Digitales Lernen: Schüler haben oft den Willen, aber keine Möglichkeiten
Digitalisierung ist in Deutschland ein schwieriges Thema. Verknüpft man das Ganze dann noch mit dem Bildungswesen, kommen zwei Problembereiche zusammen. Laut dem Branchenverband Bitkom bekommen das auch die Schüler zu spüren. So würden sie gerne digitaler lernen, es fehlt aber oft an den Möglichkeiten. Eine erhebliche Mehrheit bemängelt in einer Umfrage die technische Ausstattung der jeweiligen Schulen.
Bedenken solltet ihr: Die Bitkom führt solche Umfragen nicht aus Jux und Tollerei durch und fordert aus erheblichem Eigeninteresse jetzt einen „Digitalpakt 2.0“. Schließlich wollen die Mitglieder ja den Rubel rollen sehen, indem sie Hard- und Software verkaufen – auch sehr gerne an Bildungseinrichtungen. Nun denn, jedenfalls macht man im Rahmen der Umfrage aus, dass etwa 9 von 10 Schülern (87 %) in ihren Schulen schlechtes oder fehlendes Wi-Fi bemängeln. Auf Lehrermangel an sich als Problem verweisen 59 % und als Rang 3 der drängendsten Probleme macht man die technische Ausstattung allgemein aus (56 %).
Befragt wurden da 504 Schüler im Alter zwischen 14 und 19 Jahren im Auftrag der Bitkom. Im Übrigen werden auch weitere Probleme genannt, die nicht immer etwas mit Technik zu tun haben:
- Umgang der Schüler untereinander (51 Prozent)
- Ausfall von Unterricht (49 Prozent)
- Zu geringer Einsatz digitaler Geräte und Bildungsmedien (48 Prozent)
- Überfüllte Klassen (46 Prozent)
- Inkompetente Lehrkräften (37 Prozent)
- Veralteten Lerninhalte (26 Prozent)
- Kaputte Schulgebäude (20 Prozent)
Dass es da aus Sicht der befragten Schüler eher schlecht um die Schulen steht, kann man einer jahrzehntelangen Politik des Sparens anlasten. Eine breite Mehrheit Schüler behauptet, dass sie durch den Einsatz digitaler Bildungsmedien wie Lernplattformen motivierter sei (74 Prozent) beziehungsweise bessere Schulnoten erreichen könne (56 Prozent).
Aber: 13 Prozent wollen nicht mit digitalen Bildungsmedien lernen. Zwei Drittel der befragten Schüler (68 Prozent) sind der Ansicht, dass die technische Ausstattung an ihrer Schule verbessert werden müsste. Auch seien teilweise aber die Bildungsmedien selbst veraltet (62 %) oder die Auswahl zu gering (61 %). 42 % der Befragten monieren, ihre Lehrkräfte wüssten gar nicht, wie sie digitale Bildungsmedien sinnvoll im Unterricht einsetzen könnten.
Zwei Drittel der Befragten wünschen sich Informatik als Pflichtfach. Unterrichtet werden aber schon Grundkompetenzen, wie etwa der Umgang mit dem Urheberrecht im Internet oder die Nutzung des WWWs für Recherchen. In nur 43 Prozent der Fälle sind jedoch die Gestaltung und Umsetzung von Websites Teil des Stundenplans. Es geht also doch mehr um den Konsum.
Am häufigsten werden dabei die Smartphones im Unterricht eingebunden – an 71 % der Schulen der Befragten. Es folgen Tablets mit 67 % und Beamer mit 63 %. Kurios: Immerhin 7 % der Befragten geben an, ihre Schule nutze noch alte Videorekorder. Dabei müssen bei Problemen die Lehrer ran, geben 74 % der Befragten an. Externe Dienstleister oder IT-Experten gibt es an den Schulen also kaum. Oft fungieren die Lehrer also „nebenbei“ auch noch als IT-Support, was sicherlich bedenklich ist.
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Der Bitkom ist ein Lobbyverein, ganz klar, insofern muss man das immer hinterfragen. Meine Ansicht nach geht man die Sache hier aber auch methodisch falsch an. Was nützt es denn, wenn die Schulen mit Technik zugestellt werden, wenn weder die passenden Inhalte vorhanden sind, noch die deutschen Lehrpläne darauf eingestellt sind. Der Grundfehler des deutschen Bildungssystems besteht imho darin, dass es nach Prinzipien des vorletzten Jahrhunderts funktioniert. Da wird ein Lehrer hingestellt, der den Kindern ein Thema nahebringen soll. Ob bei den Kids aber was hängenbleibt, hängt sehr stark von der Persönlichkeit des Lehrers ab. Aus eigener Erfahrung: die meisten Lehrer sind didaktisch und pädagogisch Amateure. Dabei hätte man heute ganz andere Möglichkeiten. Ich brauche EINEN didaktisch/pädagogisch tollen Typen, der die Sache so toll erklärt, dass es für fast jeden verständlich ist und der von seiner Persönlichkeit so einnehmend ist, dass ihm jeder gerne zuhört. Solche Leute findet man nicht an jeder Straßenecke, aber – das ist der Unterschied zu gestern – das braucht man auch nicht. Der Lehrer müsste Moderator sein, Organisator und das Wissen wird dann von so tollen Leute vermittelt … per Video. Klar, da ist keine Interaktivität dabei, aber man lässt die Kids ja auch nicht alleine, dafür ist ja noch der Lehrer vor Ort da. Zum Lernen der Aussprache gibt es super tolle KI-Anwendungen, die genau feststellen können, wenn du ein Wort nicht richtig aussprichst. Und so weiter und so fort. Aber das alles geht im jetzigen Korsett der verkrusteten Lehrpläne nicht. Die technische Ausstattung der Schulen ist das kleinste Problem, das größere sitzt im Kopf der Lehrer und der Verantwortlichen.
Kritik an Bildungswesen stimmt, aber der Vorschlag ist grob falsch. Kein Bundesland würde für online Unterricht per Video UND einen Lehrer vor Ort bezahlen. Das wäre dann eher eine billige Hilfskraft die kaum weiterhelfen kann bei Fragen. Auch Lehrer würden so schnell aus dem Stoff kommen und „verblöden“, nach einigen Jahren also auch nur Hilfskraft sein. Schüler finden Videos auf Dauer anstrengend. Methodenvielfalt lässt sich damit nicht herstellen. Mit Videos lässt sich super auf Arbeiten lernen, da stimmt die externe Motivation (gute Note / bestehen wollen). Für den normalen Unterricht ist das keine Option auf Dauer.
Die Lehrpläne kann man auch mit digitalen Mitteln unterrichten (wo widerspricht sich das denn?) und gute Materialien gibt es auch zuhauf. Die Verlage stellen da gerade im großen Stil um. Problem ist euer der Preis für diese Materialien. Das wollen die Verlage sich natürlich auch vergolden lassen.
Tja, wieder ein Bereich, bei dem „Neuland“ unerschlossen bleiben wird. Warum sollten sich Lehrkräfte kurz vor dem Renteneintritt auch noch um sowas kümmern? Die ziehen lieber weiter ihre Matrizen ab, solange der Umdrucker funktioniert. Die Nutzung eines Overhead-Projektors kann man in manchen Schulen schon als riesigen Fortschritt sehen. Aber dann macht es „Peng!“ und die Lampe gibt ihren Geist auf. Ersatz ist keiner mehr da. Also liebe Schülerinnen und Schüler, Hefte raus und die Tafel abschreiben. Hoffentlich schafft ihr das bis zum Ende der Stunde, sonst habt ihr Pech gehabt.
Selbst wenn die Technik vorhanden wäre, fehlten die Lehrkräfte, die sie nutzen könnten. Klar, die Bitkom macht solche Umfragen nicht ganz uneigennützig, aber sie deckt damit die Schwachstellen auf.
„Warum sollten sich Lehrkräfte kurz vor dem Renteneintritt auch noch um sowas kümmern?“
Weil sie auch jetzt schon 46,5 Stunden pro Woche arbeiten.
Ich bekomme gerade hautnah mit, was für ein Krampf das alles ist. Meine Frau ist per Dienstanweisung dazu verdonnert worden Schulleitung zu machen, für den Sche*ßjob findet man keine Freiwilligen mehr. Für die Ausstattung der Schulen ist der Schulträger, in diesem Fall die Gemeinde zuständig. Die Schule kann allerdings nicht einfach zur Gemeinde gehen und sagen, wir brauchen z.B. digitale Tafeln. Die Gemeinde erwartet, dass die Lehrer (die eigentlich Kinder unterrichten sollten) fertige Angebote von Lieferanten einreichen und das geht dann erst durch irgendwelche Ausschüsse und wird eventuell genehmigt. Und falls es genehmigt ist, irgendwann auch installiert, von dem einen Mitarbeiter der in der Gemeinde 15 Schulen betreut. Sinnvollerweise in den Ferien, wenn kein Unterrichtsbetrieb ist, aber hey, da hat der eine Mitarbeiter leider Urlaub. Beim aktuellen Lehrkräftemangel überlegt man dann natürlich auch, was gerade priorisiert werden soll, Unterricht für die Kids sicherstellen oder Digitalisierung. Es wird schon gemacht, aber steht sicher nicht an Stelle eins der Aufgabenliste. Das Benutzen der Geräte selber, wenn sie denn einmal da sind, ist weniger das Problem, da sind eigentlich alle froh über moderne Unterrichtskonzepte.