ROCCAT Syn Max Air im Test

Gaming-Headsets bewegen sich stets auf einem sehr schmalen Grat zwischen Funktionalität und Bauweise. Gerade letzteres ist oft maßgeblich für Ausstattung, Aussehen und ob sich das Produkt selbst von der Masse der vielen verschiedenen auf dem Markt verfügbaren Headsets abhebt.

Doch wenn die Funktionalität zugunsten des Formfaktors leidet, müssen Kompromisse gemacht werden: Entweder ist das Mikrofon Schrott und klingt blechern, die Akustik der Kopfhörer lässt zu wünschen übrig oder das ganze Teil ist einfach saumäßig unbequem. Mit dem Syn Max Air will sich der Hamburger Gaming-Peripherie-Hersteller nun neu an diesen Balanceakt wagen.

Wertigkeit trifft Volumen

Das ROCCAT Syn Max Air ist ein Over-Ear-Gaming-Headset mit abnehmbarem Mikrofon, einer Ladestation sowie zusätzlicher Bluetooth-Funktion. Das Set kommt zur unverbindlichen Preisempfehlung von 249,99 Euro daher und ist neben dem PC unter anderem auch mit der PlayStation sowie Nintendo Switch kompatibel.

In der Box finden sich neben dem Headset selbst das erwähnte Mikrofon, eine etwas voluminösere Schnellladestation, diverse Kabel und ein USB-Typ-C auf Typ-A Adapter – sowie ein Set aus Sporttextil-Ohrpolstern, welche auf den ersten Blick sehr hochwertig scheinen. Sowohl Headset-Muscheln als auch Ladestation kommen teiltransparent daher – um ähnlich der ebenfalls von mir getesteten ROCCAT Kone XP Air mit dynamischer RGB-Beleuchtung zu trumpfen.

Das Headset nutzt 50-mm-Neodym-Treiber und bietet laut Hersteller auf Basis der „NanoClear“-Technologie aus dem Hause Turtle Beach 3D-Raumklang- Kapazitäten. Der Rahmen des Gespanns ist aus Aluminium, welches am Kopfbügel ebenfalls mit Sporttextilien bezogen wurde; die restliche Verkleidung besteht aus rauem Plastik. Die Wertigkeit kann überzeugen und doch wirkt das Teil in Summe auf dem Kopf sehr groß. Ich könnte mir nicht vorstellen, dass sich das jemand etwa beim Live-Streamen mit aktivierter Kamera aufsetzen würde: In einer Zeit, in der Kompaktheit schnell mit Wertigkeit gleichgestellt wird, sieht das irgendwie doch schnell albern und „billig“ aus.

Die Ladestation kommt in einer Schalenform mit einer teiltransparenten Unterseite bestehend aus mehreren RGB-Beleuchtungszonen und zwei USB-Typ-C-Ports, welche sowohl als Konnektivität als auch Stromzufuhr dienen. Die Station ist ebenfalls aus rauem Plastik und hat ein angenehmes Eigengewicht. In Summe wirkt das ganze Set hochwertig und trotz des erstaunlichen Kopfhörer-Volumens dennoch nicht zu Gimmick-y.

Leider vermisste ich einen separaten kleineren USB-Empfänger, den man dann an den verschiedenen Endgeräten nutzen könnte; doch dazu später mehr.

Täglich grüßt das ROCCAT-Tier

Das Anschließen und Einrichten ist auch beim Syn Max Air denkbar einfach: Laut Anleitung kann man die Ladestation sowohl einzeln mit einem Typ-C Kabel am PC nutzen, oder alternativ zusätzlich mittels eines USB-Ladegeräts mit Strom über den zweiten Anschluss versorgen. ROCCAT geht nicht genauer auf die Unterschiede ein – allerdings schätze ich, dass das der Möglichkeit dient, das Gerät zu laden, während der Computer ausgeschalten ist.

Nach dem Anschließen bedient man sich der hauseigenen ROCCAT Swarm Software – auf die ich schon umfangreich in meinem Kone XP Air Test eingegangen bin. Daher erspare ich euch hier die Textwand und breche hier abseits dedizierter Mätzchen kurz herunter: Die Treibersuite dient der Steuerung aller aktueller ROCCAT-Produkte und kommt sehr umfangreich daher. Es gibt in der Theorie massig Einstellungsmöglichkeiten, die in der Praxis vermutlich von den wenigsten in vollem Umfang genutzt werden dürften.

Während das Headset auch ohne ROCCAT Swarm erkannt und unter Windows mit den Bordmitteln als Kopfhörer und Mikrofon angewählt werden kann, schaltet erst Swarm in aller Regel alle Funktionalitäten frei. „In aller Regel“, denn genau das war lange Zeit nach Erscheinen des Produkts eben nicht möglich: Ein Problem mit Windows 10 und 11 sorgte wohl für massive Bugs in der Swarm Software, weshalb ROCCAT kurzerhand notgedrungen fast alle Funktionen der proprietären Lösung temporär auf Eis legen musste. Konkret konnte ich das Syn Max Air zwar normal nutzen – doch alles, was das Headset von normalen Kopfhörern unterschied (also 3D-Equalizer, Klangprofile, Beleuchtungsspielereien und anderer akustischer Akrobatik) funktionierte die ersten Wochen nicht.

Der Fehler konnte mittlerweile behoben werden und ich mich ausgiebig in ROCCAT Swarm und den Einstellungsmöglichkeiten des Syn Max Air austoben. Zumindest in dem Maße, wie es möglich war – was am Ende des Tages erstaunlich überschaubar blieb: Bei so viel Brimborium um die Software hatte ich einen riesigen Optionskatalog erwartet; nicht zuletzt, weil ROCCAT diesen auch bei der Kone XP Air auffuhr. Doch leider wirkt die Treibersuite hier alles andere als intuitiv und abseits diverser Software-Filter für die Ohren (wie etwa „Superhuman Hearing“, welches entsprechende Frequenzbereiche für etwa Schritte in Wettkampf-orientierten Shootern anhebt und herausstechen lässt) und Balance sowie Noise Gate Level, finden sich hier lediglich EQ und ein paar Funktionen zur RGB-Steuerung und -Synchronisierung.

Wenig lässt sich am Headset selbst steuern: Einschalt-, Bluetooth-Taste und zwei Räder (eines für die Haupt- und eines für die Bluetooth-Lautstärke) – doch das wars auch schon. Letzteres dient zur parallelen Verbindung mit etwa dem Smartphone, um etwa beim Zocken an PS5 oder Switch die Spotify- Playlist oder Discord zu nutzen. Ist nett und funktioniert auch ganz gut, fand in meinem Fall jedoch kaum Einsatz im Alltag.

Doch hier wird schnell deutlich, dass auch das Syn Max Air alles andere als makellos ist. Wie etwa stelle ich die Systemgeräusche des Geräts leiser oder ganz ab? Bei jedem Einschalten wird der Vorgang durch verschiedene Verbindungs- und anderer Piepstöne begleitet – welche unerträglich laut sind. In der Swarm-Suite fand sich weder Regler, noch Option und am Headset selbst nimmt der Lautstärke-Regler ebenfalls keinen Einfluss auf diese Geräusche. Ziemlich ärgerlich also.

Unter der Akustik-Haube

Ich mach’s kurz und schmerzlos: Ab Werk ist das Klangbild des ROCCAT Syn Max Air recht neutral und klar. Das Teil ist weniger basslastig als es optisch vermuten lässt, was am Ende immer eine Geschmackssache ist. Ich bin ein Fan von satten Tieftönern, die jede Explosion in Filmen und Spielen wuchtig transportieren können. Man kann sich da zwar mit dem EQ behelfen, büßt dann jedoch in gewisser Weise die angenehm klare Akustik ein.

3D-Raumklang ist leider auch bei diesem Headset ein Glücksspiel: Mal knallt der Volumen und Drall des simulierten Raumklangs rein; mal gehen mittlere Frequenzen und Sprachsegmente extrem unter. Gerade feinere Nuancen und Ortbarkeit von etwa Feindes-Schritten werden schnell stark verfälscht und obgleich man meinen sollte, dass „Raumklang“ hier helfen sollte, tauscht man irgendwie schlicht und ergreifend Klarheit und Details gegen Kino- Inszenierung. „Superhuman Hearing“ agiert hier ähnlich und auch wenn ich die CT-Banausen auf de_dust2 damit zweifelsohne besser lokalisieren kann, werden zu viele der anderen Details verdrängt – was schnell „stumpf“ wirkt.

Das mitgelieferte Mikrofon klingt für Mitspieler zwar klar und verständlich; allerdings bin ich in Sachen Audio-Qualitäten irgendwie extrem pingelig und mir fiel auf, dass es für meinen Geschmack doch einen Ticken zu blechern klingt. Das Mikro lässt sich sowohl hochklappen oder auch komplett abnehmen – was wiederum dann in meinem Fall gut ist; weil ich dann ein Gespann aus Syn Max Air und Shure MV-7 auf dem Tisch vor mir nutzen könnte. „Könnte“, weil mir sich dann nüchtern betrachtet der Sinn hinter einem Gaming-Headset wie dieses einfach nicht erschließt. Dann kann ich doch auch einfach gleich die hochwertigeren, besser klingenden und bequemeren Apple AirPods Max aufsetzen und per Kabel am MV-7 betreiben. Nun gut; vielfältige Optionen sind etwas feines und daher kann man diese Möglichkeit gerne auch als Benefit verbuchen.

Zwar hat mich die Verbindungsqualität zwischen Headset und Ladestation nie wirklich enttäuscht; allerdings hapert es hier und da beim Einschalten an der Verbindung selbst. Manchmal schaltet sich das Headset nach dem Einschalten direkt wieder ab, weil es die Station nicht findet und nicht im BT-Modus ist – ein erneutes Einschalten half hier immer. Die Reichweite der 2,4GHz Verbindung hingegen hat mir sehr gefallen: Ich konnte ungelogen durch die ganze Wohnung laufen, ohne lange Verbindungsabbrüche hinnehmen zu müssen. Die Akkulaufzeit konnte auch abliefern: Mit aktivierter RGB-Spielerei hielt er im Schnitt 2-3 Tage durch. Steht aber im Normalfall bei Nichtbenutzung ohnehin in der Ladeschale, daher kein weiterer Gedanke wert.

Aber lasst mich euch sagen: Diese vermaledeite Ladeschale und ich wurden einfach nicht warm. Warum muss ich das bullige Ding an die PS5 schließen, wenn mir mal nach einem Plattform-Wechsel ist? Zwar kann ich das Headset zwar auch mit der Konsole per Bluetooth koppeln – doch gerade Sony lässt hier keine schlichte Headset-Verwendung via blauem Zahn zu. Die Nintendo Switch schon eher, so auch das grandiose Valve Steam Deck. Doch bei beiden möchte ich mich in der Regel bequem aufs Sofa oder Bett schmeißen – da ist so ein fettes Headset auf der Birne eher hinderlich. Da dem Set kein dedizierter USB- Dongle beiliegt, sorgte all das dafür, dass es exklusiv am PC genutzt wurde. Auch meldete sich ROCCAT Swarm immer wieder eher nervend zu Wort, denn für Firmware-Updates müssen sowohl Headset als auch Ladestation beide per gesondertem Typ-C-Kabel verbunden werden.

Fazit

Das Gespann aus Headset, Schnellladestation und abnehmbarem Mikrofon kommen hochwertig daher. Leider stellt gerade das optionale Mikrofon die Notwendigkeit eines Gaming-Headsets in Frage und der Zwang, die klobige Lade-Schale zu verwenden, schränkt die Mobilität des Sets weiter ein. Für den Preis von 249,99 Euro muss man sich schon genau überlegen, ob man nicht auf Alternativen zurückgreifen will oder das Set genau die eigenen Ansprüche trifft. Sollte es das jedoch tun, wird man mit guter Verarbeitungsqualität und einem angenehmen Klangbild verwöhnt.

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Unregelmäßiger Gastautor im Jahr 2023.

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