„Assassin’s Creed Odyssey“ angespielt: Ein Epos mit dem richtigen Schneid

Seitdem Ubisoft „Assassin’s Creed Odyssey“ im Juni 2018 auf der E3 vorgestellt hat, fiebere ich diesem Titel entgegen. Ich habe seit dem ersten Game aus dem Jahr 2007 jeden Teil der Hauptserie gespielt. Ableger wie die Chronicles-Reihe sowie „Assassin’s Creed III: Liberation“ oder auch „Assassin’s Creed Rogue“ sind hingegen an mir vorüber gezogen. Bisher hat bei mir, wie wohl bei dem Gros der Fans, die Ezio-Trilogie am meisten Eindruck hinterlassen. Im Hinblick auf meine bisherige Zeit mit „Assassin’s Creed Odyssey“ könnte sich aber tatsächlich ein neuer Favorit anbahnen.

Allerdings stecke ich selbst nach einigen Spielstunden noch ziemlich am Anfang. Bereits die erste Insel, auf der man durchstartet, bietet aber z. B. beeindruckende Panoramen, interessante Charaktere und viele Aufgaben. Letztere waren ja schon im letztjährigen „Assassin’s Creed Origins“ deutlich abwechslungsreicher gestaltet, als in den Vorgängern. Das zieht sich auch durch „Assassin’s Creed Odyssey“. Anfangs konnte ich etwa Neben- und Hauptaufgaben gar nicht voneinander unterscheiden. Beide erzählen jeweils kleine Geschichten. Etwa fragt ein Paar den Protagonisten, wahlweise der Recke Alexios oder die Kriegerin Kassandra, ob man für sie ein wertvolles Halsband bergen könne. Letzteres ist leider nahe der Küste im Meer untergegangen. Ausgerechnet an der Fundstelle kurvt aber ein Hai umher. Schöne, kleine, nette Story am Rande.

Schon bei derartigen, kleinen Sidequests macht sich das neue Dialogsystem bemerkbar. Etwa kann man dem Paar an den Karren fahren und schnippisch erklären, dass man die Halskette ja nun selbst kassieren könnte. Bei anderen Aufgabe, etwa der Hilfe für einen Tempel, kann man sich am Ende entscheiden: Sehe ich meinen Auftrag als guten Dienst an und profitiere so vielleicht später von der Gunst des Tempels oder will ich direkt Bares auf die Hand. Große und kleine Entscheidungen wirken sich später nicht nur auf den Hauptcharakter aus, sondern auch auf die größere Spielwelt.

Und die ist wirklich traumhaft gestaltet. Ich bin voreingenommen, denn seit meiner Kindheit liebe ich griechische Mythologie. Ich habe Bücher über die griechische Sagenwelt verschlungen und bin bis heute Fan von Filmen wie „Kampf der Titanen“ oder z. B. der witzigen 1990er-Jahre-TV-Serie „Hercules: The Legendary Journeys“. Schon das Setting von „Assassin’s Creed Odyssey“ ist also absolut mein Ding. Technisch ist das ganze an der Xbox One X aber ebenfalls ein Traum. Zwar läuft das Spiel nur mit 30 fps, bietet aber eine dynamische Auflösung, die häufig nahe an natives 4K herankommt. Dank einer sehr guten Kantenglättung, scharfen Texturen und hoher Weitsicht erlebt man hier eine Spielwelt, die so episch wirkt, wie es für die Zeit des Peloponnesischen Kriegs angemessen ist.

Bugs findet man aber trotzdem. Da steht eben schonmal ein NPC seltsam auf einem Hausdach herum oder eine Animation hat einen Patzer und gerät in einen Loop. Bisher wirkt „Assassin’s Creed Odyssey“ aber auf mich, der nun zeitnah zum Release zockt, recht feingeschliffen. Eher haben mich manche Kleinigkeiten im Gameplay genervt. Etwa ist es mir einmal passiert, dass ich mit einer Spielfigur quatschen wollte, aus Verstehen aber etwas mitgehen ließ, weil die Spielfigur sich fortbewegte. Ein anderes Mal wollte ich auf diese Weise einen Schmied ansprechen, griff aber versehentlich einen vorbeigehenden Wächter an, weil die Taste plötzlich von „Talk“ zu „Stealth Attack“ wechselte – unschön.

Das Kampfsystem ist dabei weitgehend identisch zu „Assassin’s Creed Origins“ geblieben. Sprich, es ist deutlich dynamischer als in den Vorgängern und räumt zudem dem Ausweichen und der verwendeten Ausrüstung viel mehr Wirkung ein. Allerdings gibt es mehr Sonderfähigkeiten, die man mit seinem Adrenalin im Gefecht aktivieren kann. Sehr mächtig ist ein Tritt, der Gegner nicht nur verletzt und hinfortschleudert, sondern sie im Falle des Falles auch direkt von einer Klippe bugsieren kann. Ansonsten variiert die Auswahl an Waffen wieder stark. Es gibt verschiedene Schwerter, Dolche und auch Bögen, die man in Schatztruhen findet, bei Händlern kaufen kann oder bei getöteten Gegnern einsammelt.

Mit dem Schnetzeln muss man jedoch in „Assassin’s Creed Odyssey“ etwas vorsichtiger sein, als in den Vorgängern. Die Spielwelt reagiert auf Diebstähle, Morde und auch Entscheidungen in Quests deutlich stärker. So werden nach einer Zeit Söldner auf einen gehetzt, welche ein Kopfgeld eintreiben wollen. Entweder man erledigt jene dann oder man zückt Bestechungsgeld. Alternativ ist es auch möglich denjenigen auszuschalten, der die Söldner beauftragt hat – keine Belohnung, dann kein Interesse.

Wie in einem Rollenspiel levelt man dabei seinen Charakter auf, erlernt neue Fähigkeiten, teilt mehr Schaden aus bzw. steckt mehr ein und erhält mit zunehmender Stufe auch Zugriff auf bessere Waffen und Rüstungsteile. Jene machen sich auch optisch sofort am Charaktermodell bemerkbar. Im weiteren Spielverlauf erhält man auch Zugriff auf ein Schiff, das man ebenfalls mit unterschiedlichen Looks und Crews ausstaffieren kann. Außerdem kann man in der Spielwelt Lieutenants anheuern, welche dann auf dem Schiff bzw. bei Gefechten aushelfen. Bei den Seekämpfen hat man sich, wie sollte es anders sein, an „Assassin’s Creed IV: Black Flag“ orientiert.

Ich bin bisher jedenfalls von „Assassin’s Creed Odyssey“ sehr angetan. Zwar finde ich den von mir gewählten Alexios als Charakter etwas blass, allerdings ist das durchaus in Ordnung, da ich selbst viele Entscheidungen treffen kann. Dass Ubisoft ein Dialogsystem eingeführt hat, ist jedenfalls eine super Sache und rückt das Spiel tatsächlich näher an Action-Rollenspiele. Als RPG würde ich das Ergebnis zwar immer noch nicht bezeichnen, aber die Marschrichtung ist klar. Was man kritisch sehen kann: „Assassin’s Creed Odyssey“ hat nun mit Assassinen im eigentlichen Sinne nicht mehr viel zu tun. Ubisoft entfernt sich also inhaltlich noch ein Stück weiter von dem, was anfangs das Franchise ausmachte: die Assassinen und Tempelritter.

Auch die nun im Spiel enthaltenen Romanzen erscheinen etwas fade, zumindest was ich davon bisher sehen konnte: Es beschränkt sich auf ein paar kleinere Entscheidungen, Sex als eher humoristisches Einsprengsel und weitere Konsequenzen scheint es nicht zu haben. Offenbar ist Alexios da auch eher polyamor veranlagt. Finde ich etwas schade, denn ich hätte es cool gefunden, wenn man sich zwischen bestimmten Partnern entscheiden müsste und das auch für die Geschichte intensivere Folgen hätte.

Viele Spielelemente sind zudem immer noch leicht monoton: Erneut schicken wir einen Adler durch die Lüfte, um Stützpunkte auszukundschaften und Feinde zu markieren, schalten anschließend die Anführer aus und öffnen Schatztruhen, klettern Türme empor, um die Spielwelt zu synchronisieren und haken einige Sammelorgien ab. Komplett löst man sich also immer noch nicht von der Open-World-Formelhaftigkeit, dessen Dominanz aber schon seit „Assassin’s Creed Origins“ glücklicherweise abgebaut hat.

Insgesamt finde ich, dass „Assassin’s Creed Odyssey“ ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist: Wo der Vorgänger frischen Wind ins Franchise brachte, ist der diesjährige Meuchel-Abenteuer eben die passende Evolutionsstufe. Ich empfinde „Assassin’s Creed Odyssey“ in jedem Punkt besser als den Vorgänger und habe bisher richtig viel Spaß in der tollen Spielwelt, mit den gut erzählten Story- und Nebenaufgaben sowie dem Sammeln von Loot. Hier kann man jedenfalls richtig im Game versinken und die Zeit vergessen. Wer wie ich auf griechische Mythologie steht, findet hier vielleicht sogar durch diesen Bonus sein Spiel des Jahres.

Letzte Empfehlung: Spielt unbedingt auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad und wählt den neuen „Exploration Modus“. Dann bekommt ihr Quest-Orte und Co. nicht mit dem Holzhammer übergebraten und seid mehr zum Erkunden eingeladen. Auf diese Weise fühlt sich „Assassin’s Creed Odyssey“ zwar anspruchsvoller aber immer noch fair an – gerade das macht besondere Laune, finde ich.

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden.

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Ein Kommentar

  1. Zecevic angelika says:

    Das Spiel ist super toll nur die vielen Fehler (spielfigur bewegt sich plötzlich nicht mehr oder nur sehr langsam, oder fällt irgendwo dazwischen und das Spiel muss neu gestartet werden) das nervt.
    Gut bei der Grösse des Spieles ist es sicher schwierig alle Fehler zu beheben aber ich hoffe ihr schafft das noch.
    Update habe ich schon gemacht
    Lg

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