„Microsoft Flight Simulator“ angespielt: Verleiht Flügel

Microsoft hat diese Woche seinen „Microsoft Flight Simulator“ nun auch für die Xbox Series X|S veröffentlicht. Das ist für mich als Konsolero das Stichwort gewesen. So habe ich mir das „Spiel“ einmal genauer angesehen. Ich setze hier bewusst die Bezeichnung Spiel in Anführungsstriche, denn es handelt sich weniger um ein Game im klassischen Sinne als eben wirklich um eine Simulationssoftware. Dabei hat mich die Portierung für die Xbox Series X, an welcher ich den Titel gezockt habe, sehr positiv überrascht.

Denn am PC ist „Microsoft Flight Simulator“ extrem hardwarehungrig. Das war dann auch der Grund, dass ich bisher von einem Anspielbericht abgesehen habe, obwohl mir Microsoft freundlicherweise einen Code zur Verfügung stellte – auf die Berichterstattung hat das aber natürlich keinerlei Einfluss. So war mein PC da schlichtweg überfordert. Für die Xbox Series X haben die Entwickler von Asobo Studio dann kluge Einschnitte vorgenommen, um die Essenz des Titels zu erhalten, aber dennoch eine tolle Technik zu gewährleisten. So kommt das Spiel in seinen Einstellungen beeindruckenderweise in vielen Punkten nahe an die PC-Variante im Modus Ultra heran.

Abstriche gibt es weniger bei Weitsicht, Texturen und Detailgrad und mehr bei Auflösung und Framerate: Der „Microsoft Flight Simulator“ läuft nativ in 1440p bei 30 fps und wird zu 4K hochskaliert. Das Bild sieht aber dennoch recht scharf und detailreich aus. Insbesondere die Wolken sind genau so beeindruckend und realistisch wie am PC. Wobei die PC-Wurzeln ein Thema sind, das sich sehr stark in dieser Portierung bemerkbar macht: Da wundert es auch nicht, dass nach dem Start des Spiels im ersten Screen stets ein kleiner Maus-Cursor am linken Bildschirmrand zu sehen ist.

Die sperrige Menüführung oder das ihr teilweise im Cockpit in einen Cursor-Modus schalten müsst, um einzelne Bedienelemente zu steuern, mahnt ebenfalls an die PC-Ursprünge. Beispielsweise gibt es im Spiel einen Download-Manager, über den ihr World Updates, neue Flugzeuge und Co. herunterladen könnt. Sorgt dafür, dass ihr ausreichend freien Speicherplatz habt, denn bei mir belegte das Spiel mehr als 100 GByte. Dabei könnt ihr jedoch entscheiden, ob ihr den Offline-Modus herunterladet, der optional ist. Zu empfehlen ist es nämlich nicht, den „Microsoft Flight Simulator“ offline zu spielen, da dann die Grafikqualität massiv leidet.

Denn das Besondere an dem Titel ist, dass ihr den gesamten Erdball besuchen könnt. Um diesen Meilenstein zu erreichen, streamt man ständig im Hintergrund Daten aus der Cloud, die unter anderem von Bing Maps stammen. Zusätzlich wird sogar das Wetter live synchronisiert. Einige Areale des Spiels, die eben auch über die sogenannten World Updates gezogen werden, wurden aber von Hand modelliert und sind nochmals detailverliebter. Ihr könnt sie euch auch ohne großen Vorlauf über den Discovery Mode ansehen und da Erkundungsflüge durch London, Tokyo, die Giza-Region in Ägypten oder etwa den Mount Everest durchführen. Microsoft empfiehlt eine Internetverbindung mit mindestens 50 Mbit/s für ein optimales Erlebnis.

Die Soundkulisse ist dabei eine Mischung aus Funksprüchen, fast schon meditativer Electro-Musik und Motoren- und Windgeräuschen. Ich bin kein Pilot, für mich klingt das Gebotene jedoch realistisch. Was es nicht mehr gibt: Ihr könnt keine Abstürze oder Zusammenstöße durchführen und euch das Resultat betrachten. Stattdessen wird in allen Gefahrensituationen zu einem schwarzen Screen ausgeblendet. Gefährliches Flugverhalten hat ebenfalls keine Konsequenzen: Bei meinen Tiefflügen über meine Heimatstadt Kiel etwa hätte mich wohl jede Airline radikal aus dem Verkehr gezogen, ist hier aber wurscht.

Wie schon erwähnt, gibt es hier aber wenig klassisches Gameplay: Der „Microsoft Flight Simulator“ gibt euch keinerlei Ziele vor. Ihr entscheidet also selbst, was ihr erreichen wollt. Das fängt etwa schon damit an, wie realistisch ihr das Ganze haben wollt. Wer z. B. auf vollen Realismus konfiguriert, wird möglicherweise sogar anfangs Probleme haben ein Flugzeug überhaupt von der Landebahn in die Luft zu kriegen. Es ist aber auch möglich, recht Arcade-mäßig vieles zu vereinfachen bzw. zu automatisieren.

Ich flog größtenteils mit „Easy“-Einstellungen. Selbst hier müsst ihr aber etwa die Neigung des Flugzeugs, den Höhenmesser, die Geschwindigkeit und den Kompass stets im Auge behalten. Und man muss sich an die Steuerung immer noch gewöhnen: Leicht übersteuert man und pendelt dann stets von links nach rechts bzw. oben und unten, um seine Übersteuerungen auszugleichen. Es brauch da am Controller viel Gefühl, um konstant auf einer Höhe einfach nur geradeaus zu fliegen.

Das hört sich vielleicht dröge und fummelig an, das ist es aber nicht: Je nach Bedarf wechselt ihr zwischen Cockpit- und Außenansicht und zieh euer Ding mit euren gewählten Einstellungen durch. Der Reiz ergibt sich durch das langsame aber stetige Lernen und das Gefühl, dass man sich hier nicht in einer fiktiven Welt, sondern auf einem Abbild unserer Erde bewegt. Mein Schlüsselerlebnis, und ich denke das wird vielen so gehen, war ein Flug über meine Heimatstadt Kiel: Orte in meiner Nachbarschaft wie den Schrevenpark, Gebäude des Universitätsgeländes oder Schiffe im Hafen zu erkennen, hat mir mehrmals ein Grinsen und auch ein Staunen abgerungen.

Wie detailliert eure eigene Heimatstadt ausfällt, kann aber variieren und hängt vom Kartenmaterial ab, das für Bing Maps zur Verfügung stand. Es ist aber eben wirklich einmal ein Erlebnis in dieser Weise den eigenen Planeten zu erkunden und das Gefühl zu haben, echte Orte erkunden zu können. So kommt es auch ganz natürlich dazu, dass man sich eigene Ziele setzt und eine Motivation entwickelt: Mal eben gucken, ob die alte Grundschule zu sehen ist, den Heimatort der Eltern besuchen oder vor dem Urlaub das Gebiet von oben ansehen, in das man reisen möchte – all das geht im „Microsoft Flight Simulator“.

Ein paar Bugs traten in meinem Testzeitraum dennoch auf: Einmal stürzte der Titel nach Auswahl von Start- und Zielflughafen beispielsweise unvermittelt ab. Ein anderes Mal brach die Framerate bei mir ein und das Spiel zuckelte einige Sekunden nur vor sich hin – das gab sich dann aber direkt wieder. Generell ist die Performance sehr stabil und man kann hier sehr viel Spaß haben, wenn man sich auf die wenig „geführte“ Erfahrung des „Microsoft Flight Simulator“ einlassen mag. Ich empfehle, anfangs jedoch die vielen kleinen Tutorials auszuprobieren.

So führen sie unter anderem in das Starten und Landen, das korrekte Beschleunigen und das Ablesen der einzelnen Instrumente sowie bestimmte Manöver ein. Sie sind völlig optional, sind aber ein guter Anfang, um als Neuling in die komplexe Steuerung hereinzukommen. Am Ende ist der „Microsoft Flight Simulator“ ein sehr spezieller Titel, der 2020 am PC aus der Nische herausgewachsen ist, weil die Pandemie Reisen erschwerte und diese virtuelle Erfahrung da für viele wie gerufen kam. An der Xbox Series X bleiben alle Reize des Titels erhalten – aber auch alle spröderen Elemente. Wer sich auf diese Erfahrung einlassen mag, erlebt hier eine echte Next-Gen-Erfahrung, die im Gedächtnis bleibt.

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden. PayPal-Kaffeespende an den Autor.

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8 Kommentare

  1. @André: hast Du einen spezieller Controller benutzt bzw. wie gut klappt das mit den Standardcontrollern? Danke!

    • André Westphal says:

      Ich hab mit dem Standardcontroller gespielt, aber alles auf easy gestellt. Wenn du mehr manuell machst / auf Simulation gehst wird es mit dem Controller gerade beim Starten und Landen schwieriger als mit Maus und Tastatur – die werden aber auch unterstützt.

      Ich wollte auch gerne mal den Turtle Beach Controller testen, hab da aber leider noch nichts Neues über Testmuster gehört :-).

  2. Regenbogenschaf says:

    Ein Meisterwerk. Als ehemaliger playstation User hat sich der Wechsel zur series x absolut gelohnt.

    Der flight simulator ist ein Meilenstein. Was will man noch mit exklusiven Manga Spiele für Kinder, wenn man stattdessen die Welt bereisen kann?

    @tom der Standartcontroller ist ausreichend. Das funktioniert wunderbar.

  3. Ich erinnere mich noch an den Flight Simulator II damals auf dem Amiga – und damals habe ich mich schon gefragt, ob das ein „Spiel“ ist. Die Antwort war damals schon Nein.

    Man kann sich die neue Version ja im Rahmen des Game Passes kostenlos runterladen und sie sieht wirklich fantastisch aus. Und macht wieder genauso viel Spaß, wie wunderschöner Farbe beim Trocknen zuzuschauen.

    Wenn jetzt jemand die Technik nehmen würde, um da ein echtes Spiel draus zu machen, das wäre doch mal eine Idee. Ein neues Aces over Europe, Aces of the Pacific oder Wings? Wieso ist dieses komplette Genre eigentlich ausgestorben?

  4. „exklusiven Manga Spiele für Kinder“? Welche meinst du damit?

  5. Sind die Unterschiede beim Spiel Series X / S gravierend?

    • Series X: >30fps (eher gegen 60), 1440p (hochskaliert)
      Series S: stabile 30fps, geringerer Distanzdetailgrad, 1080p
      (korrigiert mich, wenn ich falsch liege)

      Es gibt bereits ein Video von Digital Foundry dazu.

      Auf der X mit dem Controller auf der einfachen Simulationsstufe ist es super spiel- und steuerbar. Optisch sind die Unterschiede zur Series S geringfügig IMO.

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