„Resident Evil Village“ angespielt: Horror satt statt Dorfidylle

Capcom hat sich mit „Resident Evil Village“ vor allem in Sachen Marketing einen Geniestreich geleistet: Im Vorfeld zog das Spiel durch den weiblichen Charakter Lady Dimitrescu viel Aufmerksamkeit auf sich. Die über 2 Meter große Vampir-Aristokratin wurde durch Memes, Fan-Art und -Fiction zum Star aller Kommentarspalten zum Spiel. Doch sieht man mal von sexy Vampiren ab: Kann „Resident Evil Village“ auch in Sachen Technik und Gameplay überzeugen?

Ich habe mir das Spiel mal an der Sony PlayStation 5 angeschaut. Dabei will ich ehrlich sein: Spielte ich „Resident Evil“ mit den ersten vier Teilen jeweils begeistert zum Launch, so nahm mein Interesse zunächst ab Teil 5 ab. Den habe ich schon weniger ausgiebig gezockt, zu actionlastig und zu weit entfernt von den Horror-Wurzeln war mir der Titel. Entsprechend ließ ich weitere Spin-offs plus „Resident Evil 6“ zunächst komplett aus. „Resident Evil 7: Biohazard“ empfand ich als gelungenes Reboot. Der Wechsel zur Egoperspektive fiel auch für mich gewöhnungsbedürftig aus, doch endlich widmete man sich wieder den Survival-Horror-Wurzeln der Marke.

Laut Capcom hätten jedoch viele Gamer den letzten Teil als zu angsteinflößend empfunden. Entsprechend hat man „Resident Evil Village“ etwas actionlastiger gehalten und mehr Erholungspausen integriert. Dennoch stand zumindest ich beim Zocken permanent unter Strom. Doch ich will der Reihe nach für euch berichten.

„Resident Evil Village“ beginnt recht gemächlich: Ethan Winters lebt mit seiner Frau Mia und der gemeinsamen Tochter Rosemary in einem altmodischen Häuslein in Europa, wo Chris Redfield die beiden nach den traumatischen Erlebnissen mit der Baker-Familie abschottet. Rasch überschlagen sich dann jedoch die Ereignisse und Ethan muss in einem transsylvanischen Dorf zur Rettung seiner entführten Tochter eilen. Dabei stößt er in der antiquierten Ortschaft wie aus dem vorletzten Jahrhundert auf Werwölfe, Vampire und allerlei andere missratene Kreaturen.

Die Story von „Resident Evil Village“ hält einen zwar bei der Stange, sie ist aber ziemlich simpel gestrickt. Zumal der Protagonist Ethan Winters zwar etwas gesprächiger ist als im direkten Vorgänger, aber kaum erkennbare Charaktereigenschaften zeigt. Er schwankt zwischen aufgeregter Panik und aggressivem Fordern, um dem Aufenthaltsort seiner Tochter näherzukommen. Eher sind es da die schillernden Nebencharaktere, welche im Gedächtnis bleiben – wie eben besagte Lady Dimitrescu, der Händler Duke oder weitere Schurken wie der durchgeknallte Karl Heisenberg.

Heisenberg und Dimitrescu sind dabei übrigens zwei von vier zentralen Schurken, die in „Resident Evil Village“ als Meilensteine für den Spielfortschritt fungieren. Das ist fast etwas altmodisch, denn das Spiel setzt hier geradezu auf ein typisches Metroidvania-Design. Das Dorf fungiert dabei als zentraler Hub, von dem aus ihr jeweils in die vier „Welten“ der Bosse aufbrecht. Nach jeder Rückkehr habt ihr neue Objekte im Gepäck, um weitere Areale des Dorfs zu erkunden und damit Zugang zu einem weiteren Boss zu erhalten.

Beispiel: Schon zu Anfang des Spiels findet ihr verschlossene Schubladen oder Tore vor, die euch versperrt bleiben. Rasch erhaltet ihr aber einen Bolzenschneider sowie einen Dietrich und schon lohnt es sich, einmal in die Häuser zurückzukehren, durch die ihr bereits gewankt seid. Backtracking spielt hier also auch eine gewisse Rolle. Wer schlau ist, bewegt sich aber auch mal abseits der ausgetretenen Pfade und stößt auf optionale Bereiche, in denen sich hilfreiche Gegenstände finden lassen.

Dabei gibt es auch ein Crafting-System: Ihr fahndet nach den notwendigen Ressourcen, um etwa Munition oder Medikamente herzustellen. Wie sehr beides Mangelware ist, hängt auch vom gewählten Schwierigkeitsgrad ab. Zumal euer Inventar beschränkt ist, ihr also in der Regel nicht alles wahllos mitnehmen könnt. Allerdings habt ihr die Möglichkeit, bei einer Art fahrendem Händler namens Duke den Platz zu erweitern, Waffen aufzuwerten und euch für kommende Kämpfe zu rüsten. Vor allem das Aufpeppen der Feuerwaffen hat da einen erheblichen Einfluss auf die eigenen Überlebenschancen.

Wie ich ja angedeutet habe, ist „Resident Evil Village“ etwas actionlastiger als der Vorgänger: Schon kurz nach dem Prolog ergattert ihr eine Feuerwaffe und müsst direkt die ersten Werwölfe über den Haufen schießen. Es gibt aber auch weiterhin viele ,zwar simpel gestrickte, aber dennoch auflockernde Rätsel. Typisch für die Spielreihe laufen sie meistens nach dem Muster ab: Finde Objekt X, bringe es zu Schauplatz Y und setzte es dort in Apparatur Z ein. Da man sich dabei durch recht abwechslungsreiche und atmosphärische Gebiete bewegt, machen die Rundgänge jedoch Laune.

Eine zentrale Rolle spielt dabei auch die Soundkulisse: Wer mit Surround-Sound oder potenten Kopfhörern unterwegs ist, wird staunen: Ständig knarrt und ächzt die Umgebung – Holz trifft auf Holz, Metall verbiegt sich und der Wind trägt ein mysteriöses Rascheln zu euch. Oft deutet sich eine baldige Feindbegegnung zunächst dezent akustisch an. Da hat Capcom großes Hörkino abgeliefert. Auch die (englischsprachige) Vertonung ist sehr gelungen und die Waffensounds bringen den notwendigen Wumms mit. Musik gibt es dabei nur stellenweise zu hören und meist bleibt sie eher stimmungsvolles Gewaber. Ihr findet hier also mitnichten Songs mit Ohrwurmqualitäten vor, das hätte aber auch nicht recht gepasst.

An der PlayStation 5 läuft „Resident Evil Village“ mit bis zu 60 fps und schaltet ihr Ray-Tracing ab, dann wird dieses Ziel im Grunde permanent gehalten. Bei aktiviertem Ray-Tracing kann es in wenigen Szenarien zu Einbrüchen kommen. Das dürfte an der Xbox Series X dank VRR wurscht sein, wenn ihr auch einen kompatiblen TV besitzt. Da ich an der PS5 getestet habe, fielen die Framerate-Einbrüche etwas stärker auf, da Sony das VRR-Update immer noch schuldig bleibt. Auch wenn das Spiel dabei nicht in nativem 4K läuft, sondern Checkerboarding bemüht, sieht es knackscharf aus. Capcoms RE Engine weiß hier absolut zu punkten.

„Resident Evil Village“ weiß visuell zu gefallen, man sieht man dem Titel aber die Cross-Generation-Wurzeln an. Da tummeln sich doch immer wieder Texturen, die in der Nahansicht detailarm hervorstechen. Auch die Gegner wirken stellenweise in ihren Animationen etwas hölzern. Die menschlichen Figuren geben sich zwar recht detailliert, die Lykaner aber riefen mir persönlich dann doch deutlich ins Gedächtnis, dass dieser Titel auch noch für die PS4 und Xbox One entwickelt worden ist.

Was mir persönlich teilweise nicht so gefallen hat: So ein Horror-Spiel ist spannungsgeladen genug, der Druck der teilweise in Boss-Arealen aufgebaut wurde, war mir manchmal etwas zu nervig. So jagen einen etwa Lady Dimitrescu und ihre Töchter durch ihr Schloss und man kommt nie richtig zur Ruhe. Es ist zwar keine allzu große Kunst ihnen auszuweichen und sich auf die Flucht zu begeben, aber statt permanent verfolgt zu werden, wären da vielleicht einige aufwändigere, geskriptete Sequenzen nicht nur spektakulärer, sondern auch angenehmer gewesen. Für mich war aber auch schon Mr. X. aus dem Remake von „Resident Evil 2“, nicht so ganz das Gelbe vom Ei.

Wem schon der Vorgänger gefallen hat, der wird sicherlich auch an „Resident Evil Village“ viel Spaß haben. Das heruntergekommene Dorf erinnert als Hauptschauplatz sehr an den wohl bisher besten Teil der Reihe: „Resident Evil 4“. Außerdem bietet das neue Spiel mehr Raum zum freien Erkunden. Zum Durchspielen könnt ihr rund 12-15 Stunden einrechnen, denke ich – je nachdem wie geschickt ihr euch anstellt. Wiederspielwert soll unter anderem auch durch den wieder enthaltenen Mercenaries-Modus entstehen, bei dem es dann darum geht, möglichst elegant Gegnerwellen in einem bestimmten Zeitfenster um die Ecke zu bringen. Da gibt es aktuell aber nur eine Handvoll Karten, sodass der Modus ausbaufähig ist.

Insgesamt ist „Resident Evil Village“ ein Nachfolger auf hohem Niveau, auch wenn mein Favorit der letzten Jahre immer noch das Remake zu „Resident Evil 2“ bleibt. Nachdem die Neuauflage von Teil 3 aber ein wenig enttäuscht hatte, ist der neue Teil ein schöner Einstand auf den Next-Generation-Konsolen, der in Sachen Gameplay und Technik voll überzeugt.

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden.

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3 Kommentare

  1. Wurd dir das Spiel für die PlayStation gestellt oder hättest du es dir lieber für die Xbox angeschafft?

    War es für dich Horror?
    Von anderen Reviews gelesen das es keine bzw wenig Jumpscares gibt & dadurch das es keine sehr dunklen Stellen gibt auch nicht soooo gruselig

    • André Westphal says:

      Hätte ich die Wahl gehabt, hätte ich die Xbox-Version genommen. Unter anderem, weil ich da die Speichererweiterung nutze und einfach mehr Speicherplatz habe :-). Es gab aber für den Test ein Muster von Capcom und da gab es nur noch die Möglichkeit die PS5-Version zu testen. So weit ich das gesehen habe, sind die Unterschiede aber ohnehin nicht massiv – etwa hat die Xbox Series X in Sachen Framerates die Nase vorne.

      Also ich spiele Resident Evil seit dem allerersten Teil auf der PS1, ließ aber eben auch einige Teile mal aus (siehe Artikel). Ich hab es schon einwandfrei als Horror-Spiel empfunden. Mir war das Game übrigens teilweise schon zu dunkel, es ist aber auch schwer das Bild zu kalibrieren, da Capcom da ein sehr seltsames Menü nutzt (roter / blauer Balken).

      Ich bin aber auch kein extremer Horror-Fan und spiele recht viel gemischt. Jemand der der absolute Survival-Horror-Freak ist und da stärkere Nerven hat, sieht es vielleicht anders :-D.

  2. Habe vor einigen Tagen mit einem Kollegen vorbereitend RE7 durchgespielt. Da gab es schon guten Horror. Mama Baker fand ich super cool und auch Evelyn hatte kurze Gruselmomente.
    Bei RE8 fehlt mir das noch. Ganz am Anfang wenn man ins Dorf kommt vielleicht, danach war der Gruselfaktor weg. Der Puppen-Lord hätte Creepy sein sollen, war er aber nicht. Oder ich bin jetzt abgehärtet.
    Aber auf dem PC in 4k auf dem Fernseher sieht das wirklich beeindruckend aus. Definitiv ein großer Sprung vom Vorgänger. Die Umgebung ist aber auch einfach viel schöner.
    Was mir aber aufgefallen ist, dass wir bisher (noch nicht durchgespielt) zumindest bei der normalen Schwierigkeit zu viel Geld und Crafting Materialien haben und dadurch auch ausreichend Munition. Und jeder Gegner dropped Loot, so dass man auch nicht versuchen muss Gegner zu vermeiden, sondern einfach alles killed.

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