Kickstarter lehnt Profit als oberstes Ziel ab

kickstarter logoCrowdfuding – man liebt es oder man hasst es. Für die einen ist es eine wichtige Möglichkeit Projekte zum Leben zu erwecken, zu denen beispielsweise großen Spielepublishern der Mut fehlt. Für andere besteht die Gefahr darin, dass kleine und große Firmen über die Schwarmfinanzierung grinsend die Risiken der Finanzierung auf die Community auslagern. Kickstarter bzw. dessen Gründer Yancey Strickler und Perry Chen haben freilich eine andere Perspektive: Für sie sei ihr Baby ein Weg kreative Ressourcen freizuschalten. Deswegen wird Kickstarter nun auch zu einer Public-benefit Corporation (PBC).

PBC ist eine relativ neue Unternehmensform in den USA, die es in jener Form in Deutschland nicht direkt gibt. So ist eine PBC zwar keine Non-Profit-Organisation und bleibt ein gewinnorientiertes Unternehmen, kreiert allerdings darüber hinaus soziale Mehrwerte für die Gesellschaft. Zugleich unterliegen PBCs strengeren Rechenschafts- und Transparenzpflichten als andere Firmen. 5 % seiner jährlichen Gewinne will etwa Kickstarter nun einsetzen um „Kunstausbildungen zu fördern und gesellschaftliche Ungleichbehandlung zu bekämpfen“, erklärt man via Pressemitteilung.

Laut den Gründern Yancey Strickler und Perry Chen habe man stets ausgeschlossen mit Kickstarter an die Börse zu gehen. Kickstarter sei einfach keine Organisation, die einfach nur auf Gewinnmaximierung abziele, sondern wolle ein Inkubator bzw. eine Unterstützungshilfe für kreative Ideen sein. Natürlich wolle man Gewinne erwirtschaften, doch jene seien der willkommene Nebeneffekt und nicht das Hauptziel. Im Grunde greifen die beiden Manager hier klassische, ökonomische Theorien auf. So gibt es in den Wirtschaftswissenschaften seit Jahrzehnten Theorieströmungen, die betonen, dass Gewinn die Folge eines guten Produktangebots sein muss und nicht das Primärziel einer Firma sein könne. Offenbar haben die Kickstarter-Gründer in diesem Bezug ihre Hausaufgaben gemacht.

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In einem eigenen PBC-Charter legt Kickstarter sein Selbstverständnis offen. Auch in Deutschland wurden viele Projekte über die Crowdfunding-Website finanziert – 109 Stück bisher. Die meisten Unterstützer sicherte sich „Everspace„, während „Miito“ mit 818.098 Euro das höchste Budget einheimsen konnte. Nun kann man Kickstarter natürlich unterstellen den Wechsel zur PBC-Unternehmensform auch zu vollziehen, um sich reichlich kostenlose PR zu sichern. Allerdings wäre dies auch auf anderen Wegen möglich gewesen. Und die Gründer Strickler und Chen könnten mit weniger Arbeit deutlich mehr Geld mit nach Hause nehmen, wenn sie ihre Firma an die Börse schicken würden und möglicherweise bei einer Übernahme die eigenen Taschen füllen würden. Bei allem marketingwirksamen Geblubber scheint den beiden Männern also nach meinem Eindruck durchaus glaubhaft etwas daran zu liegen Kreativität zu fördern.

PBC-Firmen unterliegen in den USA weiteren Auflagen: Sie müssen, neben dem Ziel der Öffentlichkeit zu helfen, auch bei den einzelnen Firmen-Entscheidungen nicht nur an die Gewinne, sondern auch an die Auswirkungen auf die Gesellschaft denken. Zudem sind regelmäßige Berichte zum sozialen Wirken der jeweiligen Firmen fällig. 2014 hatte sich Kickstarter bereits von einer Non-Profit-Gruppe namens B Lab zertifizieren lassen. Teilnehmende Firmen verpflichten sich in jenem Rahmen zu nachhaltigem Wirtschaften und sozialer Verantwortung. Kickstarter nutze laut eigenen Aussagen auch keine „esoterischen Steuertricks“ aus, sondern zahle ohne große Umschweife seine Steuern.

Investoren wie der ehemalige Google-Manager Chris Sacca erhoffen sich natürlich dennoch am Ende schwarze Zahlen. Und tatsächlich macht Kickstarter jährlich Gewinn und re-investiert viel davon in das eigene Unternehmen. In den nächsten Jahren wolle man laut den Gründern zudem damit beginnen Investoren und Mitarbeitern Dividenden auszuzahlen, die sich an den erwirtschafteten Gewinne orientieren. Damit profitiere jeder Angestellte noch weiter vom Erfolg des Unternehmens.

Trotzdem gibt es natürlich auch Kritiker: Ich selbst etwa halte vom grundlegenden Prinzip des Crowdfundings wenig. Denn die Finanzierung wird letzten Endes auf den Kunden ausgelagert. Jener legt nicht mehr für ein fertiges Produkt Geld auf den Tisch, sondern soll schon vorher ein imaginäres Konstrukt bezuschussen. Gescheiterte Projekte oder strittige Aktionen durch wohlhabende, gut vernetzte Schauspieler wie Zach Braff oder Künstlerinnen wie Amanda Palmer zeigen, dass die Schwarmfinanzierung teilweise bedenkliche Auswüchse annimmt. Zuletzt erhitzte etwa Sony mit einer hauseigenen Crowdfunding-Plattform „First Flight“ in Japan die Gemüter.

Nun gibt es allerdings überall Licht und Schatten und auch wenn ich selbst keine Crowdfunding-Projekte unterstützen mag, gebe ich z. B. Spieleentwicklern gerne mein Geld für ein fertiges, gutes Produkt – DoubleFines „Broken Age“ habe ich mir nach Abschluss der Entwicklung genau so gekauft wie ein „Divinity Original Sin“. Am Ende kommt es also darauf an, was man aus der Schwarmfinanzierung macht. Bleibt zu hoffen, dass Kickstarter es mit seinem vollmundig gepriesenen und bewundernswerten Kurs auch langfristig ernst meint.

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden.

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10 Kommentare

  1. Finde den Freudschen 🙂 Böse Börse!

  2. Für den nachfolgenden Kommentar sollte man die South Park Folge „Böse Buben bringen Beistand“ kennen: http://www.southpark.de/alle-episoden/s02e17-b%C3%B6se-buben-bringen-beistand

    Die verstoßen gegen das 3-Schritte-Prinzip!!!!
    Schritt 1: Unterhosen sammeln
    Schritt 2: …..
    Schritt 3: PROFIT!!!!!

  3. Wie schön du bei „Börse“ das „r“ weggelassen hast 😀 #typo

  4. „Man liebt es oder man hasst es.“
    Das würde ich doch etwas differenzierter betrachten und finde, Crowdfunding hat durchaus seine Daseinsberechtigung. Ich unterstütze selbst gerne mal das ein oder andere Projekt, wäge vorher jedoch genau ab, ob es tatsächlich sinnvoll ist. Stammt das Projekt von bereits etablierten Firmen oder bekannten Persönlichkeiten teile ich deine Meinung, dass diese das Projekt selbst stämmen und die notwendigen Mittel auftreiben können, aber Newcomer haben es ohne Schwarmfinanzierung oftmals doch sehr schwer Fuß zu fassen.

  5. André Westphal says:

    So, das fehlende „r“ ist drin :-).

    @FlutterRage Klar, ich hab mich im Artikel ja auch als „Hasser“ geoutet, aber letzten Endes sehr ich natürlich auch die Vor- und Nachteile. Für mich überwiegt einfach, dass ich nicht die Katze im Sack kaufen möchte. Deswegen habe ich „Broken Age“ gerne bezahlt – aber nachdem die Entwicklung fertiggestellt war. Gerade hat DoubleFine, die den Boom ja mit-ausgelöst haben, ja auch reichlich Schelte einstecken müssen. Denn mit dem versprochenen „klassischen Adventure nach alter Schule“ hatte „Broken Age“ auch mit viel gutem Willen sehr wenig zu tun. Auch wenn es trotzdem ein nettes Game war.

  6. PBC nichts vergleichbares in Deutschland?
    Und was bitte sind dann e.V. und die ganzen gGmbHs?
    Es sind genau die Äquivalente der PBC in Deutschland

  7. André Westphal says:

    @ Micha Das sind andere Organisationsformen und eben nicht mit einer PBC gleichsetzbar. Das ist als wenn man das amerikanische mit dem deutschen Rechtssystem gleichsetzt, nur weil es in beiden Anwälte und Richter gibt ^^. Ein Verein z. B. verfolgt KEINEN wirtschaftlichen Zweck – eine PBC aber sehr wohl. Und das ist nur der erste von etlichen Unterschieden. Eine gGmbH wiederum geht schon eher in die Richtung, gleichsetzen kann man das aber eben auch nicht 1:1. Denn eine gGMBH hat z. B. bei der Verwendung ihrer Gewinne andere Auflagen als die PBC in den USA.

    Darum habe ich bewusst im Text geschrieben, dass es PBCs in Deutschland „nicht direkt gibt“. Im Artikel sollte es halt hauptsächlich im Kickstarter gehen und nicht um die (ziemlich umfangreiche) Differenzierung verschiedener Unternehmensformen. Das wollte ich bewusst nicht gleichsetzen, denn am Ende gibt es doch mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten.

  8. Die PBCs existieren nicht mal überall in den USA und die Regelungen unterscheiden sich von Bundestaat zu Bundesstaat. Es gibt darüber kein ‚Federal Law‘. In einigen Staaten beschreibt PBC eher das, was bei uns als Tochterunternehmen staatlicher Stellen bezeichnet werden würde (z.B. städtische Verkehrsbetriebe).
    Schon von daher verbieten sich Vergleiche.
    Übrigens darf ein eingetragener Verein sehr wohl auch wirtschaftliche Ziele verfolgen, dafür gelten dann aber mitunter strenge Auflagen.

  9. André Westphal says:

    @ LinHead Ja, richtig. Es gibt die PBCs, wenn ich mich jetzt ohne erneut nachzuschlagen, erst seit 2013 – also noch sehr jung die Organisationsform. Und eben auch nicht in allen Staaten wie du schon sagst. Deswegen habe ich bewusst nicht vage was von dt. Äquivalenten geschrieben, weil man sich damit nur in die Nesseln setzt ^^.

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