„Street Fighter 6“ im Test: König der Kampfspiele schlägt zurück
Die Marke „Street Fighter“ ist für Capcom seit dem zweiten Teil aus dem Jahr 1991 eine Lizenz zum Gelddrucken. Ich persönlich stieg damals mit „Street Fighter II“ auf dem SNES ein. Seitdem sind die Games ungleich komplexer geworden und haben sich von ihren Arcade-Wurzeln hin zu einer E-Sports-Größe entwickelt. Daran soll auch „Street Fighter 6“ anknüpfen, das ich mir für euch an der PlayStation 5 angeschaut habe.
„Street Fighter 6“ bringt dabei gegenüber den direkten Vorgängern einige Neuerungen mit. Die wohl größte ist der brandneue Modus „World Tour“, mit dem man Singleplayer bei Laune halten will. Dieser Story-Modus lässt euch einen eigenen Charakter erstellen und wirft euch in die urbanden Gefilde von Metro City, das ihr vielleicht auch aus „Final Fight“ kennt. Dort startet ihr als Martial-Arts-Schüler von Luke, der sich auf der Straße beweisen muss – als Straßenkämpfer eben. Während das Gameplay dieses Modus zum Titel perfekt passt, wirkt das Ganze aber dennoch ein wenig wie ein Fremdkörper.
Völlig anders als im Arcade-Modus erkundet ihr hier unterschiedliche Areale, angefangen eben mit Metro City, relativ frei. Ihr könnt vereinzelt auch Gebäude betreten bzw. euch auf den Dächern tummeln. Euer selbst erstellter Charakter begegnet dabei Händlern, um etwa neue Kleidung zu erstehen, Meistern wie Chun-Li, zu denen er eine Beziehung aufbaut und neue Moves erlernt und endlosen Klonen von Passanten, die man fast alle geradezu beiläufig zu einer Prügelei auffordern kann. Obendrein laufen einige aggressivere Gegner herum, die auf euch zustürmen, und euch direkt eins auf die Mütze geben wollen. Da kloppt ihr euch teilweise gar mit 2-3 Feinden parallel.
Geht euch nach einigen Scharmützeln die Lebensenergie zur Neige, könnt ihr sie bei diversen Imbissen wieder auffrischen. Zudem steigert ihr durch Kämpfe eure Erfahrung und steigt im Level auf. Ihr gewinnt dabei auch Punkte, die ihr in neue passive Buffs stecken könnt, damit z. B. Tritte oder Schläge mehr Schaden machen oder ihr bessere Beute von besiegten Gegnern erhaltet. Auch könnt ihr zwischen verschiedenen Kampfstilen wechseln, die sich nach euren Meistern richten – klassischen „Street Fighter“-Charakteren wie Chun-Li, Dhalsim und Co.
Dabei könnt ihr eure Special-Moves aus dem erlernten Repertoire aber selbst zusammenstellen – nur eine begrenzte Anzahl könnt ihr parallel ausrüsten. Somit habt ihr reichlich Optionen, euren Charakter sowohl optisch als auch im Gameplay zu personalisieren. Capcom hat hier in der Tat mit „World Tour“ einen sehr umfangreichen Spielmodus geschaffen. Doch es gibt ein entscheidendes Problem, das ich klar benennen muss: Auch wenn ich anfangs den Hut davor gezogen habe, was man hier für Singleplayer abliefert, so beschlich mich doch nach einigen Spielstunden ein deutliches Gefühl.
Am Ende ist „World Tour“ so etwas wie ein „Yakuza“ für ganz Arme. Das klingt vernichtend, aber ich selbst musste mir vor Augen führen: Will ich diese für ein „Street Fighter“ beeindruckende, aber insgesamt arg mittelmäßige Mixtur auf Kampfspiel und Action-Adventure mit RPG-Elementen wirklich 20 Stunden spielen? Oder macht es da nicht doch deutlich mehr Laune, etwa ein „Like A Dragon: Ishin!“ oder ähnliches zu spielen? Die Antwort ist eindeutig – da hat man als Singleplayer bei aller Liebe eben doch anderswo deutlich (!) mehr Spaß.
Zumal „Street Fighter 6“ im Modus World Tour deutlich weniger ansehnlich wirkt, als im Arcade-Modus. Die Charaktere sind deutlich polygonärmer, die Framerate nicht immer stabil und alles fühlt sich irgendwie etwas steril an. Versteht mich nicht falsch: Capcom hat sich hier Mühe gegeben, eine umfangreiche Singplayer-Erfahrung zu integrieren. Ob sich diese Mühe gelohnt hat, wenn man sich dadurch eben auch an besseren Titeln wie „Yakuza“ / „Like A Dragon“ messen lassen muss, liegt jedoch im Auge des Betrachters.
Dennoch hat jener Modus seinen Sinn, denn ihr erlernt automatisch beim Spielen viele Moves, die euch auch im Arcade-Modus bei den entsprechenden Charakteren nützlich sein werden. Was die Steuerung betrifft, könnt ihr übrigens zwischen einem „klassischen“ Modus mit der bekannten Button-Belegung wählen, die man im Grunde seit der SNES-Ära kennt und einem modernen Modus, der die Aktivierung von Special Moves vereinfacht, aber weniger flexibel ist. Somit kommen hier Einsteiger und Fortgeschrittene auf ihre Kosten.
Im sogenannten Fighting Ground findet ihr dann die weiteren Offline-Modi wie dedizierte Tutorials und natürlich den Arcade-Modus oder lokalen Multiplayer. Im Arcade-Modus könnt ihr mit jedem Kämpfer gegen die KI antreten. Je nach Kämpfer gibt es dann auch individuelle Cutscenes mit einer kleinen Rahmengeschichte – nett gemacht. Schließt ihr dann den Modus ab, spielt ihr auch neue Boni wie Artworks frei.
Doch ich nehme an, viele Fans werden „Street Fighte 6“ primär wegen der Online-Modi kaufen, die mehr und mehr Spieler anziehen und aus der E-Sports-Szene nicht mehr wegzudenken sind. Der Netcode ist hier extrem gut optimiert und wenn eure Internetverbindung mitspielt, fühlt sich alles extrem flüssig an. Ich selbst muss jedoch zugeben, gegen menschliche Gegner kaum einen Stich zu haben. Da sind viele Profis unterwegs, bei denen ihr perfekt alle Mechaniken beherrschen müsst, um überhaupt ein paar Treffer zu landen.
Kritisch sehe ich auch, dass ein Battlepass geplant ist. Der soll zwar keine spielerischen Vorteile verheißen, aber euch mit kosmetischen Items locken. Generell bin ich einfach kein Fan von so etwas. Zumal es auch noch allerlei Mikrotransaktionen gibt. Neu ist in „Street Fighter 6“ die Drive-Mechanik. Die Manöver, die ihr daraus zieht, speisen sich aus einer separaten, grünen Energieleiste unter eurer Lebensenergie. Beispielsweise könnt ihr so eure Special Moves noch stärker machen und mit ihnen mehr Schaden anrichten. Auch zur Defensive könnt ihr den Drive-Balken aber leeren und so Attacken aushebeln, um direkt zu kontern. Je nachdem, wofür ihr die Drive-Energie nutzt, büßt ihr mehr oder weniger vom Balken ein. Obacht: Leert ihr die Drive-Anzeige komplett, seid ihr kurzzeitig ausgebrannt und offener für Attacken.
Mit von der Partie sind weiterhin auch die Super Specials, die man aber in Super Arts umgetauft hat. Mit Blocken und Angriffen baut ihr hier ebenfalls einen Energievorrat an, der euch am unteren Screenrand angezeigt wird. Mit dieser Power könnt ihr besonders martialische Angriffe aktivieren und je nach Aufladungsstufe besonders viel Schaden anrichten – vorausgesetzt sie sitzen. Es gibt auch noch weitere Spielmodi, in denen ihr mit den komplexen Mechaniken experimentieren könnt. Im „Extremen Kampf“ etwa gibt es verschiedene Sonderanforderungen, die durchaus spaßig sein können. Zu loben ist, dass ihr übrigens plattformübergreifend an PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X|S und PC gegeneinander antreten könnt. Dabei könnt ihr im Übrigen auch Avatar-Matches starten und dürft dann mit eurer Figur aus der World Tour gegen andere Spieler antreten. Das ist aber sehr „wild“, denn habt ihr eure Figur gehörig aufgepowert und geratet an einen Einsteiger (oder umgekehrt) sind die Kräfteverhältnisse komplett zerschossen.
Mein Gesamturteil? „Street Fighter 6“ ist ein Kampfspiel mit enormer Tiefe. Wollt ihr euere Fähigkeiten perfektionieren, könnt ihr Wochen in nur einen einzigen Charakter stecken. Der neue Singleplayer-Modus fällt für mich aber in die Kategorie „stets bemüht“ und sollte für niemanden ein Kaufgrund sein. Herz des Prüglers sind die PvP- bzw. Online-Modi, die Fans Monate, wenn nicht Jahre, bei Laune halten dürften. Schon zum Launch bekommt ihr hier ein erstaunlich rundes und spaßiges Paket, das auch diejenigen versöhnen dürfte, die anfangs mit dem Vorgänger eher unglücklich gewesen sind.
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