Käufe im Play Store dann bald verramscht werden?

  7. Eigentlich hat mir von den Spielen nur Tales from the Borderlands so richtig richtig gut gefallen. Da gab es zwar Spieletechnisch auch nicht viel zu machen aber die Story war wirklich toll und die Dialoge superklasse und sehr lustig. Schade eigentlich, dass es nicht bekannter war und ausgerechnet The Walking Dead das ist wofür TTG bekannt geworden ist..

  8. Naja, bei Batman: The Enemy Within haben die Entscheidungen aber auch größere Änderungen gebracht. Die letzte Episode spielt sich dann quasi vollkommen anders & ändert die Geschichte stark 😉

  9. Klar haben Telltale abgebaut, aber Life is Strange dagegen auf ein Podest zu heben, ist nicht ganz objektiv.
    Life is Strange hatte eindeutig den besseren Soundtrack, aber so toll war die Geschichte dann auch nicht. Ab der ersten Episode baute die erste Staffel kontinuierlich ab, Entscheidungen zu treffen war meist durch die Mechanik nicht schlimm, weil man es ja mal ausprobieren konnte und letztendlich hatten Entscheidungen dort genauso viel Auswirkungen wie bei den Telltale-Spielen.

    Detroit: Become Human kenne ich nicht, aber die hatten doch auch ein riesiges Budget (dank Sony als Publisher).

    Die Interaktivität hätte mehr sein müssen, aber die Kritik an den Entscheidungen verstehe ich nicht. Klar, große Auswirkungen gab es nicht, aber wieso muss es die geben? Auch durch kleine Veränderungen schreibe ich meine Geschichte. Ihr könnt in eurem Leben auch viele Entscheidungen mit vielen kleinen oder größeren Auswirkungen treffen, aber am Ende seid ihr tot. Ihr könnt noch so viele Rettungsversuche eurer Beziehung starten, aber am Ende bricht sie auseinander. Manche Dinge sind unvermeidbar.

  10. In einer Zeit in der jedes Spiel immer grössere Karten bekommt und man im Prinzip nur noch Nebenquest über Nebenquest erfüllt (Was ja auch wirklich cool ist) fand ich die Spiele von Telltale einfach entspannend und …. ja auch cool. Was der Schreiber dieser Zeilen als Einheitsbrei bezeichnete empfand ich nie als störend. Im Gegenteil. Ich mochte es und fühlte mich in jedem Telltale Spiel wie zu Hause. Dass Ende von the walking dead hätte ich wirklich extrem gerne gesehen. Und dass ich mit Sheriff Big B Wolf in Fabletown nicht mehr für recht und ordnung sorgen kann, stimmt mich so gar ein bisschen traurig.
    Jedem sein Geschmack…. mit schmeckte der Einheitsbrei steht’s sehr gut.
    Vielen Dank für die Aufmerksamkeit

  11. 2012 entdeckte ich THE WALKING DEAD eigentlich gesehen mit heutiger Sicht rein zufällig,da ich am Anfang dachte es sei ein Horrorspiel und auf Basis der Fernsehserie aufgebaut doch ich wurde eines besseren belehrt. Da war am Anfang ein dunkelhäutiger Lehrer (?) namens Lee der verlegt werden sollte in ein anderes Gefängnis und die Geschichte nahm seinen Lauf das er im Laufe der Geschichte ein kleines Mädchen unter seinen Fittiche nahm und ihr lernte wie sie sich gegen die sogenannten Untoten wehren sollte doch wie es eben die Geschichte wollte durch eine kleine Unaufmerksamkeit wurde er gebissen und hatte dann nicht viel Zeit mehr sich von ihr zu Verabschieden.

    Irgendwie habe ich mich im laufe der Zeit dann mich in dieses Spiel verliebt den ein kleines Mädchen komplett alleine und durch Zufall lernte sie einen herzensberaubenden Mann kennen und es entstand nicht nur eine Freundschaft zwischen den beiden sondern fast eine Tochter/Vater Beziehung was ich nicht schlecht fand.

    Das Ende kennen wir alle noch all zu gut von ENDE 1 das sie Lee tötet.

    Nun ich möchte jetzt nicht unbedingt alles hier weiter schildern aber man sollte schon etwas ordnungsgemäß beenden wen man etwas anfängt und so einen Schluss wie jetzt kann man nicht lassen des ist so wie bei DALLAS seinerzeit wo Bobby zu JR kommt und man hört einen Schuss ENDE der Serie.
    Hat zwar nichts mit THE WALKING DEAD zu tun aber bis heute fragt man sich hat sich JR damals erschossen oder nicht??? Den es kamen zwar irgendwelche Folgen aber man ging bis heute nicht mehr darauf ein.

    Daher sollte man schon noch die letzten 2.Episoden bringen oder man bringt 1.Epsiode heraus und die restlichen Mitarbeiter versuchen aus 2.Episoden 1.Epsisode zu machen,den vielleicht besteht ja ein bereits angefertiges Material das sie nur bearbeiten müßten.

    Ich meine so Unternehmen wie Telltales Games hat sicher schon vorgearbeitet bzw. hat Skripten und die noch vorhandenen Mitarbeiter müßten dies eben nur einwenig bearbeiten.

    Aber schauen wir mal was noch kommt.

  12. JohnnyEnglisch says:

    Sehr gut erkannt. Diese Telltale Spiele waren am Anfang ja sehr vielversprechend, aber irgendwann war es nur noch eine schnelle Lizenz-Ausschlatung für unterirdische Action-Adventures. Keine dt. Sprachausgabe, keine wirkliche Entscheidungsmöglichkeiten, klumpige Animationen, selbst die Musik wirkt nicht immer passend oder hätte besser sein können – ich habe nie verstanden, warum es trotzdem soviele Leute gab, die diese Spiele gespielt haben. Vorallem als Adventure Spieler kann man wenig mit diesen Spielen anfangen, weil die meisten Spiele mehr Quick-Time-Action als Rätsel hatten (mit ein paar Ausnahmen). Was soll das?

    Absolut verdiente bankrott erklärung und ich hoffe, dass ein gutes anderes Unternehmen an Lizenzen wie Monkey Island und Sam&Max kommt um diese Geschichten endlich würdevoll weitererzählt.

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