Gesundheits-Apps sind nicht erfolgreich, teuer und oft fehlen Nachweise über den Nutzen

Photo by Paul Hanaoka on Unsplash

Seit zwei Jahren können Gesundheits-Apps verschrieben werden. Ich hatte Mitte 2022 erst darüber geschrieben, da es wohl einige Apps mit Sicherheitslücken gibt. Generell findet man einige Apps in der Liste, von denen man sich sicherlich fragt, warum diese überhaupt verschrieben werden.

Die Inanspruchnahme zeigt nun aber auch: Erfolgreich ist das Gesamtangebot nun wirklich nicht. In dem Bericht für den Zeitraum vom 1. September 2020 bis 30. September 2022 zieht der GKV-Spitzenverband (der Spitzenverband Bund der Krankenkassen) Bilanz zur Inanspruchnahme und Entwicklung der Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA).

Die zentrale Erkenntnis ist, dass die „Apps auf Rezept“ noch nicht in der Versorgung angekommen sind. Seit Anfang 2022 bewegt sich die monatliche Menge der eingelösten Freischaltcodes auf einem nahezu unveränderten Niveau zwischen 10.000 und 12.000 DiGA. Insgesamt wurden bis Ende September rund 164.000 DiGA in Anspruch genommen.

Und wenn man sich das Ganze so anschaut, dann wird von den App-Entwicklern wohl gerne Geld genommen – und da wird sich jeder Beitragszahler sicherlich denken: „Hey, wenn es keinen Mehrwert gibt, dann legt die Kohle bitte besser an.“

Die Auswertung zeigt, dass die durchschnittliche Preishöhe von DiGA mit fehlendem Nutzennachweis deutlich steigt.

Die Herstellerpreise sind damit gegenüber dem Durchschnittswert aus dem ersten Jahr der DiGA nochmals um 20 Prozent gestiegen.

Selbst bei DiGA, die ihren Patientennutzen nicht innerhalb eines Jahres belegen konnten und deren Erprobungszeitraum deshalb verlängert wurde, kam es zu deutlichen Preiserhöhungen.

Bei der Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis fehlt häufig der Nachweis über den medizinischen Nutzen. Deshalb werden zwei Drittel der DiGA nur vorläufig, zur Probe, aufgenommen. Hinzu kommt die mangelnde Wirtschaftlichkeit. Herstellende Unternehmen können im ersten Jahr der Aufnahme einen beliebig hohen Preis festlegen, der von der gesetzlichen Krankenversicherung für diesen Zeitraum erstattet werden muss, unabhängig davon, ob ein Nutzen nachgewiesen wurde oder nicht. Das Preisspektrum reicht dabei von 119 Euro für eine Einmallizenz bis zu 952 Euro für 90 Tage.

„Mit viel Vorschusslorbeeren sind DiGA in die Versorgung gestartet. Aber den Erwartungen sind sie bisher nicht gerecht geworden. Die Gesundheits-Apps stecken auch nach über zwei Jahren noch in den Kinderschuhen. Dabei sehen wir durchaus großes Potenzial, wie DiGA die Patientinnen und Patienten beim Erkennen oder Überwachen von Krankheiten unterstützen können. Die unverändert hohe Quote von DiGA auf Probe zeigt aber, dass oftmals noch offenbleibt, was die Angebote wirklich bringen. Trotz dieser unklaren Evidenzlage rufen die herstellenden Unternehmen beliebig hohe Preise auf und der gesetzlichen Krankenversicherung sind im ersten Jahr bei dieser Preisspirale nach oben die Hände gebunden. Hier sollte der Gesetzgeber schleunigst einen Riegel vorschieben. Die Krankenkassen sollen eine gute Versorgung der Patientinnen und Patienten sichern und keine Wirtschaftsförderung mit Beitragsgeldern betreiben“, so Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband.

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Hallo, ich bin Carsten! Ich bin gelernter IT-Systemelektroniker und habe das Blog 2005 gegründet. Baujahr 1977, Dortmunder im Norden, BVB-Fan und Vater eines Sohnes. Auch zu finden bei X, Threads, Facebook, LinkedIn und Instagram.

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10 Kommentare

  1. Wie überraschend. Wer hätte das nur erwartet….

  2. Naja, das ist die Sicht des GKV-Spitzenverbandes. 🙂
    Die IT-Buden bzw. deren Verbände werden das Gegenteil zu verkünden wissen… die Wahrheit liegt wohl, wie so oft, in der Mitte.

    Woran ich erinnern möchte: Vorschussvertrauen und Förderung von Innovationen waren genau das, was der Gesetzgeber im Sinn hatte. Ob das nun aus GKV-Geldern oder anderen Töpfen der Allgemeinheit passiert interessiert wohl die Krankenversicherer mehr als alle anderen.

    • So, hier folgt — wie zu erwarten — der Gegenwind vom Spitzenverband Digitale Gesundheitversorgung.
      Ich halte es für wichtig jetzt auch diese Stellungnahme aufzugreifen, @caschy 🙂

  3. Bevor Medikamente für Patienten zugelassen werden, müssen sie ausgiebig getestet werden. Erst dann dürfen sie verschrieben werden. Warum nicht bei diesen „Gesundheits-Apps“?

  4. Globoli auf Digital. Und an meinen Vorredner: richtig, hier sollte verfahren werden wie bei anderen medikamenten / therapien: erst in Studien deren Wirksamkeit und Unschädlichkeit beweisen, und zwar auf Kosten der Hersteller, nicht der Beitragszahler. Aber klar: steht „digital“ und „App“ drauf , huuch , das ist modern, da machen wir mit. Sagte ich schon was über Globoli? Der Nutzwert solcher Apps dürfte in ähnlicher Verdünnung vorliegen die die Wirksubstrate in diesen Kügelchen.

    • In der DiGA Verordnung, an der der GKV-SV übrigens mitgewirkt hat, ist festgelegt, welche Voraussetzung solch eine DiGA erfüllen muss, bevor sie gelistet und damit erstattungsfähig ist. Hier ist auch der Nachweis eines positiven Versorgungseffektes geregelt. Dies wird wie bei Arzneimitteln auch vom Bundestinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geprüft. Einige DiGA weisen hierbei einen stärkeren Effekt im Vergleich zu Standardtherapien auf. Viele DiGA haben einen positiven Effekt, da es schlicht Lücken in der Regelversorgung und damit keinen oder nur einen negativen Effekt in der Realität gibt (bspw. monatelange Wartezeiten auf Behandlung oder gar keine erstattungsfähige Therapien). Ich frage mich, wie so eine Meinung von Nutzern hier zustande kommt. Beim GKV-SV ist die Begründung naheliegend: alles was neu erstattet werden muss ist erst einmal doof.

  5. Insgesamt finde ich den Beitrag einseitig und damit unreflektiert: welche Parameter werden denn angesatz, um die Einführung einer völlig neuen Form der Gesundheitsversorgung als erfolgreich zu definieren? Mit den Digitalen Gesundeheitsanwendungen hat Deutschland zum ersten Mal ein Konzept in der Umsetzung, welches in dieser Form weltweit einzigartig in einem sonst als trägen und nicht innovativen Gesundheitssystem etabliert wird. Die Anforderungen, u.a. in Sachen Datenschutz und medizinischer Evidenz sind hoch. Klar, dass die Kassen sich dagegen wehren, da sie die Kosten übernehmen sollen. Im Bericht werden wichtige Fakten unterschlagen, bspw. dass es Höchstgrenzen für die Preise gibt, sowie dass ein positiver Versorgungseffekt auch für eine vorübergehende Listung benötigt wird. Außerdem wird nicht darauf eingegangen, welche langfristigen Einsparungen durch den Einsatz von DiGA im Gesundheitssystem generiert werden können. In Summe sollten wir stolz sein, dass Deutschland endlich mal einen innovativen Ansatz hervorgebracht hat und das Ganze fördern und weiterentwickeln, statt politische Meinungsmache zu betreiben.

  6. Das Maß einer guten Gesundheitsversorgung ist nicht ein abstraktes Innovationsziel, sondern _mein_ Bedarf als patient. Ich will
    – mit einem echten Artz/Ärztin aus Fleisch und blut reden, von ihm/ihr begutachtet und dann mit -echten_ Medikamenten oder _echten_ Behandlungen therapiert werden.
    Gespräch , Behandlung ist für mich ein kommunikativer Akt _en face_ von mensch zu mensch. Kein virtueller Akt. Und so voll wie das Watezimmer meines Arztes immer ist – und ich wohne in einer großstadt es gibt also schon um die nächste Straßenecke z. B. den nächsten allgemeinmediziner – denken wohl viele Menschen so wie ich. An deren Bedürfnissen mißt sich was ein eine gute und zeitgemäße medizinische Versorgung ist. „Gesundbeten“ mit apps gehört anscheinend zumindest für die Patienten nicht dazu. Und dann sollte es auch für GKV und Co. nichdazugehören. Der mensch ist das maß der dinge, nicht das System .

    • Das Ziel ist die Verbesserung der Gesundheitsversorgung für die Patienten. Digitale Gesundheitsanwendungen sollen und wollen den persönlichen Kontakt nicht ersetzen, sondern ergänzen ihn. Was bringt mir der Wunsch nach menschlichem Kontakt, wenn ich 6 Monate warten muss (aktuelle, durchschnittliche Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz) oder wenn er mir nicht komplett von der Kasse übernommen wird (Ernährungsberatung) oder der wenn er limitiert ist auf 6x 20 Minuten beim Physiotherapeuten. In diesen Fällen können Digitale Gesundheitsanwendungen eine gute Überbrückung der Wartezeit, eine Betreuung der eigentlichen Therapie oder als Nachsorge unterstützen und den Erfolg einer Therapie erhöhen.

      • Hallo Daniel , „Das Ziel ist die Verbesserung der Gesundheitsversorgung für die Patienten. Digitale Gesundheitsanwendungen sollen und wollen den persönlichen Kontakt nicht ersetzen, “ klingt ja gut , aber mir wären mehr (Fach-)Arztpraxen lieber , etwa durch mehr studiensplätze und ggf. ändern von Zulassungsbedingungen (NC). gleiches für PraxishelferInnen und sonstige Geweerke bis hin zur Dentaltechnik. Da wären m. e. die Millionen besser angesiedelt. Wenn z. B. aus öffentlichen töpfen Veranstaltungsarenen oder sogennante „Kunst am Bau“ gefördert werden warum wird nicht die Ersteinrichtung einer neuen praxis z. B. durch Zinslose Kredite oder teilweise nicht rückzahlbare Förderleistungen öffentlich unterstützt? Wie soll mich eine App als ersatz für eine Physiotherapie massieren?

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