„Psychonauts 2“ im Test: Kreativer Plattformer mit Tiefgang
Das erste „Psychonauts“ erschien 2005 für diverse Plattformen. Entwickelt wurde das Spiel von Double Fine Productions unter der Schirmherrschaft von Tim Schafer, dem renommierten Entwickler, der auch schon an Titeln wie „The Secret of Monkey Island“ mitwirkte. Bei Kritikern war „Psychonauts“ ein Hit, aber kommerziell floppte das Game. Über die Jahre entdeckten dann aber mehr und mehr Spieler den Plattformer und ein Kultspiel war geboren. Mittlerweile ist die Fortsetzung, „Psychonauts 2“ für die Xbox-Konsolen, die PS4 und den PC verfügbar. Für einen Test habe ich mir das Spiel etwa 14 Tage für die Xbox Series X anschauen können.
So erhielt ich von Microsoft freundlicherweise vorab einen Code – die Berichterstattung hat das natürlich in keinster Weise beeinflusst. Dabei erlebte ich dann auch noch einige Bugs, die mittlerweile behoben sein sollten: Manchmal konnte ich Gespräche mit anderen Charakteren nicht fortführen und das Spiel fror ein. Da half dann ein Wechsel ins Xbox-Dashboard, anschließend flutschte alles wieder. Ansonsten konnte ich aber schon in meiner Pre-Launch-Version kaum über Bugs klagen – sieht man von Clipping ab, das gerne auftritt, wenn sich Charaktere durch die Vegetation bewegen.
Ich selbst hatte den Vorgänger übrigens nie gespielt. Glücklicherweise bietet „Psychonauts 2“ anfangs aber eine längere Cutscene mit ausschweifendem Monolog des Protagonisten Raz an, der noch einmal die Story des Erstlings sowie des VR-Spin-offs „Psychonauts In The Rhombus Of Ruin“ Revue passieren lässt. Danach wird man langsam an das Gameplay herangeführt, das eine bunte Mischung aus Kämpfen, Geschicklichkeitseinlagen und Rätseln kombiniert. Die Kämpfe sind dabei der Schwachpunkt und eher simpel und etwas steif gehalten. So könnte Raz deutlich agiler sein. Dank des gemäßigten Schwierigkeitsgrades wird es aber nie frustrierend.
Auch die Rätsel sind spaßig, aber nicht zu kniffelig: Sie sind stets sehr kreativ gestaltet. Beispielsweise bewegt man sich in den Verstand einer Kollegin, um deren von Raz durcheinander gebrachte Psyche auf Vordermann zu bringen. So wollte der angehende Psychonaut seine Chefin ermutigen, ihn auf eine riskante Mission zu schicken. Dafür tauchte er in ihren Verstand ein und stellte eine mentale Verknüpfung zwischen „Risiko“ und „Gewinn“ her. Der Plan ging auf, doch gleichzeitig wurde die Gute nun spielsüchtig. So bewegt man sich im Anschluss durch ihre geistige Welt und stellt sich in einer Art Casino den inneren Dämonen seiner Vorgesetzten.
Hier hat mich wirklich überrascht, wie viele schöne Ideen „Psychonauts 2“ einarbeitet. Das Thema „menschliche Psyche“ wird hier sehr geschickt mit dem Plattformer-Gameplay verknüpft und entwickelt manchmal eine inhaltliche Tiefe, die ich zuletzt nur so bei „Persona 5“ erlebt habe. Hier wird es dann auch teilweise extrem psychedelisch. Etwa erweckt ein mentales Konzert, dass Raz mit allerlei illustren Charakteren wie einem wandelnden Augapfel organisieren muss, den Eindruck, als hätten die Entwickler einen LSD-Trip verarbeiten wollen.
Diese schrägen Einsprengsel machten mich stets darauf gespannt, was „Psychonauts 2“ wohl als Nächstes in die Waagschale werfen würde. An diese schräge Art muss man sich anfangs jedoch auch erst einmal gewöhnen: Etwa sehen die Charaktere mit ihren Wasserköpfen allesamt leicht monströs aus. Ein wenig hat mich das an die Filme von Tim Burton bzw. die Stop-Motion-Filme von Laika erinnert. Da ist es eben Geschmackssache, ob man an dieser speziellen Ästhetik Gefallen findet.
Technisch nimmt man dabei durchaus wahr, dass „Psychonauts 2“ eher ein Double-A- als ein Triple-A-Spiel ist. So ist das Art-Design perfekt abgestimmt, aber viele Texturen sind eher detailarm. Ausgeglichen wird das eben mit dem besonderen Stil, der sehr eigenständig ist. An der Xbox Series X läuft der Titel mit 60 fps und wirkt sehr scharf, da ist nach meinem Eindruck auch relativ wenig Post Processing am Werk. Welche Auflösung nativ angelegt ist, ist für mich aber schwer einschätzbar – ich würde auf 1.080p tippen. Auch wenn man hier technisch nicht auf einem Niveau mit etwa einem „Ratchet & Clank“ liegt, reißt „Psychonauts 2“ durch seine Kreativität einiges raus.
Da sei beispielsweise der erste Abschnitt erwähnt, in dem man fast schon wie in „Inception“ abgefahrene Zooms erlebt, die Perspektive sich dreht, wenn man Wände herauf oder herabläuft und innovativ mit der Kamera gespielt wird. Solche Einlagen sieht man in Spielen selten und ich persönlich kann da nur den Hut ziehen. Selbiges gilt übrigens auch für den erstklassigen Soundtrack, der sich komplett durch die Genres zieht. Mal gibt es Pop-Klänge, die an die 1960er-Jahre erinnern, dann Orchester-Bombast und dann abgedrehte Rock- oder Electronica-Musik. Tolle Musik, die sicherlich auch außerhalb des Spiels funktioniert.
Auch die englischsprachigen Sprecher erledigen einen tollen Job und bringen die Dialoge voller Wortwitz gut rüber. Hier hat man definitiv eine Soundkulisse gezaubert, die Laune macht. Was das Gameplay betrifft, möchte ich ergänzen, dass „Psychonauts 2“ in den ersten 2-3 Spielstunden sehr linear ist und sich erst anschließend öffnet. Nachdem ihr das Hauptquartier der Psychonauts erreicht habt und die ersten Missionen überstanden habt, könnt ihr euch ziemlich frei bewegen. Das gilt dann sowohl für die Zentrale als auch das ausufernde Areal drumherum.
Dabei gibt es nicht nur viele Nebenmissionen und mehr oder minder sinnvolle Sammelgegenstände zu entdecken, Raz kann auch In-Game-Währung ergattern, um neue Pins zu kaufen. Letztere werten seine Fähigkeiten auf, die ihr wiederum selbst weiterentwickelt. Beispielsweise gibt es verschiedene Angriffe mit Feuer oder Psi-Blasts, die Gegner umhauen. In Kombination mit den Pins kann man sich hier einen Build zusammenstellen, der ganz auf die eigenen Präferenzen abgestimmt ist. Das gilt auch für die Optik, denn einige Pins sind rein visueller Natur.
Selbst die Handlung ist bei „Psychonauts 2“ gar nicht mal so bräsig: Es geht darum, eine vermeintlich verstorbene Schurkin ausfindig zu machen und dem Leiter der Psychonauts, Truman Zanotto, sowie dessen Tochter auszuhelfen, für die Raz auch schwärmt. Da Raz aber nur noch als Praktikant bei den Psychonauts eingestuft wird, welche sich mit ihren übernatürlichen Fähigkeiten in den Verstand anderer Wesen einklinken können, muss er sich den Respekt der anderen Charaktere hart erarbeiten. Diese Underdog- und Coming-of-Age-Geschichte ist gut gemacht und nicht nur Raz, sondern auch die Nebenfiguren lagen mir schnell am Herzen.
Dabei erzeugt Double Fine hier eine Stimmung, die ein wenig an eine Mischung aus Tim Burton und „No One Lives Forever“ erinnert – noch ein Spiele-Franchise das man gerne wieder aufleben lassen könnte. So bietet euch „Psychonauts 2“ definitiv eine sehr individuelle Spielerfahrung an. Das wird nicht jedermanns Geschmack sein, insbesondere, da das Plattformer-Gameplay manchmal an die PS2-Ära erinnert, hat mich aber positiv überrascht. Ich kann also nur empfehlen, dass ihr euch einfach mal auf „Psychonauts 2“ einlasst.
„Psychonauts 2“ kostet 59,99 Euro, ist aber auch direkt zum Start im Xbox Game Pass enthalten. Die schiere Kreativität, welche ins Spiel geflossen ist, und der eigenwillige Charme lassen mich hier eine klare Kaufempfehlung abgeben.
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Spiele es nun auch schon einige Stunden via Gamepass auf der One X und bisher gefällt es mir sehr gut. Bisher gute Fortsetzung des ersten Teils.