Mobiles Musikstreaming: Die treibende Kraft hinter der nächsten digitalen Revolution?
Der Trend ist eigentlich eindeutig und Streaming nicht mehr aus den Köpfen wegzudenken: Immer mehr Musik wird nicht mehr nur digital über einen der bekannten Anbieter gekauft und heruntergeladen, sondern gestreamt. Spotify, Google Play Music, Apple Music, Deezer, mittlerweile auch Amazon mit Prime Music stehen im Fokus einer Entwicklung, die den klassischen Download so zu ersetzen droht wie es seinerzeit das Medium MP3 mit den CDs getan hat. An vielen von Euch ist diese Entwicklung nicht vorbeigegangen und in Anbetracht der Frage, warum man Musik noch kaufen muss, wenn man sie doch für den Preis eines Albums im Monat streamen kann, haben wir uns einmal mehr auf die Suche nach Fakten gemacht und mal wieder ein paar Statistiken gewälzt.
Bereits zum Ende des Jahres 2014 sanken die Verkaufszahlen von digitaler Musik um 12% im Vergleich zum Vorjahr, gleichzeitig zogen die entsprechenden Streamingdienste an. Während früher der Konsum von Musik meistens in den eigenen vier Wänden stattfand, so hat sich das Ganze – wenig überraschend – mittlerweile entsprechend geändert, sind doch etwa die Hälfte aller Konsumenten dabei, ihre Musik auch unterwegs auf dem Smartphone zu hören – Tendenz steigend.
Die Zeichen der Zeit endlich erkennend, wagte auch Apple im Juni 2015 den Einstieg in das Streaming-Geschäft, während Google weiter in Play Music investierte und YouTube auf musikalischer Sicht gesehen weiter ausbauen konnte. Platzhirsch bleibt allerdings nach wie vor Spotify, das in seinem Gratis-Modell ja seit jeher Werbung nutzt und eigentlich präsenter ist als jemals zuvor.
Schaut man sich nun die statistisch führenden Musikdienstleistern im dritten Quartal 2015 basierend auf aktiven Nutzern an, so sind einer App Annie-Studio zufolge die Top 4 weltweit (China ausgenommen) relativ homogen: Spotify führt bei Android und iOS das Feld an, Platz zwei geht an Pandora Radio und Platz drei und vier belegen SoundCloud bzw. TuneIn Radio auf iOS, bei Android sind diese Plätze wiederum vertauscht. Deezer und Amazon Music sind auf der iOS-Plattform auf den Plätzen sechs und sieben bzw. auf Android auf fünf und sechs zu finden. Erwähnenswert ist hier auch noch das generelle Fehlen von Google Play Music, sind in den uns vorliegenden Quellen doch vorinstallierte Apps wie Google Play Music Apple Music ausgenommen.
Dass aktive Nutzer nicht gleichbedeutend sind mit monetärem Erfolg, liegt allerdings auf der Hand: Nicht-zahlende Nutzer sind zwar Rezipienten für Werbung, schöner hat man es doch da aber, wenn man zahlende Kunden Monat für Monat an sich binden kann. Wie sieht es also in Sachen Store-Umsätzen aus, schliesslich redet man ja oft von dünnen Margen oder dem ein oder anderen Interpreten wie Adele oder Taylor Swift, die ihre Musik den Streamingdiensten nicht zur Verfügung stellen. Hier ist allein binnen eines Jahres vom dritten Quartal 2014 zum dritten Quartal 2015 eine 105%ige Steigerung zu verzeichnen:
Auch die Top Ten der weltweit nach Umsatz führenden Apps zeigt den Trend auf, dass nicht nur die werbefreien Streaming-Angebote, sondern auch alle kostenpflichtigen (Web- und InApp-Käufe) einem entsprechenden Vertriebsturbo gleichkommen: Spotify holt sich auch hier den ersten Platz, den letztes Jahr noch Pandora Music innehatte, während Deezer immer noch auf Platz 3 gesetzt ist. Beats / Apple Music schiebt sich einen Platz hoch und vor allem überraschend dürfte der Einstieg von TIDAL sein, immerhin einer der Dienste ohne kostenloses Angebot, der sinnigerweise aber nicht in den Top Ten der weltweiten Musicstreaming-Apps an Downloads gemessen auftaucht. Verlierer in dieser Statistik – es ging drei Plätze nach unten – ist Rdio, mittlerweile von Pandora Music übernommen.
Interessant ist bei aller Statistik aber auch die Verteilung auf die einzelnen Ursprungsmärkte weltweit – sieht man beispielsweise Spotify als Platzhirsch in Europa, ist Frankreich mit Deezer das sprichwörtliche kleine, gallische Dorf, das sich dem Streaming-Marktführer aus Schweden widersetzt. Auch diese Statistik gilt für das dritte Quartal 2015 und zeigt: Pandora trotz Spotify in Nordamerika noch und der hierzulande eher unbekannte Dienst GQ Music ist in China in Gänze gesetzt – lokale Anbieter mit lokalen Inhalten sind also absolut nicht wegzudenken, auch wenn davon auszugehen ist, dass Spotify auch anhand der Downloadzahlen die Nutzungszahlen je Nutzer in Zukunft noch weiter ausbauen könnte:
Schaut man noch einmal speziell auf den Markt im Großbritannien, ist – wenig verwunderlich – auch hier Spotify der Platzhirsch (Erfassungzeitraum ist auch hier das dritte Quartal 2015), aber auch hier ist ein Trend erkennbar, sind doch schliesslich die App Store-Umsätze der Top 5-Streaming-Apps binnen eines Jahres um 390% gestiegen. Auch die Insel unterstreicht also den Streaming-Trend und zeigt auch, das eher klassische, aus dem Radio-Bereich stammende Anbieter wie eben die BBC oder Capital FM durchaus gewillt sind, über eigene Streaming-Apps neue Verbreitungs- und Geschäftsfelder zu erschließen.
Als spannend wird die zukünftige Entwicklung vor allem in Nordamerika und Asien gesehen: Während in Nordamerika ja Pandora Music noch sehr gut aufgestellt ist, werden in Asien – bedingt durch die Zunahme der Anzahl an Smartphones – die vorinstallierten Apps entscheiden, welchem Streaming-Dienstleister sich die Hörer verpflichten werden. Doch wo wir gerade bei den Hörern sind, stellt sich doch die Frage, über welche Zielgruppe wir in Sachen Geschlecht und Alter eigentlich reden. Das lässt sich grob wie folgt aufschlüsseln:
Bemessungsgrundlage für das gezeigte Beispiel ist übrigens der Markt in den USA im September 2015 auf sowohl der Android- als auch der iOS-Plattform.Banal gesagt haben die zehn führenden Streaming-Apps unter 45 Jahren mehr männliche als weibliche User, in der Gruppierung darüber kehrt sich dieses Verhältnis um. Weniger überraschend nehmen jüngere Benutzer unter 25 das Thema Streaming deutlich besser an als „ältere Semester“, ist doch hier der Datenverbrauch 15% höher als in der Altersgruppe bis 45 und gar 65% höher als der in der Gruppe der über 45jährigen Nutzer.
Wohin geht nun letztendlich die Reise in Sachen Streaming? Der Markt floriert nach wie vor und für 2016 wird besonders interessant, wie Apple Music sich nach der dreimonatigen Testphase, die viele Benutzer ja bereits hinter sich haben, entwickeln wird. Aktuell redet man von 6.5 Millionen kostenpflichtiger Abonnenten und 15 Millionen Nutzern – bedenkt man, dass die Music-App von Apple nach App Annie-Recherchen bereits jetzt mehr monatliche aktive Nutzer als jede andere Streaming App (nicht gleichbedeutend mit dem Streaming-Dienst dahinter!) hat, wird erst einmal deutlich, wohin das Ganze noch führen kann.
Die Art und Weise, wie Apple den Dienst an seine seit Jahren bereits vorhandene App koppelt und ihn darin integriert, wird im kommenden Jahr eine tragende Rolle spielen und man darf davon ausgehen, dass man allen Unbequemlichkeiten zum Start Spotify deutlich auf die sprichwörtliche Pelle rücken wird. Auch Dienste wie SoundCloud und Deezer, die teilweise noch lokale Märkte beackern, werden an Akzeptanz gewinnen und dem Streaming-Markt neue Impulse geben, denn eins steht fest: Es ist noch viel Luft nach oben und man darf gespannt sein, wie Ende 2016 die Top 3 im Streaming-Business aussehen wird.
Auch YouTube bzw. der unlängst gestartete Ableger YouTube Red samt der Verzahnung mit Google Play Music sollten in dieser Rechnung nicht unterschätzt werden, ist die Reichweite von YouTube als Dienst und App doch nahezu unerreicht. Die Frage, wie aus YouTube-Nutzern zahlende Abonnenten gemacht werden, dürfte auch für Google eine spannende Herausforderung darstellen. Letztendlich kann es also nur heißen: Zahlende Kunden gewinnen und vielleicht die ein oder andere Brücke in andere Gefilde schlagen, während man auch weiterhin versucht, das kostenlose Angebot durch Werbung aufzufangen.
Als Brückenschlag könnte somit die Möglichkeit sein, das Kernprodukt (Musik) mit dahinterliegenden Dienstleistungen zu verzahnen – bestes Beispiel hierfür könnte der jüngste Kauf von Ticketfly durch Pandora gewesen sein, der mit 450 Millionen US-Dollar zu Buche geschlagen ist, sich langfristig aber rentieren dürfte. Gleiches gilt für Connect in Apple Music – eine Schnittstelle zwischen Konsumenten und Künstlern besteht dadurch bereits, wieso also nicht auch hier den Weg Richtung Erweiterung der Dienstleistungen wie eben dem Ticketverkauf gehen?
Der Wandel vom Musikdienst zum Musikdienst mit dahinter angeschlossener E-Commerce-Plattform könnte uns also schneller ereilen, als der ein oder andere glauben mag. Fest steht jedenfalls: Auch der Streaming-Markt ist in steter Bewegung und hat mit seinen Möglichkeiten seinen Zenit längst nicht erreicht – es bleibt also spannend!
(via Storymaker / App Annie)
Also ich mag Streaming. So kann man sich anhören ob man das Album wirklich kaufen will oder nicht, egal ob in CD Form oder MP3 Format.
Und bei einigen Dingen reicht es mir auch diese nur über Streaming zu hören ohne dafür nochmal großartig Geld auszugeben.
Streaming ist in diesem Bereich für mich schon ein großer Vorteil, um eine Vorauswahl zu treffen.
Streamen nutze ich nur zum reinhören. Interessante Lieder werden einzeln, als Download, gekauft; ganze Alben nur als CD, der Qualität wegen… 😉
@Martin
Das sehe ich auch so. 120 Euro im Jahr nur für temporäres Musik Streaming halte ich auch für deutlich zu teuer. Da kaufe ich lieber weiterhin die Musik die mich interessiert, und kann diese dafür dauerhaft hören.
@Martin:
Stimmt. Auch ich habe jahrelang eine riesige digitale Musik-Bibliothek gepflegt. Aber inzwischen ist mir der Aufwand zu gross …
Hauptnachteil beim Streaming ist aus meiner Sicht, dass man dafür online sein muss und zwar mit ausreichender Geschwindigkeit. Das ist bei mir nicht immer der Fall, zum Beispiel im ÖV. Apple Music ist in solchen Situationen ziemlich doof und spielt dann einfach keine Musik mehr anstatt zu einem offline verfügbaren Lied zu springen.
@Rowland:
Auch Superstars verdienen ihr Geld mit dem Livegeschäft, wie (fast) alle Musikerinnen und Musiker:
https://musikwirtschaftsforschung.wordpress.com/2015/07/14/musikstreaming-2014-das-musikstreamingeinkommen-der-superstars/
Wer kein Label findet, hat heute mehr als genug Möglichkeiten um sich selbst zu vermarkten …
… Musiker wollen bezahlt werden, klar, aber wer mit seiner unternehmerischen Tätigkeit keinen ausreichenden Ertrag erwirtschaften kann, betreibt halt ein Hobby. Es gibt keinen Anspruch darauf, für beliebige Leistungen bezahlt zu werden, dafür braucht es zahlungswillige Kunden – wie überall im Wirtschaftsleben.
Wer einen Streaming-Dienst abonniert, bezahlt überdurchschnittlich viel für Musik, nämlich um die 120 Euro. Und erhält dafür nur Streaming …
Abgesehen davon: Realität ist kostenlose Musik. Nein, nicht via Filesharing und andere dubiose Quellen, sondern im Radio, bei Youtube, in Einkaufszentren, überall. Wie erwähnt: Geld mit Musik verdient man fast ausschliesslich im Livegeschäft. Das ist gerade für wenig bekannte Musiker eine grosse Chance, denn dank dem Internet kann man sich eine Fangemeinde erarbeiten, die Konzerte ermöglicht. Früher wäre das niemals möglich gewesen. Aber auch da gilt natürlich: Die meisten Unternehmer sind nicht erfolgreich, viele scheitern. C’est la vie!