Chatkontrolle: Deutsche Bundesregierung ist weiterhin dagegen

Ich selbst hatte nicht daran geglaubt, doch es ist eine positive Überraschung: Auch die aktuelle Bundesregierung unter Friedrich Merz will gegen die anlasslose Chatkontrolle in der Europäischen Union stimmen. Dänemark, das aktuell die Ratspräsidentschaft in der EU innehat, hoffte also vergeblich auf einen Kurswechsel. Allerdings ist das gefährliche Thema damit immer noch nicht ganz aus der Welt.

So hatten verschiedene Ministerien mitgeteilt, unter anderem auch das Bundesjustizministerium, dass man sich in der Regierung beraten habe und die anlasslose Chatkontrolle in einem Rechtsstaat für falsch halte. Weder dürfe die private Verschlüsselung ausgehebelt noch Unternehmen dazu gezwungen werden, Nachrichten der Bürger vor Versendung massenhaft zu überprüfen. Das Vorgehen gegen Kriminelle sei unabdingbar, rechtfertige aber nicht diese gravierende Verletzung der Bürgerrechte (via Netzpolitik).

Damit dürfte die für den 14. Oktober 2025 angesetzte Abstimmung über die Chatkontrolle in Brüssel keine Mehrheit erreichen. Da die Lage klar ist, ist gut möglich, dass das Thema zunächst wieder im Stillen von der Tagesordnung entfernt wird. Einige Experten, etwa vom Chaos Computer Club, sind aber dennoch hellhörig geworden. So betont die Bundesregierung nämlich stets, sie sei gegen „anlassloses Scannen“. Das gewährt wieder Raum, eben bei einem Anlass doch auf Client-Side-Scanning und Chatkontrolle zu setzen. Eventuell nutzt man hier also zur Beruhigung der Bürger nur einen juristischen Taschenspielertrick.

Eigentlich müsste die Bundesregierung jegliche Form des Client-Side-Scannings ausschließen, genau das tut sie aber wieder nicht. Zuletzt hatte das Thema hohe Wellen geschlagen. Nicht nur Messenger wie WhatsApp, Threema oder Signal hatten sich gegen die Chatkontrolle positioniert, sondern auch Branchenverbände und andere Organisationen wie der Kinderschutzbund.

Unabhängige IT-Experten und Sicherheitsforscher, Juristen, Datenschützer und mehr lehnen die Chatkontrolle und das Client-Side-Scanning entschieden ab. Der Nutzen im Kampf gegen Kriminalität sei arg überschaubar, der Eingriff in die Privatsphäre und Bürgerrechte hingegen massiv.

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden.

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23 Kommentare

  1. Keine Chat-Kontrolle, dafür will man die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen.

  2. Ich dachte Datenschutz ist innerhalb der EU ihr höchstes Gebot? Wenn dieser Bürokratievergrößerungsverein das Spitzeltool möchte, dann soll er bitte auch die DSGVo/GDPR sowie den AI-Act abschaffen. Dann ist doch jedem geholfen.

    Denn weiterhin gilt: in der EU gehören die Daten den natürlichen/juristischen Personen selbst, in der USA den Unternehmen und in China dem Staat.

    • Dein Fehler ist die EU als eine einzige, atomare Entität zu sehen. Zu einem großen Teil sind es eben die Mitgliedsstaaten die Jahr für Jahr die Chatkontrolle auf die Tagesordnung setzen und durchdrücken wollen.

      Ein paar Schwachköpfe in der Komission haben das natürlich erst möglich gemacht. Aber, es sind eben schon eine größere Anzahl an Verantwortlichen, die aber auch nicht alle gleich sind. So gibt es eben manche Mitgliedsstaaten denen Datenschutz wichtig ist, aber trotzdem für diese hirnrissige Idee sind. Anderen ist Datenschutz vllt gar nicht so wichtig, und sie sind dafür.

      Und die verantwortlichen Kommissare sind wohl auch nicht unbedingt die selben als die die sich für Datenschutz einsetzen (etwa GDPR).

  3. Ich wäre vorsichtig, der Trigger ist „Anlaßlos“ das heißt für mich die Bundesregierung ist nicht pauschal dagegen. Allerdings ist es Wurst ob Anlaßlos oder nicht, sobald Client-Side-Scanning kommt schießt es ein Loch in die Verschlüsselung ob man jetzt bei Allen mitließt oder nur bei einigen. Ich rieche da einen faulen Kompromiss

  4. Eine „anlasslose“ Chatkontrolle schliesst aber nicht eine „anlassbezogene“ Überwachung aus. Auch hierfür müsste die Verschlüsselungstechnik massiv geschwächt werden, um Dritten Zugang zu den Inhalten zu ermöglichen. Und somit wäre auch hier die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zwischen den Clients gebrochen.

  5. Aber ist doch typisch für die Merz-Klicke. Erst einmal beruhigen und dann später doch wieder gegen die Bürger etwas unternehmen. Das Einzige, was denen wichtig ist, sind die Industrie und sie selbst.

  6. Es stellt sich die Frage, wohin (in welches Land) man dann noch gehen könnte mit seinen Chats oder Clouddaten – sofern man wie wohl die meisten auf Fremdanbieter angewiesen ist: kein Five- bis 14-Eyes-Land, die EU dann nicht mehr, die Schweiz verschlechtert auch gerade ihre Gesetze (siehe: Proton investiert im Ausland), irgendwelche Bananenrepubliken, Diktaturen usw. auch nicht mehr.
    Bleibt nur die Selbstverschlüsselung vor Mailversand oder Cloudhochladen. Die eigene Verschlüsselung, auch mit selbsterstellten Zertifikaten, könnte dann eine Boom erleben.

    • Ohne dir jetzt jegliche Hoffnungen nehmen zu wollen. Client-side scanning setzt vor dem Verschlüsseln bzw nach dem Entschlüsseln an. Ob der Transport oder die Lagerung verschlüsselt ist spielt also keine Rolle.
      In einer dystopischen Zukunft mit Chatkontrolle V6 gibt es dann für Encryption-Tools einen Expresszugang für Behörden oder einen dritten Key. Auch dann ist es egal ob du verschlüsselst. Einzig ein selbst entwickeltes Tool zum Verschlüsseln wäre dann noch „sicher“ aber eben auch quasi nutzlos, da du der einzige mit Zugriff darauf bist.

      • Ja, hast recht, aber es könnte z. B. zu einem Verlassen der Chats und stattdessen wieder wie früher Mailversand (vorher selbst verschlüsselt) kommen – bei den Datenschutzbewussten wie auch den „bösen“. Das Ziel der Chatkontrolle durch die Behörden würde somit verfehlt.

        • private Verschlüsselung (vor allem von Mails) hat sich nicht durchgesetzt, weil das Problem des Schlüsselaustauschs bis dato nicht gelöst ist für den DAU.
          Affine Nutzer können das natürlich problemlos. Solange aber meine Oma nicht alle abgehenden Nachrichten (nicht nativ wie WhatsApp) verschlüsseln kann, bleibt das eher wunschdenken.

          • Das stimmt, aber dazu zwei Denkanstöße:
            1. Richte es doch der „Oma“ ein.
            2. Da bei proprietären Chatapps oft nicht der Nutzer selbst die Kontrolle über die Schlüssel hat, sondern der Hersteller, und das Programm closed-source ist, könnte es sein, dass es E2EE ist. Sicher weiß es aber nur der Hersteller selbst. Da der Nutzer aber nicht die Schlüssel-Gewalt hat, ist es eigentlich auch hinfällig, ob E2EE stattfindet oder nicht. Der Hersteller=Schlüssel-Manager könnte damit die E2EE nach außen hin intakt wirken lassen, während „Schindluder“ getrieben wird. Da Closed-Source und keine externe Überprüfung jeder genutzten Version stattfindet, weiß es keiner außer dem Hersteller selbst. Darum ist der Aufkleber „E2EE“ ohne Beweis und ohne den Besitz der eigenen Schlüssel de facto wertlos.

            • 1) Ich kann es meiner Oma einrichten. Aber nicht jede Oma/Opa (=technisch nicht affine) auf der Welt hat jmd wie mich, der das einrichten kann. Ein solches System funktioniert nur, wenn es auch der größte DAU bedienen kann. Nur das kann eine flächendeckende (wie so oft geforderte) Verbreitung überhaupt möglich machen.
              2) Es _könnte_ kompromittiert/unverschlüsselt sein. Von Anfang an unverschlüsselte Nachrichten (z.B. SMS) gelten von vornherein kompromittiert und unverschlüsselt.

  7. Und in X Monaten geht der Zirkus von vorne los. Solange bis man die Mehrheit zusammen hat. Gleiches kennt man ja schon von der Vorratsdatenspeicherung. Es wird einfach solange abgestimmt, bis das Ergebnis passt. Richtiger Clownsverein die EU

  8. Ich glaube es erst, wenn es durch ist. Und dass es überhaupt so weit kommen konnte ist gruselig genug. Unter dem Deckmantel der Verbrechensbekämpfung wird man immer mehr unter Generalverdacht gestellt und parallel dazu zum gläsernen Bürger.

  9. Ich frag mich on in das anlasslos zu viel reinterpretiert wird oder nicht. Immerhin kann man in den reports der Messenger oft sehen wie häufig Regierungaanfragen kommen und wie oft zusammengearbeitet wurde, sind im moment bei E2E-verschlüsselten messengern wohl eher meta daten, aber ne gewisse form von Überwachung, nach Richterlicher Genehmigung, findet ja schon statt. Naja aber schadet nicht bei deren Wortlaut vorsichtig zu sein.

    • Verstrahlter says:

      Bzgl. Anfragen, bei denen zu absolutem Stillschweigen (d.h. bis zur Existenz der Anfrage selbst) verpflichtet wurde, besteht allerdings auch eine gewisse Grauzone.

  10. Finde ich schonmal super. Mal gespannt ob die sich am 14. Noch daran erinnern dagegen stimmen zu wollen.

  11. Grundsätzlich mal gut, dass sie dagegen sind. Ob wir da jetzt einen politischen oder juristischen Schachzug erwarten dürfen, werden wir sehen.

    Was aber auch in jedem Fall nicht vergessen werden darf: Der Bund selbst wie einschließlich der Bundeswehr garantieren in ihrem Messenger (BundesMessenger), dass absolut niemand mitlesen darf. Logischerweise wollen, genauer gesagt, dürfen alle Behörden (Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr, die verschiedenen Bundesbehörden) nicht überwacht werden. VS-NfD oder höher ist nicht nur eine hübsche Abkürzung, sondern darf auch nicht „einfach“ so überwacht werden. Auch nicht von einem „neutralen“ Bot, der nur das Beste für dich will.

  12. Die Regierung unter Friedrich Merz hat schon ganz viel Versprochen vor der Wahl. Ich glaube diesen Menschen kein Wort mehr. Und wenn Sie die Chance haben ihre Wähler zu verraten, dann werden sie das tun.

    • Leider spiegelt der Kommentar von @Lutz das Verhältnis der Bürger zur Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz. Die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD haben in kürzester Zeit viel Vertrauen verspielt. Damit öffnen Sie der Partei, die das Wörtchen „Alternative“ im Namen trägt, die Möglichkeit für den Erfolg bei der nächsten Wahl.

      Mein größtes Problem ist, dass diese Regierung sich mit ihrer Politik gegen uns Bürger noch bis zum Ende der Wahlperiode halten wird.

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