Dashcams: russische Verhältnisse auf deutschen Straßen
Es gibt wohl kaum einen Internetnutzer, der noch nicht über eines der berühmte Dashcam-Videos aus Russland (und auch anderen Ländern) gestolpert ist. Massenhaft im Netz zu finden dokumentieren die Videos Verkehrsunfälle oder andere skurrile Ereignisse. Eigentlich sind die Videos dazu gedacht, die Schuldfrage bei Verkehrsunfällen zu klären, wenn man die Zusammenschnitte anschaut, versteht man auch wieso. Nun werden solche Dashcams auch in Deutschland immer beliebter. Wundert nicht, sie sind nicht teuer und man kann alles aufnehmen, was man unterwegs so vor das Fahrzeug bekommt, die Handhabung ist einfach. Aber wie sieht es eigentlich rechtlich aus? Dürfen Dashcams in Deutschland bedenkenlos eingesetzt werden?
Wie so oft bei neuen Trends gibt es dazu keine eindeutige Antwort, da der Einsatz der Armaturenbrett-Kameras in Deutschland noch nicht geregelt ist. Es ist bei uns sowohl juristisch noch ungeklärt, ob solche Aufnahmen als Beweis verwertet werden dürfen. Aber auch die Datenschützer wollen den Einsatz von Dashcams nicht ohne Gegenwehr hinnehmen, denn nach aktuellem Datenschutzrecht verletzten fortwährende Aufnahmen das Persönlichkeitsrecht der aufgenommenen Personen.
Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff dazu im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung:
[color-box color=“gray“ rounded=“1″]“Wenn eine Dashcam dazu genutzt wird, den Verkehr lückenlos zu dokumentieren, ist dies datenschutzrechtlich unzulässig.Deren [Anm.: gefilmter Personen] Grundrechte überwiegen in einem solchen Fall grundsätzlich gegenüber dem Interesse des Dashcam-Nutzers an einer eventuellen Beweissicherung.“[/color-box]
Erlaubt ist eine Nutzung allerdings dann, wenn man nicht dauerhaft filmt und die Nutzung rein privat ist. Voßhoff erklärt dies am Beispiel einer Familie, die in den Urlaub fährt und die Überfahrt der Fehmarnsund-Brücke aufnimmt, darf dies datenschutzrechtlich unbedenklich tun.
Von Versicherungen und Polizei gibt es hingegen Lob für Dashcam-Aufnahmen. Leuchtet ein, kann so ein Video sowohl der Polizei als auch den Versicherungen jede Menge Arbeit sparen. Automobil-Clubs fordern hingegen Klarheit bei der Regelung, damit Unfallbeteiligte die Videos auch vor Gericht als Beweis einbringen dürfen.
Ein Datenschutz konformer Ansatz könnten zum Beispiel Kameras an Fahrzeugen sein, die Aufnahmen verschlüsseln und nur befugten Personen, sprich Polizei oder Versicherungen, Zugriff auf das Material geben. Über dies und andere Fragen wird auf dem diesjährigen Verkehrsgerichtstag in Goslar diskutiert und beraten. Dass dann auch eine Regelung zum Einsatz der Dashcams in Deutschland kommt, kann aber noch dauern.
Wie seht Ihr den Einsatz von Dashcams, vor allem in Deutschland? Kaufen kann man sie, verwenden darf sie man eventuell, aber auch nicht so wie gedacht, da es keine Regelungen gibt. Interessieren würden mich die Meinung von beiden Seiten, also als Filmender und als Gefilmter. Setzt Ihr vielleicht sogar bereits eine Dashcam ein?
Meine Dashcam müsste aber einen Schnell-Löschknopf haben, wenn ich wüsste, dass ich selber die Schuld hab 😉
@christian @schröpke Danke
Genießen wir einfach die nächsten 10 Jahre – länger wird es wohl nicht mehr dauern, bis jeder seine persönliche „Truman-Show“ hat, ob er nun will oder nicht…
Solange die ganzen Filmchen n i c h t im Internet landen, was ja wie obiges Beispiel zeigt massenhaft geschieht, sollte man die Kameras nutzen dürfen. Die Aufnahmen müssen unbedingt privat, also bei einem selber, oder als Beweismittel bei Polizei und Gericht verbleiben.
Es geht für mich nicht um die Aufnahme an sich, sondern um deren öffentliche Verbreitung.
Unabhängig von dem Datenschutz mal ein Kommentar: Meines Wissens nach darf man privat zwar filmen, aber nicht als Beweismittel vorlegen, wohl aber darf man filmen und die Polizei darf das Material als Beweis sichern. Sprich, wer unverschuldet in einen Unfall geriet und so ein Teil hat, sollte dezent die Polizei darauf hinweisen, damit sie die Beweise sichern kann.
@commandertom66
Wo waren denn die Datenschutzbeauftragten bei der letzten Volkszählung? Wo sind die Datenschutzbeauftragten beim dauerhaften Filmen von Straßenkreuzungen, Tunnel, öffentlichen Plätzen, Bussen und Bahnen (zum Schutz des Eigentums!)? Wie sieht es mit dem dauerhaften Aufzeichnen von KFz-Kennzeichen aus? Nach Ihrer Auffassung wäre dann auch das Überwachen der Lastkraftwagen per ‚Tachoscheibe‘ bereits ein Verstoß gegen die informationelle Selbstbestimmung. Überwachung durch Geheimdienste? Ich warte auf den Aufschrei!
In Deutschland sehe ich zwei Möglichkeiten das Chaos auf den Straßen einzudämmen. Die Strafen wg. Verstößen um 500% zu erhöhen bzw. wie in den nordischen Staaten abhängig vom Jahreseinkommen zu machen. Da kann es dann auch mal sein, dass der Täter einige zehntausend Euro auf den Tisch legen muss. Die Abschreckung durch den _tiefen_ Griff in des Deutschen Geldbeutel dürfte einen Großteil der Chaoten unter Kontrolle halten. 20km/h zu schnell? Kann gerne auch 250 Euro kosten. Ich pendle jährlich ca 45000km und ich kann sagen, dass es in den vergangenen Jahren immer rücksichtsloser wurde mit steigender Tendenz. Ein Anpassung der Bußgelder ist längst überfällig.
Da der Staat eine drastische Erhöhung aber nicht vorsieht kommt für mich die zweite Möglichkeit in Frage. Dashcams mit der dauerhaft aktivierten Funktion, die Aufnahmen nach 15 Minuten automatisch zu löschen. Da Dashcams ohnehin Beschleunigungssensoren integriert haben, werden bei einem Aufprall die Bilder der letzten x-Minuten dauerhaft gespeichert und der ‚Überschuss‘ wird gelöscht. Die Versicherungen können dies meinetwegen gerne zertifizieren und entsprechende Kameras an die Kunden ausgeben oder sogar montieren lassen. Im Falle eines Unfalls _mit unklarem Hergang_ können die Versicherungen und die Polizei dann die Geräte zur Wahrheitsfindung heranziehen. Der Gesetzgeber müsste lediglich die Gesetze nachbessern, in dem lediglich Aufnahmen von tatsächlich geschehenen Unfällen zugelassen werden bzw. Nötigungen, Beleidigungen und Abstandsverstöße ausgeschlossen werden, sofern sie nicht unmittelbar zum Unfall geführt haben oder durch den Unfall entstanden sind. Ebenfalls dürfen die Aufnahmen per Gesetz nicht veröffentlicht werden – ob mit oder ohne aufgezeichnetem Unfall. Die Geldstrafen für Verstöße durch eine Veröffentlichung (Internet, TV usw) sollten ebenfalls ordentlich bestraft werden.
Ja, ich bin ganz eindeutig dafür, weil …. wie wir alle jeden Tag auf der Straße erleben dürfen, die Anzahl der Verrückten immer mehr zu nimmt.
Plötzlich kommt man unversehens in die Lage, „beweisen“ zu müssen, daß der andere Verkehrsteilnehmer die einfachen Regeln nicht beachtet. Traurig, aber auch unser Verkehr entwickelt sich zu russischen Verhältnissen.
Und warum sollte man diese Filmchen im Internet veröffentlichen ? Manchmal zweifle ich doch am „gesunden“ Menschenverstand unserer Politiker.
Nachtrag zu meinem vorherigen Beitrag: ich ziehe die Erhöhung der Geldbußen/Strafen gerne der Videoüberwachung durch Dashcams vor!
Ich filme mit einer Dashcam niemals direkt eine Person, sondern immer das Geschehen auf der Straße. Somit hat keiner Anspruch auf seine Persönlichkeitsrechte. So wie „Fraggle“ es beschrieben hat, lief es vor kurzem in meiner Gegend. War ein polnischer LKW-Fahrer. Hat funktioniert.
Ich überlege mir auch schon einige Zeit mir eine Dashcam zuzulegen. Mal gucken 😉
Ich bin Dashcam-Benutzer und habe sie nur zum Selbstschutz gekauft. Es sind einfach zu viele Egoisten im Straßenverkehr. Wenn irgendetwas passiert, wird sich rausgeredet und man bleibt auf seinem Schaden sitzen. Irgendwie ist es schon sehr verdreht, wenn man mit Tacho 55 in der Stadt unterwegs ist, wo 50 erlaubt sind und man mittels Lichthupe genötigt wird, schneller zu fahren. Seit der Dashcam fahre ich selber auch regelkonformer. Mal eben noch bei Gelb Gas geben und über die Kreuzung brettern ist nicht mehr. Es würde bei einem Unfall aufgezeichnet sein (so fix kann man dann die Aufnahme nicht mehr löschen).
„Ein Datenschutz konformer Ansatz könnten zum Beispiel Kameras an Fahrzeugen sein, die Aufnahmen verschlüsseln und nur befugten Personen, sprich Polizei oder Versicherungen, Zugriff auf das Material geben.“
Wenn ich sowas lese kommt mir das Frühstück hoch. Woher kommt so ein Gedankengang? Welches grundsätzliche Verständnis fehlt da? Wo muss man da ansetzen? Am besten gleich fordern, dass jedes Auto eine solche Cam haben muss, und die Daten „verschlüsselt“ an Befugte (also Polizei und Versicherungen) übertragen werden müssen. Das fände ich mal eine gute Idee.
Ich bin total überrascht, dass so viele Leute hier planen eine dashcam einzusetzen. Woher kommt denn dieser Schub? Ich glaube in Russland wird das beliebt getan, weil extrem viele Polizisten da einfach korrupt sind.
@pietz: Ein korrupter Polizist würde dir deine Dashcam einfach wegnehmen 😉
@buzztea
„Mal eben noch bei Gelb Gas geben und über die Kreuzung brettern ist nicht mehr.“
Ich liebe ja die Menschen, die den Sicherheitsabstand des folgenden Fahrzeugs mal ausprobieren müssen, und bei Geld eine Vollbremsung machen, und dann genau auf der Haltelinie zum Stehen kommen. Ja, sie haben wahrscheinlich Recht, die Gefährdung, einfach noch bei Gelb drüber zu fahren, wäre aber geringer gewesen. Eine Teilschuld wird was wahrscheinlich aber dennoch geben.
In den Innenstädten, Bahnhöfen etc. herrscht nahezu staatliche Totalüberwachung, aber der private Autofahrer soll das zur Beweissicherung aus vorgeschobenen Datenschutzgründen nicht dürfen und das bei Aufnahmen, die er nichtmal im größeren Rahmen veröffentlichen, sondern nur zur Beweissicherung im Falle eines Falles einsetzen will. In Verkehrssachen wird vor Gericht oft gelogen, dass sich die Balken biegen, solche Beweise wären für die Wahrheitsfindung ein Segen.
Ob ein massenhafter Einsatz von Dashcams dazu führt dass alle auf einmal ganz brav fahren wage ich ernsthaft zu bezweifeln. Video-Überwachung auf öffentlichen Plätzen führt auch nicht dazu dass weniger Straftaten begangen werden.
Ich bin contra Dashcam, da ich der Meinung bin dass derzeit schon zuviel unnütz gefilmt (und manchmal online gestellt) wird. Der Schutz der Privatsphäre – auch im öffentlichen Raum – ist mir wichtiger.
Ich hab jetzt seit zwei Jahren eine dashcam in meinem neuen Auto und möchte es auf keinen Fall mehr ohne haben.
Diese Geräte gehören einfach zur Grundausstattung eines jeden Autos, genau wie auch navi oder überhaupt bordcomputer. Verstehe auch gar nicht, wieso dashcams nicht schon längst standardmäßig ab Hersteller verbaut werden, bei navis klappts doch immerhin nun auch.
Im Prinzip ist das ja was feine, zumindest um Unfälle aufzuklären. Wäre aber da nicht der Hintergedanke, das man mit seinem eigenen Videomaterial vielleicht Beweise gegen sich selber produziert. Anhand eines solchen Videos kann mit Sicherheit die gefahrene Geschwindigkeit ausgerechnet werden. Im Überwachungsstaat Deutschland würde es nicht verwundern wenn die Polizei irgendwann solch Videomaterial bei einer normalen Verkehrskontrolle analysiert.
Einfach das Gesetz „pro Dashcam“ ändern. Ist ja jetzt nicht sooooo schwer alte Gesetze anzupassen
Kenne da einen netten Fall, der hier durch die lokale Presse ging. Ein Mann mit Dashcam nimmt einen Unfall (vor ihm) auf und gibt das Material als Beweismittel ab. Das Material wird vor Gericht zugelassen und der Unfallverursacher erhält eine hohe Geldstrafe. Daraufhin verklagt der Unfallverursacher den Dashcam-Besitzer wegen Verletzung des Persönlichkeitsrecht, gewinnt vor Gericht und erhält eine höhere Summe als er bezahlen muss. So sind die Verhältnisse in Deutschland.