„Yakuza Kiwami“: Wenn der Gangster das Toilettenpapier reicht
„Yakuza Zero“ schaffte es im Frühling in meine vorläufigen Top 5 Spiele des Jahres. Mittlerweile muss ich zwar „Persona 5“ auf den ersten Platz setzen, doch Segas Japano-Prügler um den japanischen Gangster mit dem goldenen Herzen, Kazuma Kiryu, bleibt immer noch ein starker Platz 2 vorbehalten. Und 2017 ist für westliche Fans der „Yakuza“-Reihe ein besonders tolles Jahr. Denn diese Woche ist das Game „Yakuza Kiwami“ erscheinen. Dabei handelt es sich um ein komplettes Remake des ersten Teils, der 2006 im Europa für die PlayStation 2 auf den Markt kam.
Dabei hat Sega aber nicht einfach die Grafik sanft aufpoliert und es dabei belassen – eine Verfahrensweise, wie sie etwa Square Enix größtenteils für Spiele wie „Final Fantasy XII: The Zodiac Age“ anwendet. Nein, man hat das Spiel im Grunde von Grund auf neu aufgebaut und reichlich neuen Content integriert. Etwa gibt es schon in den ersten Stunden viele Querverweise auf „Yakuza Zero“, so dass sich „Yakuza Kiwami“ fast wie eine direkte Fortsetzung anfühlt.
Allerdings merkt man „Yakuza Kiwami“ im direkten Vergleich mit „Yakuza Zero“ an einigen Stellen doch an, dass es sich eigentlich um einen älteren Titel handelt. So bleiben viele Elemente aus dem zuletzt genannten Spiel außen vor. Etwa kann man aus gegnerischen Yakuza nicht mehr im Kampf sozusagen direkt das Geld rausprügeln, umfangreiche Spiele im Spiel wie das Management eines Cabaret Clubs fehlen und man beschränkt sich auf nur einen spielbaren Charakter. Dadurch wirkt „Yakuza Kiwami“ insgesamt mehr wie ein kleiner Bruder des Zeitverschlingers „Yakuza Zero“.
Wobei man auch mit „Yakuza Kiwami“ etliche Stunden verbringen kann. Denn viele Minispiele sind erhalten geblieben: Etwa gibt es ein Wiedersehen mit dem Pocket Circuit aus „Yakuza Zero“. Man trifft sogar die gealterten Kinder-Rennfahrer wieder und erfährt, was so aus ihnen geworden ist. Hier zeigt sich eine Liebe zum Detail, die in der „Yakuza“-Serie seit jeher auch die Nebenaufgaben durchzieht. Andere Minispiele sind Bowling, Dart, Billard, der Ufo-Catcher oder eine herrlich absurde Mischung aus Karten-, Videospiel und Schere Stein Papier mit spärlich bekleideten Mädels in Insektenkostümen namens MesuKing.
Für „Yakuza Kiwami“ haben die Macher zudem die Rolle des beliebten Psychos Goro Majima im Vergleich mit der PS2-Version gewaltig ausgebaut. Obwohl ich euch zur dramatischen Crime-Story des Spiels nicht zu viel verraten möchte: Kazuma saß nämlich 10 Jahre im Gefängnis und muss sich nun erst einmal seine alten Fähigkeiten wieder aneignen. Auf seine eigene Art will ihn Majima dabei unterstützen. So lauert Majima dem Charakter in allerlei beknackten Situationen auf und fordert ihn zum Kampf. Mal gibt sich Majima als Polizist aus, der Kazuma filzt, ein anderes Mal tarnt er sich gar als Hostesse. Hier kommt der schräge Humor der Spielereihe wieder voll zum Tragen.
Falls ihr noch nie ein „Yakuza“ gespielt habt: Auch „Yakuza Kiwami“ ist wieder eine Mischung aus semi-offener Spielwelt in Tokyos Vergnüngsbezirk Kamurocho – ein fiktiver Ort, der aber an das reale Kabukich? angelehnt ist. Hier prügelt man sich im Beat’em-Up-Stil mit Gegnern, nimmt zahlreiche Nebenaufgaben für Bewohner der Stadt an, widmet sich den bereits erwähnten Minispielen und verfolgt natürlich die Hauptstory. Im Grunde ist die „Yakuza“-Reihe eine Art Mischung aus „Final Fantasy“ und „GTA“ mit einer enormen Portion, japanischen Humors.
Schon immer war „Yakuza“ dabei mehr als die Summe seiner Teile: Die Grafik mag bis auf die hervorragenden Cutscenes angestaubt wirken und man muss sich darauf einlassen können japanische Sprachausgabe kombiniert mit englischsprachigen Untertiteln zu genießen – doch am Ende tragen die emotionalen Originalsprecher zur authentischen Atmosphäre bei. Auch „Yakuza Kiwami“ bleibt in vielen Punkten spröde: Die Menüs in den Geschäften der Stadt sehen absolut altbacken aus, viele Dialoge stützen sich auf Texte statt auf Sprachausgabe und die Animationen sind teilweise hölzern.
Allerdings sind es die Gegensätze, die das Spiel zu so einem Spaß machen: Zum einen hat man da die dramatische Crime-Story, voller Wendungen und mit hervorragend dargestellten Charakteren, deren Persönlichkeiten für den Spieler greifbar sind. Zum anderen sind da eben die absurden Nebenmissionen. Oft verbirgt sich hier aber jede Menge Herz hinter manch zunächst albern wirkender Aufgabe. So hilft man beispielsweise einem verzweifelten Vater Preise aus dem Greifautomat für seine Tochter zu gewinnen, schafft gebrauchte Unterwäsche für einen Geschäftsmann an oder besorgt einem auf dem Pott gestrandeten Manager neues Toilettenpapier. Manchmal entwickeln sich die Nebenaufgaben vollkommen unerwartet und enden mit einem kleinen Twist.
Der Umfang ist bei „Yakuza Kiwami“ wie gesagt geringer als bei „Yakuza Zero“: In letzterem habe ich bestimmt gut 100 Stunden zugebracht, da ich auch das Gros der Nebenaufträge erledigt habe. Bei „Yakuza Kiwami“ sollte mit Nebenaufgaben wohl etwas weniger als die Hälfte an Spielzeit drin sein – das ist allerdings immer noch ein umfangreiches Spiel. Zumal Sega den Titel zu einem fairen Preis von weniger als 35 Euro veröffentlicht hat. Da kann ich euch also nur empfehlen reinzuschauen. Solltet ihr „Yakuza Zero“ wiederum bisher ausgelassen haben, ist letzteres aber ein noch besserer Einstieg. Denn „Yakuza Kiwami“ spielt wie gesagt gerade zu Anfang stark auf „Yakuza Zero“ an.
Anfang 2018 soll international das bereits in Japan erhältliche „Yakuza 6“ auf den Markt kommen – darauf freue ich mich schon extrem. Ich hoffe auch der ein oder andere von euch gibt der Spielereihe vielleicht eine Chance: Man merkt den Games durch ihre Ecken und Kanten an, dass hier nicht die große Masse anvisiert wird und nicht das Budget eines Triple-A-Titels dahinter steckt. Aber der einzigartige Charme der Games zieht sich durch jeden Titel und macht auch „Yakuza Kiwami“ meiner Ansicht nach zu einem Pflichtkauf.
Vielen Dank für diesen (für mich) Geheimtipp Yakuza 0. Nach einer anfänglichen leichten Befremdung habe ich das Spiel aus denselben Gründen lieben gelernt, die du anführst. Und das, obwohl ich mit Japan-Spielen bisher nichts am Hut hatte.
Hey, das freut mich! Mir ging es damals auch am Anfang so mit der Reihe: Ich kam an der PS3 durch Zufall auf „Yakuza 3“ und am Anfang wirken die Spiele halt extrem schräg. Gerade die Mnüs und die Oberfläche sind ja auch eher altbacken. Aber wenn man dann drin im Spiel ist, gibt es wirklich sehr viel Tiefe. Ich finde auch die Hauptstories immer klass geschrieben – die können sich zweifellos mit den besten Games messen. Der Kontrast durch diese abgedrehten, absurden Nebenquesten ist dann herrlich und das gibt es meines Erachtens in dieser Form kaum in einem anderen Game.
Zumal die Nebenquesten ja trotzdem oft so etwas Herzerwärmendes haben – etwa diese ganze Storyline um den Angestellten beim Pocket Circuit oder die Kinder und ihre Freunschaften dort.
Freue mich schon unheimlich auf Yakuza 6, das ja eine deutlich moderne Grafikengine nutzt :-).