Fotograf zeigt, wie stark (und aufwändig) wirklich gute Fotos in nahezu absoluter Dunkelheit mit dem Smartphone aussehen und entstehen

Dass eine Smartphone-Kamera auch 2017 nicht an die Professionalität einer DSLR-Kamera heranreichen kann, muss man wohl kaum diskutieren. Doch die einzelnen Sensoren sind mittlerweile deutlich besser geworden als noch vor einigen Jahren und können für allerlei kunstvolle Aufnahmen verwendet werden. Der Hobby-Fotograf (und Google-Mitarbeiter) Florian Kainz hat jetzt aber in einem eigenen Blogbeitrag beschrieben, wie er es geschafft hat, selbst bei nahezu absoluter Dunkelheit noch wirklich vorzeigbare Aufnahmen der Landschaften um ihn herum hinzubekommen. Angefangen hat alles auf einem Hügel im Norden von San Francisco, als er mit seiner DSLR die Golden Gate Bridge inklusive dahinter schimmernden Stadtlichtern fotografierte.

Stolz auf sein Motiv, zeigte er das Foto unter anderem auch einigen Freunden, die für das Google Gcam Research Team arbeiten. Einer der Jungs forderte ihn daraufhin auf, doch einmal das selbe Motiv mit einer Smartphone-Kamera nachzustellen.

Kainz war sich bewusst, dass die wohl sinnigste Technologie hierfür derzeit auf den Namen HDR+ hört, eine Technologie wie sie in der Kamera-App vom Nexus 6P und dem Google Pixel Verwendung findet:

„HDR+ allows you to take photos at low-light levels by rapidly shooting a burst of up to ten short exposures and averaging them them into a single image, reducing blur due to camera shake while collecting enough total light to yield surprisingly good pictures. Of course there are limits to what HDR+ can do. Once it gets dark enough the camera just cannot gather enough light and challenging shots like nighttime landscapes are still beyond reach.“ Florian Kainz

Er befasste sich ausgiebig mit der Erstellung von Smartphone-Fotos bei enorm schlechten Lichtbedingungen. Dazu testete er unter anderem auch die App SeeInTheDark von Marc Levoy aus, die jener auf dem sogenannten ICCV 2015 Extreme Imaging Workshop vorgestellt hat. Mit ihr ist es möglich, unter Ausnutzung des reinen Mondlichts in sonst purer Dunkelheit Aufnahmen von Objekten zu machen, die zwar ein gewisses Rauschen aufweisen, jedoch sonst alles recht gut erkennen lassen. Was SeeInTheDark so kann, demonstriert folgendes Video:

Das finale Foto lässt durchaus sehr gut erkennen, was auf der Seite Papier geschrieben steht:

Florian Kainz kombinierte nun die Technologien von HDR+ und der App SeeInTheDark in einer eigenen kleinen Kamera-App, welche sich lediglich mit Einstellungen für ISO, Belichtungszeiten und Fokus-Entfernung begnügt. Dies sollte dafür sorgen, dass so wenig Bewegungsunschärfe wie irgend möglich und so viel Bildinformation wie man mit schwachem Licht einfangen kann in einem Foto festgehalten werden kann.

Die App wartet nach dem Drücken des Auslöseknopfs für einige Sekunden und nimmt dann ganze 64 Bilder mit den gesetzten Einstellungen auf. Die einzelnen Frames werden als *.DNG-File gesichert und können zur weiteren Bearbeitung an einen PC übertragen werden.

Im Folgenden wurde die App getestet. Dazu knippste er an diversen Orten jeweils 32 Frames mit unterschiedlichen ISO-Werten und Belichtungszeiten und anschließend mit abgedeckter Linse (undurchsichtiges Klebeband) noch einmal 32 dunkle Frames. Am heimischen Rechner wurden die Bilder anschließend via Photoshop von Körnung und Störungen bereinigt und übereinander gelegt. Ihr seht schon – das perfekte Foto kann nun einmal nicht simpel aus der Hüfte geschossen werden. Zumindest nicht unter den Bedingungen wie hier.

Die Ergebnisse hingegen sind gelinde gesagt der Knaller! Sicher, man muss schon mit Photoshop zu hantieren wissen, um an ähnliche Bilder zu kommen. Aber es ist stark zu sehen, was man selbst mit einer Smartphone-Kamera alles erstellen kann. Florian experimentierte immer wieder mit immer weniger Licht, bis er am Ende sogar das vermutlich einzige Smartphone-Foto mit einer derart geringen Menge an Lichtinformationen produziert hat:

Der Sternenhimmel fotografiert mit dem Google Pixel (Lichtinformationen kamen ausschließlich vom Licht der Sterne)

Am Ende zeigt uns der Hobby-Fotograf auch noch das finale Foto der Golden Gate Bridge, welches er mit dem Nexus 6P aufgenommen und anschließend nachbearbeitet hat:

Warum ich euch das alles zeige? Nun, zum einen bin ich enorm beeindruckt von dem Effort, den Florian Kainz hier an den Tag gelegt hat, um das „perfekte“ Foto zu erzeugen. Zum anderen jedoch gibt es sicher auch unter euch ein paar Personen, die hier vielleicht genau den Anreiz gefunden haben, um sich selbst mal wieder an ein paar professionellen Bilder mit dem Smartphone zu versuchen. Mehr Einblick in die Techniken von Florian findet ihr in der Quelle. Ein Album mit seinen besten Kreationen aus dem Projekt findet ihr hier. Und nein, hier soll nun keine Diskussion entstehen, wer die geileren Fotos knippsen kann – DSLR oder Smartphone. Manchmal ist es auch einfach mal schön zu sehen, was zumindest so alles möglich wäre…

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Nordlicht, Ehemann und Vater. Technik-verliebt und lebt fürs Bloggen. Außerdem: PayPal-Kaffeespende an den Autor. Mail: benjamin@caschys.blog / Mastodon

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38 Kommentare

  1. Habe ich etwas übersehen oder gibt es seine App nicht als Download? Ich meine die die mehrere Bilder mit unterschiedlicher Belichtung automatisch schießt.

  2. Smartphonefotografie ist schon ein spannendes Thema.

  3. Er hat zusätzlich ein Stativ benutzt. Zitat aus dem Artikel: „…the cellphone would still have to rest on the ground or be mounted on a tripod.“

  4. Sicher, aufwendig erstellt. Allerdings hat das m.E. nix mit dem perfekten Foto zu tun, sofern man diesen Begriff überhaupt akzeptieren möchte. Das sieht am Ende überhaupt nicht mehr „echt“ aus und das Bemühen, beim Betrachter, den Wow-Effekt zu erzeugen, ist so krass spürbar, dass nan sofort denkt, SO hatves in echt da nie ausgesehen. Zurückhaltung bringt einen da näher an das „perfekte Foto“.

  5. Interessantes Experiment. Allerdings hat es darüber hinaus nicht wirklich Relevanz für den Alltag.

    Zu dem Thema fällt mir ein, wie beeindruckt ich mal von einem selbst gedrehten Video mit unserer DSLR war. Unsere Tochter hatte Geburtstag. Also haben wir sie morgens mit einem Kuchen mit 5 kleinen Kerzen drauf geweckt. In dem Zimmer war es ansonsten stock finster. Das Video ist hervorragend.

    Bei Fotos mag das Smartphone bei Dunkelheit mit riesigen Aufwand noch irgendwie brauchbare Ergebnisse liefern. Aber spätesten bei Videos ist es dann doch zu Ende.

  6. Das beste Werkzeug nützt nichts, wenn man es nicht richtig benutzt. Und gerade bei Fotos kommt es häufig eher auf den richtigen Moment an als auf die genutzte Kamera.

  7. Genau diese Einstellung stört mich in meinem Land so oft @evkios. Alles was nicht unmittelbaren Nutzen erzeugt wird als sinnlos betrachtet. Das ist einer der Gründe, warum uns das Valley in Tech immer noch davon rennt. Dort sehen Menschen Chancen, Ideen, Möglichkeiten und kommen so auf völlig neue Ansätze, die dann am Ende zu neuer Technologie führt. Bei uns sehen die Leute wie du nur die Probleme und ersticken jede gewagte Idee im Keim. Ich will dich nicht persönlich angreifen, nur diese Haltung bemerke ich so oft und die Macht mich wütend. Wir haben so viele kluge Köpfe im Land aber noch mehr Pessimisten und Zweifler, die jede Idee in Grund und Boden reden. Was glaubst du warum dieser Mensch bei Google das zig-fache von unserem Gehalt verdient? Weil Google weiß, dass genau diese Art zu denken das Unternehmen voranbringt.

  8. „Kainz war sich bewusst, dass die wohl sinnigste Technologie hierfür derzeit auf den Namen HDR+ hört, eine Technologie wie sie in der Kamera-App vom Nexus 6P und dem Google Pixel Verwendung findet“ Diese Geschichte klingt so stark gestellt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es was anderes ist als geplante Werbung 😀

  9. Lounge Radio says:

    Sehr interessant. Leider plant Marc Levoy nicht, die App zu veröffentlichen. Kennt jemand eine Alternative?

  10. @Dark: natürlich ist es das. Erwachsene Menschen stellen sich ohnehin grundsätzlich vor der Bewertung einer Nachricht die Frage, welche Motivation der Nachricht zu Grunde liegen könnte.

  11. @Marius Brandl toller Kommentar und absolut richtig. Man muss auch mal was versuchen und wenn man dabei 100 mal in eine Sackgasse kommt.

  12. Schöner Test. Aber hab ich vor ner Weile schonmal gesehen. Ich will damit sagen ist nicht neu, nur schön zu sehen, das es auch mit Smartphones inzwischen geht.
    Hier eine Anleitung wo es genauso gemacht wurde https://www.youtube.com/watch?v=Rydg7JGTAbw

  13. Schmecktnachseil says:

    Habe ich das richtig verstanden? Hier gehts um „Image Stacking“, oder? Was quasi ein alter Hut ist und z.B. gerne in Astofotografie benutzt wird.

    Hier vielleicht nur neu verpackt als Smartphone-App

  14. Ein bisschen Off-Topic, aber mich erinnert gleich das erste Foto – sofern man es flüchtig betrachtet – an Monkey Island…. 😀 – Wollte ich einfach nur loswerden…. 😀

  15. Der soll lieber die App im Play Store bereitstellen 🙂
    Kennt jemand eine gute vergleichbare App?

  16. Murmeltier says:

    Dazu fällt mir im das ein.

    “ Nach 1000 erfolglosen Versuchen eine Glühbirne zu entwickeln,sagte Edison: „Ich bin nicht gescheitert. Ich kenne jetzt 1000 Wege,wie man keine Glühbirne baut.“

    So ist das auch oft mit denn Smartfhone beim Bilder schießen.

  17. Super Kommentar @Marius Brandl !

    @Go1337

    Ich habe die Kamera meines billig 150 Euro Smartphones (Nexus 5X gestorben letztens) durch die Android App „A better Camera“ https://play.google.com/store/apps/details?id=com.almalence.opencam&hl=de und mit dem Kauf des HDR Moduls (1 Euro) sehr aufwerten können. Die App nimmt 3 Bilder auf (über-, unter- und normalbelichtet) und produziert sehr natürliche HDR Bilder daraus. Das ist das beste was ich finden konnte. Kann aber nicht mit 64×2 Sekunden RAW Bildern auftrumpfen wie die Software aus dem Artikel (er hat die Bilder auch am PC zusammen gerechnet).

  18. @Marius Bradl: dieser Selbsthass ist aber auch unschön. Ich denke, wir Deutschen sind vor allem deshalb so nachhaltig erfolgreich, weil wir uns gerade immer wieder kritisch mit Dingen auseinander setzen, Dinge in Frage stellen. Es ist im Grunde die alte Diskussion: man wäre gern (noch) besser, entspannter, und trotzdem gleich erfolgreich, aber beides gleichzeitig schließt sich eben oft aus. Man sollte nicht vergessen, dass wir bei allen Selbstzweifeln von den meisten anderen um unsere Gesellschaft beneidet werden.

  19. @therealmarv
    werd ich mir mal ansehen. Danke für den Tipp.

  20. @Marius Brandl (@phynexis)
    Ich würde die Kirche mal im Dorf lassen. Was @evkios geschrieben hat, war seine Meinung und er sieht aktuell keine Verwendung in SEINEM Alttag dafür. Punkt.
    Wenn du genau gelesen hättest, hättest du bemerkt, dass er sich diese Technik für Videoaufnahmen mit dem Smartphone gewünscht hätte. Das ist ein wichtiges Feedback, was man zur Verbesserung des Produkts verwenden sollte.

    Gegenstimmen sind nichts Schlechtes. sondern Feedback, was man objektiv bewerten/betrachten sollte und ggf durch weitere Informationen oder Produktverbesserungen minimieren kann. Die meisten Ängste/Vorurteile entsteht durch schlechte Kommunikation und daran sind die Leute sehr sehr selten Schuld…………..

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