Google: „Recht auf Vergessenwerden“ gilt nicht pauschal

Ihr erinnert euch noch an das „Recht auf Vergessenwerden“ und die Folgeklagen? Da gibt es nun weitere Informationen des Bundesgerichtshofs. Geklagt hatte der Geschäftsführer eines Regionalverbandes einer Wohlfahrtsorganisation. Im Jahr 2011 wies dieser Regionalverband ein finanzielles Defizit von knapp einer Million Euro auf – kurz zuvor meldete sich der Kläger krank. Über beides berichtete seinerzeit die regionale Tagespresse unter Nennung des vollen Namens des Klägers. Dieser Name tauche bei Suchen über Google auf, was besagte Person nicht wollte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Offenbar ist Google weiterhin nicht verpflichtet, negative Berichte nicht auffindbar zu machen, wenn diese denn wahr sind – wenn denn das Informationsrecht der Öffentlichkeit höher gewichtet wird als das Recht des Betroffenen an seinen Daten.

Auch einen zweiten Fall gibt es. Hier wurde geklagt, da die Internetrecherche über Google nach einer bestimmten Gesellschaft für Finanzdienstleistungen zu Ergebnissen auf Seiten führen konnten, die kritisch über jene Gesellschaft berichtete. Auch hier wurde die Klage abgewiesen. Google erklärte damals, die Wahrheit der in den verlinkten Inhalten aufgestellten Behauptungen nicht beurteilen zu können. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren nun ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt – das Recht auf Löschung besteht also offensichtlich nicht in jedem Fall:

Zum einen ist durch den Gerichtshof der Europäischen Union zu klären, ob es mit den Rechten des Betroffenen auf Achtung seines Privatlebens (Art. 7 GRCh) und auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten (Art. 8 GRCh) vereinbar ist, bei der im Rahmen der Prüfung seines Auslistungsbegehrens gegen den Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes gemäß Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen aus Art. 7, 8, 11 und 16 GRCh dann, wenn der Link, dessen Auslistung beantragt wird, zu einem Inhalt führt, der Tatsachenbehauptungen und auf Tatsachenbehauptungen beruhende Werturteile enthält, deren Wahrheit der Betroffene in Abrede stellt, und dessen Rechtmäßigkeit mit der Frage der Wahrheitsgemäßheit der in ihm enthaltenen Tatsachenbehauptungen steht und fällt, maßgeblich auch darauf abzustellen, ob der Betroffene in zumutbarer Weise – z.B. durch eine einstweilige Verfügung – Rechtsschutz gegen den Inhalteanbieter erlangen und damit die Frage der Wahrheit des vom Suchmaschinenverantwortlichen nachgewiesenen Inhalts einer zumindest vorläufigen Klärung zuführen könnte.

Zum anderen bittet der Bundesgerichtshof um Antwort auf die Frage, ob im Falle eines Auslistungsbegehrens gegen den Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes, der bei einer Namenssuche nach Fotos von natürlichen Personen sucht, die Dritte im Zusammenhang mit dem Namen der Person ins Internet eingestellt haben, und der die von ihm aufgefundenen Fotos in seiner Ergebnisübersicht als Vorschaubilder („thumbnails“) zeigt, im Rahmen der nach Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a DS-RL / Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen aus Art. 7, 8, 11 und 16 GRCh der Kontext der ursprünglichen Veröffentlichung des Dritten maßgeblich zu berücksichtigen ist, auch wenn die Webseite des Dritten bei Anzeige des Vorschaubildes durch die Suchmaschine zwar verlinkt, aber nicht konkret benannt und der sich hieraus ergebende Kontext vom Internet-Suchdienst nicht mit angezeigt wird.

Hier muss nun offenbar entschieden werden, wer nachweisen muss, was wahr oder falsch ist.

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Hallo, ich bin Carsten! Ich bin gelernter IT-Systemelektroniker und habe das Blog 2005 gegründet. Baujahr 1977, Dortmunder im Norden, BVB-Fan und Vater eines Sohnes. Auch zu finden bei X, Threads, Facebook, LinkedIn und Instagram.

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2 Kommentare

  1. Die EU sollte das nicht so kompliziert machen und es zumindest für private Personen so wie beim Telefonbuch auch handhaben-wer nicht ins Telefonbuch/Google will, kann das ohne Angabe von Gründen melden und die Anbieter sind dann verpflichtet, diese Daten zu löschen. Anbieter, die dem nicht innerhalb einer Frist nachgekommen sind, müssen dann pauschalte Strafen für jeden weiteren Tag an die Person zahlen und/oder deren Provider muss die Webseite umgehend bis Klärung vom Netz nehmen, um den nötigen Handlungsdruck aufzubauen.

    Für Personen der Zeitgeschichte oder aktuelle Ereignisse von öffentlichem Interesse kann man ja Ausnahmen gelten lassen, die landeten ja bisher auch im Archiv der Zeitungen.

    • Aha. „Der Anbieter“ (wer auch immer das ist von den Millionen Anbietern im Netz, die mich irgendwie erfassen, verlinken, zitieren) muss also nur noch „irgendwie“ herausfinden, dass der „Stefan Meier“, der ihnen ein Mail geschrieben hat, auch genau der „Stefan Meier“ ist, um den es geht, und dann wird das gelöscht. Zum Beispiel die Wikipedia-Seite, an der „Stefan Meier“ mal ein Komma korrigiert hat, weswegen er im Log auftaucht.

      Natürlich gibt es auch eine Liste, in der der Anbieter nur kurz nachgucken muss, wer denn eine „Person der Zeitgeschichte“ ist, und wer nicht.

      Und natürlich das ganze weltweit! Wenn Mohammed Meier aus Saudi-Arabien nach deren gültigen Gesetzen (!) findet, dass seine deutsche Ehefrau nicht mehr auf der Abi-2010-Seite ihrer Schule genannt werden soll — dann muss das natürlich gelöscht werden.

      Oder oder oder…

      Ich habe grad mal gegoogelt — ich finde im Web Texte von mir, die in den 90ern in Mailbox-Verbünden entstanden sind, unter einem lustigen Pseudonym, noch vor der allgemeinen zugänglichen Internetnutzung — wie darf man sich denn so einen „Löschauftrag“ vorstellen?

      Bei solchen Kommentaren frage ich mich immer, ob für 5 Cent nachgedacht wurde, wie das gehen soll, wer das entscheidet, wer das bezahlt, wer das autorisiert und validiert, und vor allem: Wer das entscheidet.

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