Ehe für alle beschlossen, Netzdurchsetzungsgesetz aber auch
Freude und Leid liegen bei vielen Internetnutzern heute nah beieinander. Die „Ehe für Alle“ ist beschlossen worden, was bedeutet, dass Menschen gleichen Geschlechts heiraten dürfen (und dass in Köln NOCH mehr Junggesellenabschiede sind). Da freut sich das Netz. Auf der anderen Seite ist aber das umstrittene NetzDG durchgewunken worden. Dies steht für Netzwerkdurchsetzungsgesetz und die Mitglieder des Bundestages haben sich dafür ausgesprochen. Was bedeutet das? Soziale Netzwerke müssen nun rascher agieren. Netzwerke mit mehr als 2 Millionen Mitglieder sind verpflichtet, gemeldete, „rechtswidrige Inhalte“ binnen 24 Stunden zu löschen.
Geschieht dies nicht, so drohen hohe Geldbußen. YouTube, Facebook, Twitter und Co müssen also entsprechende Infrastruktur schaffen, damit betreffende Inhalte aus dem Netz verschwinden. In vielen Diskussionen sicherlich eine gute Sache. Aber: Was viele Menschen schon als Hassrede ansehen, ist einfach die nicht akzeptierte Meinung eines anderen. Ein schmaler Grat, auf dem gewandelt wird.
Vielleicht wird so auch einfach etwas gelöscht, was eigentlich nicht gelöscht werden müsste. Da könnten die Plattformbetreiber sagen: „Komm, lieber löschen, bevor Rechtsstreit und eventuell ein Bußgeld droht.“. Und gegen Löschungen wird sich ein Nutzer sicherlich nur schwer rechtlich wehren können und wollen.
Die Sache ist einfach für Kommentierende. Merken sie, dass sie mit ihrer Meinung – und Hass – auf einer Plattform geblockt werden, dann könnten sie sich andere Rückzugsorte suchen. Kleinere Netzwerke mit Gleichdenkenden, wo nicht gleich gelöscht wird. Filterblasen, die nur schwer andere Meinungen zulassen. Auch das Löschen von Fake News ist da ein großes Thema, denn gerade hier geht es im Kommentarbereich oft hitzig zur Sache.
Der schmale Grat für die Social Netzworks. Mal schauen, wie das aussehen soll. Letzten Endes dürfen diese sich als Richter aufspielen. Sie entscheiden, was gelesen werden darf und was nicht.
Zensur? Das Wort steht sicherlich nicht umsonst im Raum. Und bei dem Wort sollte man auch außerhalb seiner eigenen Filterblase denken. Sicherlich wird diese Thematik noch Stoff für viele Diskussionen bereithalten.
Die Frage ist, wieso über Rechtmäßigkeit nun auf einmal micht mehr Gerichte sondern Firmen entscheiden sollen. Wenn z.B. die gleichgeschlechtliche Ehe rechtens sein soll, wäre ein Kommentar dagegen offensichtlich unrechtmäßig. Wieso aber nicht eine Meinungsäußerung? Ich bin gegen Diffamierung und Diskreditierung von gleichgeschlechtlichen Paaren, aber ich denke auch, daß eine eheähnliche Gemeinschaft nicht zur Ehe gebracht werden muß. Ein Hausschwein ist nunmal kein Wildschwein, ohne Bewertung gemeint. Homosexualität muß auf jeden Fall ausgelebt werden dürfen, aber warum Ehe? Steuerliche Vorteile wie bei einer Ehe, ok, aber eine Ehe ist per definitionem zwischen Mann und Frau. Warum denkt jeder, daß wenn man gegen gleichgeschlechtliche Ehe ist, daß man homophob oder gegen Homosexuelle sein muß? Unterschiede zu sehen heißt nicht Bewertungen in Unterschiede zu bringen. Wir betreiben an vielen Stellen Gleichmacherei obwohl wir Gleichberechtigung erreichen wollen. Wir müssen lernen in Unterschieden nicht mehr unterschiediche Werte zu sehen. Dann brauchen wir keine Frauenquote, keine Antidiskriminierungsparagraphen oder sonstiges. Dann sehen wir in der Vielfalt auch einen Gewinn. Und dann brauch es keine gleichgeschlechtliche Ehe, sondern eine der Ehe gleichgestellte Einheit zwischen gleichen Geschlechtern.
@Juli „Das scheinen viele zu verwechseln“
Ne, ich verwechsel da nichts. Ein Gesetzesvertoss liegt nur nach gerichtlicher Feststellung vor, nicht wenn irgendwelche Möchtegern-Blockwarte andere denunzieren.
@fraggle Sehr gut, das meine ich auch so.
Erschreckend, wie sehr die Grundlagen der Meinungsfreiheit bereits durch die oberflächliche politische Debatte erodiert wurden, in dem man mit Hate-Speech und Fake-News extra neue unscharfe Begriffe ein führte, was eine Relativierung der gesetzlich einwandfrei formulierten Grundlagen äußerst erleichtert.
Auszug:
„Für Eingriffe in Art. 5 Abs. 1 GG folgt nach dem BVerfG hieraus, dass ihre Zielsetzung nicht darauf gerichtet sein darf, „Schutzmaßnahmen gegenüber rein geistig bleibenden Wirkungen von bestimmten Meinungsäußerungen zu treffen“ (BVerfG, Beschl. v. 4.11.2009 – 1 BvR 2150/08I). Die „Absicht, Äußerungen mit schädlichem oder in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlichem Inhalt zu behindern, hebt das Prinzip der Meinungsfreiheit selbst auf und ist illegitim“. Entsprechendes gelte „für das Anliegen, die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ansichten zu verhindern“. Das BVerfG betont in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass „die Wertlosigkeit oder auch Gefährlichkeit von Meinungen als solche (…) kein Grund“ sei, diese zu beschränken (BVerfG, aaO. mwN.). Art. 5 Abs. 1 GG erlaube insoweit nicht, die Meinungsfreiheit unter einen generellen Abwägungsvorbehalt zu stellen.“
Es ist klar, warum das so ist. Jeder Abwägungsvorbehalt eines möglichen zukünftigen Schadens einer Meinung ist reine Spekulation und es gibt keine Gedankenverbrechen, jedenfalls noch nicht, aber die Regierung arbeitet daran.
Hier eine komplette juristische Analyse:
https://community.beck.de/2017/04/27/das-bundesverfassungsgericht-wird-das-netzwerkdurchsetzungsgesetz-kippen