Firefox benutzt Video-Codec H.264 dank Cisco-Initiative
H.264 ist ein weit verbreiteter Video-Codec im Internet, der effizient bei der Videokompression ist und wird daher in vielen Videoangeboten, wie Blu-ray, QuickTime, Videokonferenzsoftware oder natürlich auch u.a. bei YouTube, verwendet. Allerdings ist der Codec durch verschiedene Patente und daraus resultierende Lizenzabgaben von der MPEG LA geschützt, welches eine direkte Integration für Open-Source Projekte, z.B. Firefox, bisher verhinderte.
Cisco wird zunächst Binärpakete für verschiedene Plattformen (zu Beginn x86 und ARM) anbieten und auf ihrer Webseite hosten, die dann kostenfrei von anderen in ihre Lösungen integriert werden können. Cisco wird zudem die anfallenden pauschalen Lizenzgebühren bezahlen.
Dies setzt natürlich die Barriere für Firefox deutlich nach unten und sie danken zunächst einmal Cisco für ihr Engagement für ein offeneres Web (beide arbeiten auch eng beim Thema WebRTC zusammen) und verkünden folgerichtig die zukünftige Nutzung von H.264 in Firefox voraussichtlich Anfang 2014. Der Codec wird zwar nicht direkt mit ausgeliefert, sobald er aber benötigt wird soll er automatisch im Hintergrund von den Cisco-Servern heruntergeladen werden, außer der Benutzer deaktiviert es explizit in den Einstellungen.
Zwar kann Firefox seit den letzten Versionen ebenfalls H.264 verwenden, allerdings geschieht dies nicht direkt, sondern durch die Nutzung von unterschiedlichen Multimedia-Frameworks (z.B. GStreamer unter Linux). Die Initiative von Cisco ist daher zu begrüßen, auch wenn dies natürlich keineswegs aus reiner Nächstenliebe passiert, denn derzeit wird über den zukünftigen Standard Video-Codec für die Echtzeitkommunikation im Internet entschieden, wo Cisco natürlich eigene Interessen hat.
Brendan Eich, CTO von Mozilla, betont aber ebenso nachdrücklich, dass man weiterhin an VP8 und an Daala, der nächsten Generation der Video-Codecs, welcher besser als H.265 werden soll, festhalten und weiterentwickeln wird. Für den normalen Nutzer wohl die sinnvollste Entscheidung, um eine hohe Kompatibilität in freier Software zu fördern.
Ich zitiere hier mal Fefe (hoffentlich schlägt mich jetzt keiner 😉 ): „Cisco und Mozilla haben einen Lizenz-Hack gemacht. Cisco hat H.264 lizensiert und sich das Kleingedruckte genau durchgelesen. Darin gibt es ein Limit für die Lizenzgebühren, die pro Jahr fällig werden können. Das Limit sind 6,5 Millionen Dollar pro Jahr. Cisco hat sich überlegt: Was die nächste Generation an Internet-Wachstum zurückhält, ist dass die Leute noch nicht alle WebRTC zum Chatten in ihrem Browser benutzen. Cisco hat auch keinen Bock auf nicht-offene Standards, daher ist ihnen WebRTC wichtig. WebRTC scheitert im Moment daran, dass Mozilla nicht bereit ist, für Firefox Lizenzgebühren an die MPEG-Mafia zu zahlen. Kein Wunder, sie verteilen Firefox ja kostenlos, und die Lizenzgebühren sind pro Kopie der Software.
Ciscos Hack ist, dass sie jetzt einen H.264-Codec als Plugin verschenken, ordentlich lizensiert. Das darf sich dann jeder installieren und damit H.264 abspielen, ohne dass Lizenzgebühren fällig werden.
Sieht erstmal elegant aus, aber ist in vielerlei Hinsicht ein Desaster. Erstens haben wir uns damit erpressen lassen. Damit hat das System „Lizenzgebühren für internationale Standards“ gewonnen. Soweit hätte es nie kommen dürfen, aber jetzt ist klar: Der Widerstand dagegen ist gescheitert.
Zweitens heißt das, dass man jetzt für H.264 das Cisco-Modul verwenden muss, dann muss man keine Lizenzgebühren zahlen. Wer wäre unter diesen Umständen so doof, ein anderes Modul zu nehmen? Niemand. Wenn sich dieses System einbürgert, dann haben wir alle verloren, weil für die nächste Iteration von Standard nicht mehr ein Konkurrenzkampf an Implementationen die Qualität hochtreiben wird, sondern es wird genau einen Binärblob von Cisco gehen.
Damit sind wir beim dritten Problem. Was, wenn da ein Bug drin ist? Ein Sicherheitsloch? Eine Hintertür? Damit wäre dann die ganze Welt davon abhängig, dass Cisco den Kram wartet. Und um Cisco ranken sich seit mindestens 20 Jahren Gerüchte, dass sie im Gegenzug für Exporterlaubnisse Hintertüren für die US-Regierung eingebaut hätten. Dieser H.264-Blob wäre quasi das perfekte Einfallstor für die NSA. Die NSA wäre doof, da nicht sofort aufzuspringen.
Oh und nehmen wir mal an, das wird jetzt der große Erfolg, nach dem es aussieht. Wieso würde das dann beim nächsten Codec nicht genau einen Lizenznehmer geben? Wer sich unter diesen Umständen noch eine Lizenz von denen kauft, ist doch doof! Das muss sich auch die MPEG-Mafia gerade durch den Kopf gehen lassen. Und die einzige Antwort ist, diese Klausel rauszunehmen für die nächsten Codecs.
Ich persönlich halte es daher jetzt für noch wichtiger als bisher, H.264 loszuwerden, und hoffe auf Daala.
Der Typ hinter Ogg Vorbis und Daala sieht das übrigens ziemlich ähnlich.“
Ich sehe das bisher recht ähnlich und finde es daher nicht gut, dass proprietärer kram weiter gepusht wird. Wenn jemand Gegenmeinungen hat, fände ich es aber mehr als interessant, auch diese zu lesen.
Danke, Dominik!
mist, ihr seit zu schnell – ich wollte eben auch auf den fefe-zug aufspringen
Das was Dominik schreibt
Wie läuft das eigentlich beim VLC Media Player? Der wird doch auch kostenlos vertrieben und ist Open Source. Da müsste sich doch was „drehen“ lassen. 😀
Die Traurige Ironie an H.264/MPEG-4 AVC (so heißt der Codec übrigends offiziell) ist ja, dass er erst duch den Open Source Encoder X264 so populär wurde. X264 ist der momentan mit Abstand beste Encoder auf dem Markt:
http://www.compression.ru/video/codec_comparison/h264_2012/
Die Frage nach dem Nachfolger von H.264/MPEG-4 AVC bleibt spannend. Da der Trend definitiv in Richtung mobile Systeme geht, hängt der neue „Standard“ wohl von der Entwicklung der CPU-Leistung und der Kompressionsfähigkeit gleichermaßen ab.
Dazu kommt, dass sich H.264/MPEG-4 AVC schon sehr stark etabliert hat, ungefähr vergleichbar mit MP3 vor einigen Jahren. Ich für meinen Teil benutze nach wie vor MP3, da es einfach überall abgespielt werden kann (abgesehen von der PS4 ^^) und da Speicherplatz heute bei Musik nicht mehr so wichtig ist, sind die Unterschiede zwischen 320 kbps in MP3 (cbr) und AAC verschwindend gering.
Wer übrigends H.264/MPEG-4 AVC endocieren will, dem sei MeGUI in seiner aktuellen Version empfohlen. Und nicht geht über cbr 20. 😉
tja dann müsste nur noch jeder Firefox nutzen^^
Versaut hat es übrigends insbesondere Google.
Sie haben Mozilla zugesagt, kein H.264/MPEG-4 AVC in Chrome einzubauen, haben es aber dann doch gemacht.
Google hatte vor allem mit YouTube einen sehr hohen Einfluss (heute ca. 40% des globalen Traffics) und hätte eine derartige Etablierung von H.264/MPEG-4 AVC noch am ehesten Verhindern können.
Aber was soll man sagen. Wer immer noch glaubt, Google stehe für den Erhalt eines freien Internets ein und wäre der Ferfechter für Open Source und der allgemeine Wohltäter schlechthin, der glaubt auch dass Zitronenfalter Zitronen falten. 😀
Finde ich nicht gut. Vor allem stellt sich die Frage, ob Firefox dadurch noch wirklich Open Source ist, da er ja unfreie Software bewirbt. In einer GNU/Linux-Distribution darf er somit schon mal nicht mehr enthalten sein, da GNU das eben „verbietet“.
@TobiH8:
Deswegen wird der Codec ja auch nicht in den Code von Firefox implementiert, sondern erst bei Bedarf von einem Cisco-Server nachgeladen.
WebM ist fast genauso gut wie H.264 und komplett frei. Google gehört dsas ganze will es aber scheinbar nicht Pushen 🙁
Fefe!
@namerp
WebM? Du meinst VP8. Google einen im Vergleich minderwertigeren Codec zu schnell finalisiert: http://x264dev.multimedia.cx/archives/377
Die Welt hat sich für H.264 entschieden (Anbieter von Inhalten und Hardwarehersteller). Das wird auch für viele viele Jahre so bleiben. Genau darum nimmt’s Mozilla jetzt mit. Darum hat auch Google die grossartige Ankündigung nicht wahr gemacht, H.264 aus Chrome zu entfernen, sondern eher noch Hardwarebeschleunigung eingebaut. Das Pokerspiel mit VP8 ging aus guten Gründen nicht auf.
Cisco macht das einfach weil sie direkt davon profitieren. Viele ihrer Lösungen basieren auf H.264, Hardware, Videoconferencing, etc. Ausserdem sind schwer involviert bei der MPEG-LA, das Geld landet also nicht auf der Strasse.
Fefe ist Freetard und Verschwörungstheoretiker.
@ Andy: Fefe spricht aber das Kernproblem an und hat nie behauptet neutral zu berichten. Siehe seine „Fragen und Antworten“-Bereich. Man kann daher Fefes Standpunkt nachvollziehen und trotzdem Ciscos Entscheidung gut heißen, weil alles andere Lösungen viel unrealistischer sind.
Diese „Lösung“ ist nicht perfekt, aber wo konnte man ein Problem je „perfekt“ lösen? In der Realität muss man eben mit Kompromissen leben können und wenn man die Kritik von Fefe im Hinterkopf behält (und nicht vergisst´!) kann man die erwähnten Folgen davon bei zukünftigen Standards trotzdem klein halten.