„Lost Judgment“ im Test: Der „Yakuza“-Ableger geht in die zweite Runde
„Lost Judgment“ ist (bald) da: Der zweite Teil des Spin-offs der „Yakuza“-Reihe erscheint am 24. September für die PS4 / PS4, Xbox One und Xbox Series X|S. Anfang des Jahres hatte man dem Erstling „Judgment“ ja eine optimierte Next-Gen-Version spendiert. Dank Sega und dem hiesigen Vertrieb Koch Media konnte ich mir „Lost Judgment“ schon vor der offiziellen Veröffentlichung anschauen. Eines kann ich vorab verraten: Auch das neue Spiel ist wieder eine Mordsgaudi.
Dazu eine kleine Hintergrundinformation: Sega möchte es nun so halten, dass die „Yakuza“-Games auf dem Pfad wie „Yakuza: Like a Dragon“ verbleiben. Das heißt, sie werden auch in Zukunft ein rundenbasiertes Kampfsystem einsetzen, das klassischen JRPGs Tribut zollt. Hingegen werden die „Judgment“-Spiele das ursprüngliche Beat’em-up-Kampfsystem beibehalten. Finde ich persönlich ganz gut gelöst, denn so kommen alle Fans auf ihre Kosten und man grenzt die Serien besser voneinander ab.
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Denn aus meiner Sicht fühlte sich schon das erste „Judgment“ im Grunde wie ein „Yakuza“ ohne Kazuma Kiryu an. Das hat auch gut funktioniert: Der neue Protagonist Takayuki Yagami ist nicht ganz so stoisch und hat als ehemaliger Anwalt, der sich nun als Privatdetektiv verdingt, seinen eigenen Blick auf die Welt. Wie einst Kazuma, kann auch Yagami in den actionreichen Kämpfen dabei zwischen unterschiedlichen Kampfstilen wählen (Kranich, Tiger und Schlange), um sich je nach Opponenten am besten zur Wehr zu setzen.
Ich selbst bin schon seit „Yakuza 3“ Fan der Spielereihe. Wenn man jenes Franchise mag, ist es keine Frage, dass man auch „Judgment“ und „Lost Judgment“ lieben wird. Auch hier mischen die Entwickler eine ernste Crime-Hauptgeschichte mit vollkommen absurden Nebenaufgaben, die vor japanischem Humor nur so strotzen. Diese Kombination sollte eigentlich nicht wie aus einem Guss wirken, doch das Ryu Ga Gotoku Studio demonstriert hier seit mittlerweile Jahrzehnten eine anhaltende Kreativität, die ihresgleichen sucht. Darum hat man hier eine ganz eigene Erfolgsformel perfektioniert.
Wie in „Yakuza: Like a Dragon“, verschlägt es auch Yagami dieses Mal nicht nur in den Vergnügungsbezirk Kamurocho in Tokyo, sondern auch nach Isezaki Ijincho in Yokohama. Wer also auf eine komplett frische Spielwelt gehofft hatte, wird enttäuscht sein. Diese Übernahme der Schauplätze ist in der „Yakuza“-Reihe und ihren Ablegern jedoch üblich. Fans sollten das also nicht zu schwer gewichten, denn auch wenn man es eventuell aufgrund der Qualität des Spiels vergessen könnte: Hinter „Lost Judgment“ steckt nicht das Budget eines Triple-A-Schwergewichts.
Daher übernimmt man eben auch viele Assets aus den Vorgängern. Einen großen technischen Sprung von der Next-Gen-Version von „Judgment“ zu „Lost Judgment“ erkennt man also nicht. Der Titel läuft als Standard in 1440p mit 60 fps an Xbox Series X und PS5. Es gibt aber auch einen 4K-Modus, der deutlich schärfer ist, aber dann auf 30 fps abspeckt. Ihr könnt also wählen, was euch wichtiger ist: Auflösung oder Framerate. Grafisch sieht „Lost Judgment“ gut aus, erzielt aber keinen Wow-Effekt. Am besten gefallen mir persönlich die Charaktere und ihre Mimik und Gestik. In Cutscenes zeigen die Entwickler, was sie auf dem Kasten haben: Es kommt filmreife Atmosphäre auf und jede Emotion springt nur so aus den Gesichtern.
Die Story möchte ich euch nicht zu sehr spoilern, denn sie ist erneut ein Highlight: Yagami untersucht den Fall von Akihiro Ehara, welcher beschuldigt wird, in einem Zug eine Frau sexuell belästigt zu haben. Sein Fall ging viral und die Öffentlichkeit fordert, dass an ihm ein Exempel statuiert werde. Als Ehara auch noch ein Mord vorgeworfen wird, engagiert seine Verteidigerin Yagami als Detektiv, um für Klarheit zu sorgen. Hat er beide Verbrechen begangen? Ist er unschuldig? Wer spielt hier ein Spiel mit dem japanischen Justizsystem…?
Wie von der „Yakuza“-Reihe gewohnt, gibt es in der Handlung mehrere Wendungen und emotionale Höhepunkte. Die Autoren haben ein erstklassiges Drehbuch verfasst, von dem sich mancher Hollywood-Film eine Scheibe abschneiden könnte. Kurios ist, dass Yagami dieses Mal auch an einer Schule ermitteln muss. Und hier kommt die abgedrehte Seite von „Lost Judgment“ zum Vorschein. Als erwachsener Mann nimmt Yagami am Tanz-Club teil, beeindruckt die Teenager mit seinen Skateboarding-Künsten und entwickelt sogar einen kleinen Roboter, um sich mit anderen zu duellieren.
Das sind nur einige von vielen Nebenaktivitäten. Yagami kann erneut auch in Spielhallen Sega-Klassiker zocken oder an seiner eigenen Konsole im Büro Retro-Spiele einwerfen, die komplett spielbar sind – etwa „Alex Kidd in Miracle World“. Mit dabei sind im Gameplay leider auch wieder die bereits im Vorgänger eher nervigen Verfolgungs-Missionen. Immerhin sind sie dieses Mal kürzer gehalten. Zusätzlich muss sich Yagami nun durch einige Areale schleichen und kann Gadgets wie einen Geräuschverstärker nutzen, um Geheimnisse aufzustöbern. Allerdings sind die meisten Gadgets nur in festgelegten Situationen nutzbar und so wird die Detektivarbeit einigermaßen simpel.
Selbst einen Hund hat Yagami nun im Schlepptau. Der knuffige Akita kann aber nicht nur nach Hinweisen suchen, sondern sogar in Kämpfen beherzt zu Yagamis Gunsten eingreifen. Alle Nebenaktivitäten und Tools aus Yagamis Repertoire aufzuzählen, würde hier komplett den Rahmen sprengen: Darts spielen, Drohnenrennen mit komplettem Grand Prix meistern, Blackjack, Roulette oder sogar Mahjong… Abwechslungsreichtum ist Trumpf. Im Grunde könnt ihr schon endlose Stunden in die vielen Nebenaktivitäten pumpen.
Wer hier nun aber Sammelorgien oder das reine Abhaken von Statistiken vermutet, der liegt falsch: In „Lost Judgment“ habt ihr die Freiheit, all diese Dinge am Rande zu tun oder sie zu ignorieren. Ihr werdet nie dazu gedrängt, auf der Karte irgendwie Hotspots abzuhaken. Es fehlt auch monotones Grinding. Selbst wer sich nur der Hauptgeschichte hingibt und zumindest ab und an seine Ausrüstung optimiert, kann es durch die Kämpfe des Spiels schaffen.
Ein Wort, das mir immer wieder bei „Lost Judgment“ eingefallen ist: großzügig. Es handelt sich hier um ein Spiel vom alten Schlag, in dem ihr nicht erst durch Mikrotransaktionen Inhalte freischalten müsst oder den Spielfortschritt beschleunigt. Stattdessen könnt ihr direkt im Spiel Neues freischalten und euch ganz nach Gutdünken für rund 40 Stunden oder mehr beschäftigen. Denn: Ja, „Lost Judgment“ ist kein Häppchen für Zwischendurch, sondern wie die anderen „Yakuza“-Games ein Titel, der viele Herbst- und Winterabend füllen kann – wenn ihr das möchtet.
Von mir bekommt „Lost Judgment“ die höchste Empfehlung. Es ist ein Spiel im besten Sinne, das wunderbar unterhält und sowohl eine tolle Hauptgeschichte erzählt als auch durch seine Nebenhandlungen zum Lachen bringt. Für einige könnte lediglich etwas schmerzen, dass es zwar eine japanische und englische Vertonung gibt, aber nur die Untertitel in deutscher Sprache zur Verfügung stehen. Ich selbst habe das Game in japanischer Sprache mit englischen Untertiteln gezockt, weil ich es so von den Vorgängern kenne und schätzen gelernt habe.
Für mich ist klar, dass „Lost Judgment“ sicherlich in die Liste meiner Top-Spiele des Jahres 2021 wandern wird. Ihr habt ebenfalls Interesse? Wenn ihr ein vielseitiges Action-Adventure in einer Semi-Open-World mit dramatischer Story, tollen Nebencharakteren, viel Herz und Humor und großzügigem Content sucht, dann schlagt definitiv zu.
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Kommt das erste noch in den Game Pass?
Da gibt’s bisher keinerlei Angaben. Da bisher alle Yakuza-Spiele dort gelandet sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch. Aber es gibt keine offizielle Aussage.