Bose Noise Cancelling Headphones 700 im Test: Schritt vor und Schritt zurück
Bose hat mit dem Noise Cancelling Headphones 700 eine Alternative zu den beliebten QuietComfort 35 Headphones II präsentiert. Im Test habe ich mir diese Kopfhörer einmal angehört und kann auch direkte Vergleiche zu etwa den Jabra Elite 85h ziehen, die ich als direktes Konkurrenzmodell ja auch schon in die Mangel genomen habe.
Schon bei der Vorstellung gab Bose an, was man bei dem neuen Modell verbessert haben wolle: die aktive Geräuschunterdrückung und die Audioqualität bei Telefonaten. Außerdem verwenden die Kopfhörer ein gänzlich neues Design. Ich persönlich werde damit nicht so ganz warm, doch der Reihe nach.
Technische Daten der Bose Noise Cancelling Headphones 700
- Design: Over-Ear-Kopfhörer
- Bluetooth 5.0
- Reichweite: Bis zu 10 m
- Codec: SBC, AAC
- Akkulaufzeit: ca. 20 Stunden
- Akkuladezeit: ca. 2,5 Stunden
- Ladeanschluss: USB Typ-C
- Lieferumfang: Kopfhörer, Audiokabel, USB-Typ-C-Ladekabel, Transporttasche, Kurzanleitung
- Abmessungen / Gewicht: 20,3 x 16,5 x 5,1 cm / 250 g
- Preis: ca. 379 Euro
Noch eine Anmerkung zur Aufladung: Wenn es mal schnell gehen soll, erreicht ihr bereits durch 15 Minuten Aufladung eine Laufzeit von 3,5 Stunden. Bose bewirbt die neuen Noise Cancelling Headphones 700 im Übrigen wie gesagt nicht als Nachfolger der QuietComfort 35 Headphones II, sondern als Alternative mit komplett anderem Design. Leider ist das in meinen Augen ein Nachteil, was ich im nächsten Abschnitt zu Verarbeitung und Tragekomfort erklären werde.
Verarbeitung und Tragekomfort
Das Design der neuen Noise Cancelling Headphones 700 wird für Kontroversen sorgen – mir gefällt der robustere Look der QuietComfort 35 Headphones II besser. Die neuen 700 sind im Design für meinen Geschmack schon zu sehr reduziert mit dem sehr dünnen Kopfbügel, der zudem noch eine Ecke enger sitzt.
Leider büßt man dadurch überraschend stark an Tragekomfort ein, was ja die große Stärke der QuietComfort 35 Headphones II ist, welche ich da vor den Jabra Elite 85h sehe, wie ich auch im Test beschrieb. Doch leider, muss ich die Noise Cancelling Headphones 700 deutlich dahinter einordnen. Sie sitzen auf meinem Kopf wesentlich enger und drückten nach längerer Tragedauer ab etwa einer Stunde tatsächlich – ein Problem das ich selbst mit den günstigen Anker Life Q20 nicht hatte – welche aber auch größenverstellbar sind. Letzteres ist hier nicht möglich.
Somit ist der Tragekomfort für mich persönlich gegenüber den QuietComfort 35 Headphones II ein Downgrade. Vielleicht ist das auch der Grund, warum man hier nicht von einem Nachfolger sprechen wollte? Zu beachten ist für euch: Jeder Kopf ist anders. Das gilt auch für die Ohren. Was bei mir suboptimal sitzt, könnte euch begeistern. Ich kann nur meine persönlichen Erfahrungen wiedergeben.
Auch die Verarbeitung könnte besser sein: Wie bei den Anker Life Q20 haben die Ohrmuscheln im Gegensatz zum Jabra Elite 85h viel Spiel – bisschen in der Hand schütteln und sie wackeln im Takt munter mit. Gut gefällt mir hingegen das matte Design der Oberflächen und die Beschichtung der Oberseite. Fingerabdrücke und Ablagerungen haben hier deutlich weniger Chancen als man annehmen sollte.
Die Tasche macht ebenfalls einen wertigen Eindruck und enthält sogar ein kleines Extrafach für Audio- und USB-Kabel mit einem Deckel – tolle Idee. Lege ich allerdings die Bose Noise Cancelling Headphones 700 neben die Jabra Elite 85h und die Anker Life Q20 muss ich erschreckenderweise sagen, dass für mich Design und Verarbeitung eher Ankers Life Q20 nahe stehen als dem Jabra-Modell… Da hätte mehr gehen können und das Headset wirkt einfach nicht sehr premium. Schade, denn die hauseigenen QuietComfort 35 Headphones II zeigen, wie es gehen kann.
Audioqualität, Noise Cancelling und Anrufe
Beim Noise Cancelling hat Bose kräftig nachgebessert: Die Noise Cancelling Headphones 700 bieten da zudem mehr Optionen als einfach “An” oder “Aus”. Das erreicht man auch durch ein neues Mikrofon-Design mit acht Mikrofonen – sechs für das Noise Cancelling und zwei für die Erfassung der Stimme bei Telefonaten. Es ist nun möglich die Geräuschunterdrückung in elf Stufen zu regeln. Bei 0 wird die abgeschaltet und Umgebungsgeräusche nur noch passiv durch die Ohrmuscheln an sich unterdrückt und bei 10 arbeitet sie sozusagen auf maximaler Stufe.
Dabei ist bereits die passive Unterdrückung der Kopfhörer recht wirksam, da sie eben sehr fest sitzen – was, wie ich beschrieb, aber eben zulasten des Tragekomforts geht. Die Möglichkeit die Geräuschunterdrückung zu regeln, habe ich beim Testen zwar mehr zum Herumspielen genutzt, wer aber die maximale Stufe zu extrem findet, wählt vielleicht etwas wie Stufe 5 oder 6 als Kompromiss. Ich denke den meisten Usern wird es aber wohl wir mir gehen: Entweder man schaltet sie an oder aus.
Unterschiede sind hörbar und das NC ist meines Erachtens wirksamer als etwa beim Jabra Elite 85h – hier hat Bose die Nase vorne. Verstellen könnt ihr die Stufen übrigens wahlweise direkt am Kopfhörer – dann aber nur in 3 abgespeicherten Stufen (als Standard 0, 5 und 10) oder über die Bose Music App in allen einzelnen Schritten. Es gibt dabei auch einen Hearthrough-Modus, bei dem die Mikrone gezielt Umgebungsgeräusche durchlassen, so dass ihr den Kopfhörer nicht abnehmen müsst, um etwas zu hören. Bose tauft das ganze Conversation Mode und erlaubt die Aktivierung über die App oder das Halten einer Taste.
Telefonieren? Da bekommen immer noch die Jabra Elite 85h klar den Zuschlag. Der dänische Hersteller profitiert da wohl von seiner Erfahrung mit Headsets für Geschäftskunden. Trotzdem isolieren die Noise Cancelling Headphones 700 die Stimme sehr gut und bieten da eine bessere Qualität als noch die QuietComfort 35 Headphones II. Trotzdem hört euer Gegenüber ein wenig mehr von eurer Umgebung als beim Jabra-Pendant – das ist aber Kritik auf hohem Niveau.
Was Musik betrifft, so erwartet hier keine großen Unterschiede zu den Q35 II, denn ich selbst hatte große Mühe da Abweichungen festzustellen. Das ist nicht unbedingt schlimm, denn die bereits erhältlichen Kopfhörer schlagen sich ziemlich gut. Solltet ihr aber bedenken, falls ihr einen Umstieg erwägt. Dabei sind die Noise Cancelling Headphones 700 vor allem auf eine neutrale Wiedergabe ausgelegt, bei der sie dann ausreichend Dynamik aufweisen. Wer aber besonders dominante, pumpende Bässe erwartet, ist hier nicht ganz richtig.
Mir persönlich gefällt der eher flache, neutrale Klang dieser Kopfhörer sehr gut, passt aber eben auch gut zu meinen Hörgewohnheiten (Indie Rock, Indie Folk, Shoegaze, Dream Pop). Wer z. B. eher auf beatlastige Musik steht, ist vielleicht etwas enttäuscht vom Schwerpunkt, den Bose hier gesetzt hat. Aus meiner Sicht mach Bose hier aber alles richtig.
Weitere Anmerkungen
Kritiseren muss ich die Anleitung von Bose. Bei Kopfhörern für mehrere Hundert Euro, sollte man erwarten, dass dem Käufer die Kernfunktionen gut erklärt werden. Denkste, denn die beiliegende Kurzanleitung ist ein Witz und beschreibt gerade einmal das An- und Ausschalten über die Bluetooth-Taste. Selbst das ist schlecht erklärt: Bei den meisten Bluetooth-Kopfhörern muss man jene Taste länger Halten, damit man eben nicht mit einem kurzen Druck versehentlich sein Headset aktiviert.
Damit kommt aber bei den Noise Cancelling Headphones 700 nicht weit, denn ganz im Gegenteil: Ausschließlich ein kurzer Druck lässt den Strom fließen. Erklärungen der Funktionen der weiteren Tasten – Fehlanzeige! Erst die offizielle App Bose Music weist in das Button-Layout ein. Come on, Bose, das muss bei einem Produkt mit einem Preis von ca. 380 Euro besser gehen! Zumindest eine Skizze in der Anleitung mit einfachen Funktionsbeschreibungen hätte drin sein können.
Ebenfalls erwähnenswert: Einige Kollegen merken in ihren Tests an, dass sich die Noise Cancelling Headphones 700 nach 10 Minuten abschalten, wenn sie Bewegungssensoren nichts mehr erkennen. Dies wurde als Problem wahrgenommen, da man beispielsweise im Flugzeug recht still sitze und es da unangenehm sein dürfte, wenn man weggenickt ist und kurz danach Musik und ANC wegfallen.
Deswegen habe ich das genauer überprüft, kann aber kein Problem feststellen: Ja, wenn man die Kopfhörer einfach auf dem Tisch liegen lässt, schalten sie sich nach 10 Minuten ab. Als ich aber im Bus oder auf einer Parkbank gesessen habe, blieben die Kopfhörer stets aktiv. Selbst als ich das Abschalten bewusst durch stilles Herumliegen im Bett provozieren wollte, blieben die Bose Noise Cancelling Headphones 700 angeschaltet. Daher sehe ich die automatische Abschaltung als Pluspunkt, denn sie ist nach meinem Eindruck beileibe nicht überempfindlich, sondern greift dann ein, wenn es Sinn ergibt – eta, wenn die Kopfhörer nach dem Abnehmen aus Versehen angeschaltet gelassen wurden.
Bei der Bedienung setzt Bose neben den physischen Tasten – zwei Buttons rechts und einer links, vor allem auf Gesten, welche ihr über die rechte Ohrmuschel ausführen könnt. Das ist natürlich mit einer gewissen Eingewöhnung verbunden, weil man die Gesten quasi erst auswendig lernen muss. Generell ist das aber eine gute Idee, denn so kann man relativ viele Funktionen direkt über die Kopfhörer aktivieren. Zweimal Tippen pausiert / startet etwa die Wiedergabe, das Wischen nach oben erhöht die Lautstärke, umgekehrt senkt man sie wieder. Das Wischen zur Seite kann Songs überspringen. Selbst ich als Gesten-Skeptiker kam damit gut klar.
An der rechten Ohrmuschel sitze neben der Bluetooth- / Power-Taste auch ein zweiter Knopf, der den jeweiligen Sprachassistenten eurer Wahl aktivieren kann. Dort findet ihr im Übrigen auch den Ladeanschluss für USB Typ-C. Letzter Kritikpunkt: Bis die Noise Cancelling Headphones 700 von der Bose Music App erkannt wurden, brauchte ich 6-7 Anläufe, das hat etwas genervt. Zum Glück muss man diese Einrichtung nur einmal durchführen.
Fazit
Die Bose Noise Cancelling Headphones 700 werden zurecht nicht als Nachfolger der QC35 II beworben, denn für jeden Schritt nach vorne gibt es auch einen Schritt zur Seite oder gar zurück. So gewinnt das neue Modell klar beim ANC und der Anruf-Qualität, ist aber ein Rückschritt im Bezug auf den Tragekomfort und das Design bzw. die Verarbeitung. Dass die Kernfunktionen ausschließlich in der App erklärt werden, ist ebenfalls unschön.
Der Klang bei der Musikwiedergabe ist nach meinem Eindruck nahezu 1:1 identisch zu den QC35 II und rechtfertigt ein Upgrade nicht. Zwar hebt Bose noch Bose AR hervor, was mit einigen Apps zusätzliche Features ermöglichen soll, die Unterstützung ist aber aktuell sehr eingeschränkt, weswegen ich dies auch im Review nicht weiter habe einfließen lassen – es gab schlichtweg keine sinnvolle Möglichkeit zum Testen.
In der Summe sind die Bose Noise Cancelling Headphones 700 wirklich gute Kopfhörer mit exzellentem NC, die aber beim Klang und der Ergonomie gerne ein wenig zulegen dürften. Wer also bereits die QC35 II besitzt, dem würde ich von einem Umstieg abraten. Für alle anderen, sind die 700 definitiv einen Blick wert.
Ist ANC gegenüber den QC35/2 vor allem bei Sprache besser geworden?
Etwas fehlt im Artikel, oder ich habe es überlesen- um die dazu gehörende App in vollem Umfang nutzen zu können, ist eine Zwangsregistrierung erforderlich. Und das geht bei einem hochpreisigen Produkt einfach gar nicht – ein k.o. Kriterium.
Ich benutze die QC35/1 und die dazugehörige Bose Connect App. Ich habe mich nicht registriert und vermisse keine Funktionen. Als ich gerade nach der Möglichkeit gesucht habe, mich in der App zu registrieren, habe ich es auch nicht auf die Schnelle gefunden.
An welcher Stelle muss man sich denn registrieren, und welcher Funktionsumfang fehlt, wenn man es nicht tut? Wenn du das hier kurz beschreibst, kann André es villt. ergänzen?
War nicht so ein dummer Humbug, dass man einen Bose-Account braucht, um mit der App die Einstellungen machen zu können?
André, danke für Deinen guten Test. Ich fühle mich bestätigt, denn habe mir vor 4 Wochen die QuietComfort 35 Headphones II gekauft und bin beim Einsatz in Flugzeug und Bahn super zufrieden. Losgelöst vom sportlichen Preis, gefällt mir persönlich das neue Design des Noise Cancelling Headphones 700 weniger … aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.
Wundervoll, diese einfallsreichen Bilder im Artikel. Dann noch diese Auflösung von 2003.
@André, noch mal eine Nachfrage zum Einsatz als Headset, sind die Umgebungsgeräusche für die Gegenseite beim Telefonieren ähnlich deutlich zu hören wie beim QC35, oder gibt es einen signifikanten Unterschied? Die QCs sind aus eigener Erfahrung total unbrauchbar, falls man an einer Telefonkonferenz teilnehmen will und sich in etwas lauterer Umgebung befindet, da wird jedes kleine Geräusch im Raum übertragen. Sowas wie die QC35 mit Mic-Boom, das wäre mal was.
Momentan benutze ich ein Voyager Focus UC von Plantronics, hervorragende Trage- und Sprachqualität, allerdings reicht das ANC nicht an Qualität geschlossener Bauformen heran.
Schöner Test. Magst du auch die B&O Beoplay 9Hi testen? Würde mich mal interessieren wie die im Vergleich abschneiden.
Zum Thema Bewegungssensoren: Du scheinst ein recht unruhiger Bettlieger zu sein, wenn die nicht angeschlagen haben! Bei mir schaltet sich der Kopfhörer regelmäßig einfach aus, nachdem ich gerade so eben weggenickt bin, und das mit einem Ton, der mich sofort wieder aufwachen lässt! Deaktivieren kann man diesen Unfug nicht. Wie oft ich Bose dafür inzwischen verflucht habe, kann ich gar nicht zählen! Konsequenz: Ich habe mir inzwischen einen Sony angeschafft und verkaufe den Bose. Will ihn einer haben? *lol*