Kontrovers: IndieGoGo will Unternehmen vom Crowdfunding überzeugen
Im Gegensatz zu Sascha bin ich kein Freund des Crowdfundings: Gerne lege ich Geld für ein fertiges Produkt auf den Tisch und unterstütze auf diese Weise auch Startups und innovative Ideen. Doch ich fühle mich als Kunde, der für das fertige Endprodukt zahlt und nicht schon vorab eine Idee bezuschusst. Auch ich verstehe aber, dass einige tolle Gadgets erst durch die Schwarmfinanzierung möglich geworden sind, da viele große Firmen niemals die mit der Entwicklung verbundenen Risiken eingegangen wären. IndieGoGo geht gerade deswegen nun einen kontroversen Weg: Die Plattform will in Zukunft vor allem große Unternehmen vom Crowdfunding überzeugen.
Neu ist die Idee übrigens nicht, dass auch Unternehmen via Crowdfunding ihre Kundenbasis anzapfen, statt selbst Geld für Projekte aufzubringen: In Japan betreibt Sony etwa eine eigene Crowdfunding-Plattform namens „First Flight„. Die Kontroverse um die Finanzierung des Spiels „Shenmue 3“ hat ebenfalls gezeigt, dass das Thema Crowdfunding und große Unternehmen sensibel ist. Dennoch sieht IndieGoGo hier die Zukunft und hat auf der CES 2016 seinen neuen Dienst für das Enterprise Crowdfunding vorgestellt. Im Wesentlichen handelt es sich um eine Initiative, die Unternehmen helfen soll über die Plattform IndieGoGo ihre Kampagnen zu planen und zu optimieren. Zudem erhalten Geschäftskunden auf diese Weise erweiterte Analyse-Daten. Für die IndieGoGo-Besucher bzw. -Backer sehen die Projekte der Unternehmen aber aus wie jedes andere Crowdfunding-Konzept auf der Seite.
Laut Jerry Needel, der bei IndieGoGo für Partnerschaften mit den Anbietern verantwortlich ist, seien in den letzten Jahren verstärkt große Firmen an IndieGoGo herangetreten. Dem Bedarf wolle man nun nachkommen. Zwar war IndieGoGo seit jeher nicht nur für Startups und Co. offen, sondern auch für Unternehmen bzw. Konzerne, doch jetzt nehme man jene über das Enterprise Crowdfunding direkt an die Hand. Needel sieht IndieGoGo in diesem Bezug als wertvolle Chance, um Marktforschung zu betreiben. Die Firmen könnten ohne finanzielles Risiko Ideen in den Raum stellen und das Interesse der Kunden auswerten.
In der Vergangenheit hatte IndieGoGo beispielsweise bereits mit Hasbro gearbeitet, um über eine Crowdfunding-Kampagne die Potentiale für verschiedene Game-Konzepte auszuloten. Derartige Kampagnen könnte man in Zukunft öfter bei IndieGoGo erleben. Allerdings dürften auf diese Weise auch die Kontroversen zunehmen. Kritiker der Schwarmfinanzierung, wie eben auch ich selbst, erhalten noch mehr Argumente. So halte ich es für eine höchst bedenkliche Entwicklung, wenn Unternehmen nicht mehr selbst Risiken eingehen, sondern schon vor der Produktentwicklung / – veröffentlichung Geld einsacken möchten. Ein weiteres, kontroverses Beispiel war in diesem Bezug in den letzten Jahren Scrubs-Alumni Zach Braff mit seinem Film „Wish I Was Here“. Der Millionär schnorrte die Community um Geld an, nur weil er selbst die volle kreative Kontrolle behalten wollte – im Grunde also wegen absoluten Luxusproblemen. Denn große Filmstudios hätten seinen Film sehr wohl finanziert, verlangen aber (wie es üblich ist) als Geldgeber auch Mitspracherechte. Braffs Vorgehensweise führte sogar zu Gegenkampagnen wie „Don’t Back Braff„.
IndieGoGo selbst und die Unternehmen wird das freilich nicht jucken: Vielmehr erhalten die Geschäftskunden sogar die Möglichkeit gegen einen zusätzlichen Obolus prominenter auf der Site platziert zu werden und so gegenüber anderen Kampagnen im Vorteil zu sein. Immerhin fällt eine Gebühr für die Zusatzdienste des Enterprise Crowdfundings an. Was haltet ihr denn von dieser Entwicklung? Seid ihr genau so skeptisch wie ich oder heißt ihr große Unternehmen und ihre Projekte auf Plattformen wie IndieGoGo willkommen?
ich kann deinen bzw. den Standpunkt der Kritiker nachvollziehen, sehe aber an dem Konzept eigentlich kein Problem. Jeder kann sein, meist hart, verdientes Geld wieder ausgeben, wie er will und es wird ja niemand dazu GEZWUNGEN, für eine Kampagne zu spenden.
Wenn eine Bullshit Idee unterstützt werden soll, dann muss halt die Community den Ersteller „abstrafen“, in dem kein Geld gespendet wird. Dann ist es auch egal, ob die Bullshit Idee von Hans Dampf oder Konzern XY kommt.
Ich selber habe übrigens noch nie eine Crowdfundingplatform unterstützt und bin auch kein Freund von Steams Early Access-Spielen.
> So halte ich es für eine höchst bedenkliche Entwicklung, wenn Unternehmen nicht mehr selbst Risiken eingehen, sondern schon vor der Produktentwicklung / – veröffentlichung Geld einsacken möchten.
Wieso ist das „höchst bedenklich“? Hier wird das Risiko auf diejenigen umgelegt die das Produkt haben möchten, während bei herkömmlicher Finanzierung das Risiko umgelegt wird auf Investoren, Banken und auf Mitarbeiter des Unternehmens selbst. Warum ist das eine schlechter als das andere?
> Der Millionär schnorrte die Community um Geld an, nur weil er selbst die volle kreative Kontrolle behalten wollte –
Na sowas. Frechheit! 🙂
> im Grunde also wegen absoluten Luxusproblemen.
Mit diesem Totschlag-Argument sind 99% der Crowdfunding-Produkte nur überflüssige Lösungen für „Luxusprobleme“. Und 99% der Technik über die ihr hier im Blog berichtet auch.
> Braffs Vorgehensweise führte sogar zu Gegenkampagnen wie „Don’t Back Braff„.
Öhm, diese „Gegenkampagne“ würde ich ja mal eher als Satire einordnen. Das macht das Video doch eigentlich überdeutlich.
Ich bin da eher gespaltener Meinung.
Klar jeder Mensch, der das als Consumer betrachtet, findet das warscheinlich abwegig einen Großkonzern bei einer Idee zu unterstützen, wenn dieser das doch auch aus eigener Tasche machen könnte.
Betrachtet man das aber von der Unternehmerseite, ist es, wie du auch schon geschrieben hast, eine durchaus Intressante Geschichte aufgrund von Marktbeobachtung und Analyse. So kann ein Unternehmen viel Risiko einsparen und erstmal schauen ob es überhaupt vom Markt angenommen werden würde. Man vergisst aber auch leicht, dass durchaus auch der Consumer davon profitieren kann. Würden nämlich auf einmal alle Unternehmen nur noch diesen Weg gehen, würde dem Markt viel Müllsoftware erspart bleiben. Des weiteren würde durch diesen Weg auch Geld gespart werden, was wiederum in Software, welche schon gebackt wurde, reinvestiert werden kann um diese zu verbessern.
Ist ne zwiegespaltene Sache finde ich.
auch wenn die Unternehmen so das Finanzierungsrisiko minimieren, können sich diese bei einem Flop nicht gegen den evtl. Image-Schaden bei den Kunden und Kleinanlegern/Investoren absichern.
Crowdfunding ist so ein Ding, was sich selbst heilen wird. Aktuell sind wir bei 1 von 10 Projekten geht in die Hose. Eine gewisse Frustration ist also schon da:)
Wenn jetzt noch Firmen dazu kommen, passiert das gleiche wie bei eBay. Der harte Kern bleibt, aber Rest wandert ab……
Ich sehe das ähnlich wie manche meiner Vorredner. Auch bisher wird bei Großinvestitionen das Risiko nicht von den Firmen alleine getragen. Selbst eine Firma wie Apple, die schon unnatürlich viel Cash hat, finanziert Investitionen über Kredite, Anleihen etc.
Was ich wirklich interessant daran finde ist nicht so sehr die Seite der Unternehmen, sondern das hiermit direkt Banken angegriffen werden. Fintech ist grad ein ganz großes Thema und möglicherweise bewegen wir uns auf eine Welt zu, in der große Banken immer weniger Relevanz haben. Was beim Girokonto und Micropayments anfängt, erweitert sich durch diese Indiegogo Entwicklung jetzt auf Großinvestitionen. Ganz ganz spannend finde ich das.
Und Zach Braff ist doch ein fantastisches Beispiel. Ich habe den Film nicht gesehen, aber dass es heutzutage grundsätzlich möglich ist, dass ein Filmemacher volle kreative Kontrolle behält, ist eben kein Luxus, sondern eine tolle Entwicklung für die Kunst und Kultur.
Genau dieser Gedanke kann m.E. auch Firmen zu Gute kommen. Wenn sie Spiele, Filme, oder was auch immer für Produkte, crowd-funden, dann bekommen sie in verschiedenen Produktions- und Funding-Stadien ja schon direktes Feedback wie gut sie den Nerv ihrer Kunden treffen. Sieht der Film nach dem ersten Trailer dann doch scheiße aus, gibt’s in der zweiten Runde weniger Geld, also muss man wohl doch am Konzept drehen. Das ist doch viel direkteres Kundenfeedback, als man es bei klassischen Investoren bekommen könnte.
@ Vincent Braff sehe ich als extremes Negativbeispiel: Zum einen hat er selbst genügend Geld und auch Kontakte, zum anderen ist es nunmal so: Wenn ich mir Geld leihe oder andere mich bezuschussen, dann ist es logisch, dass die auch ein Stück weit mitreden wollen. Habe ich mir wiederum ausreichend einen Namen gemacht, dann vertraut man mir und lässt mich machen – deswegen haben z. B. Regisseure wie Christopher Nolan oder Steven Spielberg sowieso das „Final Cut Privilege“. Braff war da einfach zu eitel. Entsprechend kontrovers wurde das dann auch diskutiert – ich fand das auch furchtbar. Wenn Stars mit Millionen-Vermögen nun die Community anzapfen, dann gehts nur noch um Vanity-Projekte.
Ich sehe das halt nicht als „anzapfen“. (Un-)Schön ist es z.B. aktuell bei Nichtlustig zu verfolgen. Kennen bestimmt viele hier die Comics. Die produzieren eine Trickserie und finanzieren das über Kickstarter. Da motzen auch total viele rum, dass sie doch schon Geld für die Comics ausgegeben haben und dass das Schmarotzerei sei. Aber so was kostet nun mal einen Haufen Geld, das finanzielle Risiko lässt sich nicht alleine tragen und für klassische Investoren ist es zu unattraktiv, weil nicht Mainstream genug. http://www.stern.de/kultur/film/nichtlustig-cartoonist-joscha-sauer-ueber-kickstarter-kampagne—keine-leichte-entscheidung–6630420.html
Aber es wird doch niemand gezwungen Geld dazu zu geben. Hältst Du es für unterstützenswert? Dann gib Deinen Teil. Findest Du es total super? Dann gib mehr. Willst Du erst Mal sehen wie es wird? Dann gib nichts und zahle am Ende nur für die Kinokarte (das fertige Produkt, das was auch immer) – aber lebe mit dem Risiko, dass das Projekt niemals fertig gestellt wird.
Hier läuft doch keiner mit nem Klingelbeutel rum und setzt sich auf Deinen Schoß. Und ob man künstlerisch Freiheit bekommt, hat nicht nur mit Talent und Namen machen zu tun (natürlich sehr viel und wohl auch am meisten), sondern auch einfach mal damit zur richtigen Zeit die richtigen Fürsprecher zu haben, um Geld und Freiheit zu bekommen.
Ich verstehe nicht, warum Leute sich von Crowdfunding so angegriffen fühlen – Euch nimmt doch niemand etwas weg. Diese Aussage „die sind doch schon reich“ ist auch hanebüchen. Zwischen viel Privatvermögen haben und so viel haben, dass man ein solches Projekt finanzieren und das Risiko das Totalausfalls auch finanziell überleben kann, liegen Welt. Oder erwartest Du von Zach Braff wirklich, dass er das Risiko eingeht zwar den Film produziert zu haben, anschließend aber ein 1 Zimmer Appartment in der Vorstadt mieten zu müssen?
Klar erwarte ich das von Braff: Andere Unternehmer müssen das genau so machen und teilweise erstmal privates Vermögen investieren oder damit haften. Und wenn er unbedingt seinen Film so drehen will, dass er alles allein in der Hand hat und so daran glaubt: Dann kann man auch erwarten, dass er selbst das Geld in die Hand nimmt. Oder er muss es halt lassen ^^. Zumal er ja eben Angebote von Vertrieben hatte – er war nur bockig, weil die eben Mitspracherechte wollten. Vermutlich wäre dann eventuell sogar was Besseres rausgekommen, denn die Kritiken für das Endergebnis waren sehr mau.
Ich bin übrigens auch niemand, der ständig gegen Crowdfunding wettert: Ich selbst unterstütze grundsätzlich keine Projekte, habe aber durchaus schon Endergebnisse sehr gerne bezahlt – etwa „Broken Age“, „Divinity: Original Sin“ oder „Shadowrun Returns“. Letzten Endes sind solche Projekte von eher kleinen, unabhängigen Entwicklern aber für mich halt auch noch was anderes, als wenn große Firmen oder wohlhabende Stars Geld aus der Community abschöpfen wollen. Aber einen Kreuzzug gegen Crowdfunding oder so fahre ich nun nicht :-D. Letzten Endes muss halt jeder selbst entscheiden, was er unterstützt :-).
Bei privaten Unternehmern ist es doch genau das selbe: je mehr Du Deine Idee selber umsetzen willst, desto schwerer wird es Investorengeld zu bekommen. Ein Freund von mir hat sich selbstständig gemacht. Nach mehreren Investorenrunden mit Venture Capitalists und Business Angels war sein ursprünglicher Business Plan nur noch vage zu erkennen. Das muss nichts schlechtes sein, aber man muss eben bereit sein, Teile seiner Idee abzugeben. Will man das nicht, muss man selber haften oder…. andere Leute fragen. Crowdfunding. Crowdfunding gibt es ja noch gar nicht so lange, als dass man einen sinnvollen Vergleich mit anderen Unternehmern so einfach machen könnte.
Und noch mal, was ich nicht verstehe: „Geld einsacken“, „schnorrte“, „anzapfen“, „abschöpfen“ – warum diese negativen Worte? Noch mal: es ist doch niemand gezwungen. Und er steht auch nicht an Deiner Haustür und klingelt. Wer zwingt Dich denn seine Kickstarterseite oder YouTube Channels oder was auch immer anzugucken? Das ist doch nichts anderes als deine Eltern oder deinen wohlhabenden Onkel fragen, ob sie dir die Serverkosten für ein Jahr vorschießen können, weil du ne geile Idee für einen Blog hast. Nur eben, dass wir heutzutage dank Social Media etc die Möglichkeiten haben nicht nur unsere Familie, sondern Millionen von Menschen da draußen zu fragen. Und die müssen sich nicht mal verpflichtet fühlen, weil sie ja Familie sind, sondern geben wirklich nur Geld, wenn sie dran glauben.