Roaminggebühren doch nicht vor dem Aus?
[Update am Ende des Artikels] Neelie Kroes rotiert sicherlich gerade ob der aktuellen Nachrichtenlage. Sie hatte sich in der Vergangenheit in ihrer Rolle als Vize-Präsidentin der Europäischen Kommission stark gemacht – für Netzneutralität und für die Abschaffung der Roaminggebühren. Doch so einfach ist das Ganze gar nicht, wie die Süddeutsche Zeitung mit Bezug auf die BILD heute berichtet – man will Zugriff auf ein Geheimpapier des Europäischen Rates haben. Dessen Pläne zeigen, dass es anders kommen könnte als gedacht.
Kurzum: ab nächstem Jahr sollen nur 100 Megabyte, 50 Minuten Telefonie und 50 SMS aus dem Ausland zum Inlandspreis nutzbar sein – pro Jahr! Wer mehr verbraucht, der zahlt dementsprechend. Da fragt man sich, wie weltfremd die Menschen im Europäischen Rat sind – oder was die Lobby dafür locker gemacht hat. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband hat sich schon zum Thema geäußert. vzbv-Vorstand Klaus Müller meint:
[color-box color=“gray“ rounded=“1″]„Die Abschaffung der Roaming-Gebühren war von der EU versprochen“, so vzbv-Vorstand Klaus Müller: „Eine Kehrtwende darf es nicht geben. Europäische Politik muss verlässlich sein und innerhalb der EU darf es keine Diskriminierung der Verbraucher jenseits der Ländergrenzen geben. Kommunikation ist nicht nur ein Urlaubsspaß, sondern innerhalb Europas für viele Menschen notwendiger Alltag. Wer einen europäischen Binnenmarkt will und ein Freihandelsabkommen verhandelt, darf bei den Telefongebühren nicht an den Landesgrenzen auf die Bremse treten.“[/color-box]
Roaming-Gebühren hält man für überflüssig:
[color-box color=“gray“ rounded=“1″]„Die Preise für die Endkunden müssen sich stärker an den realen Kosten der Unternehmen orientieren. Derzeit verdienen Unternehmen gutes Geld mit den Roaming-Gebühren. Ungereimtheiten von Preisstrukturen, die sich an Ländergrenzen orientieren, gehören ebenso abgeschafft: Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Gespräch von Deutschland ins Ausland teurer sein soll als ein Telefonat in die umgekehrte Richtung.“[/color-box]Es ist schon krass – da denkt man, dass tatsächlich mal etwas im Sinne des Verbrauchers geschieht – doch am Arsch. Man zieht den Leuten weiterhin das Geld aus den Taschen. Geringe Kosten und hohe Einnahmen für die Provider – die wird es sicherlich freuen. Einziger Schutz davor? Beim Abschließen des nächsten Vertrages je nach Reisehäufigkeit darauf achten, welcher Provider faire Reise-Optionen anbietet – oder gleich im Ausland auf eine andere Karte schwenken.
Update: Ist alles gar nicht so, sagt Hans Peter Lehofer. Die Informationen der Bild sind in dieser Form nicht korrekt und auch nicht neu. Was da alles nicht stimmt, könnt Ihr bei e-comm nachlesen. Die erwähnten Sitzungen fanden gar nicht statt und es geht letztendlich um einen Vorschlag, der bereits auf wenig Gegenliebe gestoßen ist. Stand heute sieht es so aus, dass weiter an der Abschaffung der Roaming-Gebühren festgehalten wird, wie die Umsetzung konkret aussehen wird, ist allerdings nicht bekannt.
Bei den Oligopolen ist das doch kein Wunder.
Die EU versucht einige europäische Player zu schaffen, die sich gegen amerikanische und asiatische Giganten wehren können. Fair wäre kurzfristig zu Gunsten der Verbraucher ganz auf Roaming zu verzichten. Da aber immer mehr außereuropäische Mächte ala At&t, Hutchison und America Movil etc hier anklopfen und etwas von Kuchen haben wollen, muss die EU seine Unternehmen schützen. Daher will es ihnen diese gute Einnahmequelle nicht nehmen, während es europäische Riesen wie Vodafone, T-Mobile, Telefonica, Orange formt, damit der Einstieg in Zukunft erschwert wird. In einem solchen Oligopol müsste das gesamte Unternehmen geschluckt werden, um bedeutende Marktanteile zu erringen. Mittelfristig soll der europäische Mobilfunk somit in europäischer Hand bleiben. Sofern das generierte Kapital dieser europäischen Unternehmen aber auch hier bleibt und investiert wird, profitieren wir Konsumenten mehr dadurch, als wenn wir heute einige Euro sparen.
Dies ist zwar nicht im Sinne der freien Marktwirtschaft, doch diejenigen die am lautesten danach verlangen verstoßen am meisten dagegen. Sprich, es gibt sie nicht. Die EU wollte (musste?) dies, doch nun hat es den Salat: Einstiger Pionier und technologischer Führer wird immer mehr zum digitalen Konsumenten.
Man könnte es ganz grob mit Milchbauern vergleichen: zu günstige Preise führen zu einem erbitterten Wettbewerb und letztlich zu einem Sterben der Milchbauern.
Geiz ist nicht immer geil!
Ich fand die Vorstellung von kostenlosem Roaming auch toll, so vor 2-3 Jahren. Heute zahle ich 5€ pro Monat und nutze dafür meine Allnet- und Datenflatrate in der gesamten EU. Wir sind inzwischen so weit, dass mich diese Meldung kalt lässt.
Das Chaos ist nun offenbar perfekt. Eine Frechheit, dass die Roamingentgelte derzeit auch bei international agierenden Unternehmen anfallen, wenn man deren (eigenes) ausländisches Netz nutzt. Die derzeitigen Roamingtarife (vor allem die Datentarife) sind sowieso ein Witz, wenn man für 100 MB knapp 5 €uro pro Woche zahlen soll. Da hilft nur die Preise zu vergleichen und zu sehen, ob vielleicht im Normaltarif wenigstens auf Entgelte für eingehende Anrufe verzichtet wird. Vielleicht sollte man auch in Erwägung ziehen, eine Prepaid Karte des Gastlandes zu kaufen.
Danke @gunnar
Das eine renommierte Zeitung wie die SDZ sich auf die „Bild“ berufend eine Nachricht veröffentlicht ist schon ominös. Und die ganze Techwelt macht bei der Verbreitung dieser Nachricht mit. Da bleibt die Glaubwürdigkeit der ganzen medienlamdschaft auf der Strecke. Wer sagt mir das es nicht die selben Lobbyisten sind die diese Nachricht in den Umlauf um sie Lage und Stimmung der Nation zu checken??? Schelm wer böses denkt…