Deutsche Start-ups: Forderung nach Einfluss auf die journalistische Berichterstattung
Der Beirat Junge Digitale Wirtschaft stellte kürzlich eine krude Forderung auf: So wünschte man sich eine „Disziplinierung der Presse“. Die Argumentation: In Deutschland gebe es zu wenige erfolgreiche Start-ups. Offenbar denkt man nicht, dass das vielleicht an gesetzlichen Rahmenbedingungen und bürokratischen Hürden liegen könnte, sondern vielmehr an den Journalisten, welche zu negativ über sie berichten würden. Vertreter der Gründerszene argumentieren daher in einem „Positionspapier zum Thema Börsengänge Deutscher Start-ups“ für Auflagen, die Eingriffe in die Pressefreiheit darstellen würden.
Demnach müsse der Staat dafür sorgen, dass eine ausgewogene Berichterstattung erfolge. Was jedoch nun „ausgewogen“ ist, das wissen wir auch hier im Blog-Team alle, davon haben Autoren, PR-Mitarbeiter und Unternehmen oft sehr abweichende Vorstellungen. Gerade deswegen ist es wichtig, dass die Presse unabhängig berichten kann. Vorgeschlagen wird in dem Thesenpapier, das mittlerweile wieder aus dem Netz entfernt wurde, vom Handelsblatt aber eingesehen wurde, ein „Erlass von Regeln zur Vermeidung einseitig diffamierender Artikel“. Als Verfasser sind die wohl eher nicht sonderlich unbefangenen Autoren Amorelie-Gründerin Lea-Sophie Cramer, Investor Christoph Gerlinger von der German Startups Group und Alex von Frankenberg, Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds, genannt.
Ich distanziere mich von dem Positionspapier. Ich habe es leider versäumt es vor der Veröffentlichung zu überprüfen. Das bedaure ich. Leider ist die Arbeit der Mitglieder des Beirats, die alle ehrenamtlich arbeiten, durch diese Einzelmeinung beschädigt. Das ist sehr schade. pic.twitter.com/riCKuWB1qq
— Miriam Wohlfarth (@WohlfarthMiriam) July 13, 2021
Wirtschaftsminister Peter Altmeier, der vom Beirat Junge Digitale Wirtschaft beraten wird, distanzierte sich kürzlich von dem Papier. Das Bundeswirtschaftsministerium teile die Vorschläge nicht. Auch der Vorsitzende des Beirates habe sich mittlerweile von den Inhalten distanziert. Möglicherweise werde es nun aber noch Konsequenzen für die Verantwortlichen geben. In dem Papier unterstellten die Autoren, es habe sich in der Presse ein „regelrechtes IPO- und New-Economy-Bashing verbreitet“. Das Positionspapier wird geradezu absurd, wenn auch eine „Verpflichtung der Presse zur Berichterstattung auch über kleine IPOs“ vorgeschlagen wird.
Parallel will man wiederum den Start-ups die Verantwortung nehmen. Etwa wird nassforsch angeraten, doch die Haftungsverpflichtung für zukunftsgerichtete Aussagen von Emittenten und Emissionsbanken zu reduzieren. Foren, in den Aktien und Start-ups diskutiert werden, sind den Gründern offenbar ebenfalls ein Dorn im Auge – da möchte man die Betreiber gerne zur Offenlegung von Klarnamen verpflichten. Auch die „Einführung einer Haftung von Bloggern für Falschbehauptungen und Beleidigungen“ wird vorgeschlagen.
Pressefreiheit ist ein herausragendes Grundrecht, dessen Schutz wir verpflichtet sind. Das Positionspapier des Beirates junge digitale Wirtschaft, war mir ebensowenig bekannt wie seine Veröffentlichung auf der Homegage. Ich habe soeben die umgehende Entfernung angeordnet. https://t.co/8Uh5isD50C
— Peter Altmaier (@peteraltmaier) July 12, 2021
Ich kann da nur selbst als Autor sagen, dass die Forderungen völliger Humbug sind. Beispielsweise trudeln hier im Team täglich Hunderte von Pressemitteilungen ein, aus denen wir selektieren müssen. Gerne greifen wir auch mal neue Entwickler und Start-ups mit frischen Ideen auf. Klar muss man aber sagen, dass es da eben nicht immer nur Positives zu berichten gibt und es für junge Unternehmer oft zum guten Ton gehört wenig innovative Ideen mit Buzzwords hochzujazzen. Und solche Mitteilungen landen bei uns etwa direkt im digitalen Papierkorb, weil wir sie den Lesern nicht zumuten wollen, wenn der Kern kalter Kaffee ist.
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Welchen Einfluß hat die Lobbygruppe bloß? Hoffentlich ist Altmaier demnächst mit denen zusammen Geschichte. Mir wird ganz schwindelig, wenn man sieht, wie die CDU jetzt geschickter agiert.
Laschet implementiert eine christlich-fundamentalistische Gruppe im Rundfunkrat, Maßen fordert eine Gesinnungsprüfung für Journalisten und hier die Forderung nach Disziplinierung der Presse.
Dagegen war Strauß mit seiner Spiegelaffäre regelrecht plump.
Schön das herauskommt welches Gedankengut in der deutschen Gründerszene so vorhanden ist. Die vielen Hinweise und Entschuldigungen der verschiedenen Beiratsmitglieder machen es aber nicht unbedingt besser. Auch wenn es sich angeblich „nur“ um ein Arbeitspapier handelt, das veröffentlicht wurde, sowas geht gar nicht und die Verfasser haben damit der deutschen Gründerszene einen Bärendienst erwiesen.
Wenn wir mal ehrlich sind, muss da was passieren. Medien haben kaum Konsequenzen zu fürchten, wenn sie lügen, bestimmte Dinge pushen usw.
die Medienwelt hat gefühlt null Verantwortungsbewusstsein mehr.
Wissentlich Unwahrheiten zu verbreiten ist allerdings ein ganz anderes Blatt als die armen kleinen Startups nicht genug zu erwähnen. Komischerweise klingt deren Forderung so ein bisschen wie von Leuten, die gerne irgendwas von „Staatsmedien“ schwadronieren.
Aber staatliche Eingriffe in die Presse- und Kunstfreiheit zu fordern ist m.E. der falsche Weg. Das Thema „lügen und bestimmte Dinge pushen“ sollte die Medienwirtschaft unter sich ausmachen. Da haben irgendwelche Interessensverbände nicht das Recht irgendwelche Forderungen auf Einfluss zu stellen. Zurecht bezeichnet der Deutsche Journalistenverband eine Forderung nach „Disziplinierung der Presse“ und zur „Verpflichtung zur Berichterstattung“ als absurd.
So ungern ich das tue, aber man muss da schon unterscheiden. Von all den Jungunternehmern, die mir bekannt sind, würde man so einen Mist nicht hören.
Das aber ausgerechnet diejenige mit dabei ist, die Ihren eigenen Laden (Amorelie) nicht in den Griff bekommt, verwundert da überhaupt nicht mehr. Aber das Presse bashing ist ja neuerdings der gute Ton, das lenkt eben hinreichend von den eigenen Fehlern ab.
Ich für meinen Teil habe genug von diesen gehypten Start-Ups, die meinen, weil sie irgendwelche Investoren überzeugt haben, jetzt der Nabel der Welt zu sein. Ich erinnere mich an eine erst kürzlich geführte Mail-Unterhaltung in der eine Lieferverzögerung von über drei Wochen mit der Ausstrahlung einer TV-Sendung begründet wurde. Den Gipfel der Unverschämtheit hatten wir dann damit erreicht, dass eine „Dienstreise“ der Inhaberin als weiterer Grund für eine erneute Lieferverzögerung angebracht wurde. Dienstreisen nach Kolumbien macht man halt erst, wenn man seinen Laden im Griff hat – oder wenn Dagmar Wöhrl sinnlos mit Geld um sich wirft… Ich kaufe meinen Zucker jetzt wieder woanders! 🙂
Naja, es gab schon immer solche und solche Medien. Man muss sich halt seine Informationen zur Meinungsbildung aus verschiedenen Quellen zusammentragen. Wer bspw. nur einer einzigen Quelle aus dem zahlreichen Medien wie Tageszeitungen, TV, Youtube-, Instagram-Kanälen etc. vertraut, der ist halt selbst schuld. Leider scheint sich aber eine breite Masse damit zu begnügen, was dann einzelnen Medien eine entsprechend einfach manipulierbare Fanbasis beschert.
Kein Presseartikel auf Erden ist absolut objektiv. Dafür ist unsere Sprache schlicht gar nicht geeignet. Deshalb muss halt jeder sein eigenes Köpfchen etwas anstrengen.
Hab’s mal hochgeladen: https://docdro.id/aziZNi8
Kritisiert wird natürlich auch Anlegerschutz und Finanztransaktionssteuer.
EIgentlich fällt mir zu dem Pamphlet nur der Satz „Ein Unternehmer ist ein Unternehmer weil er etwas unternimmt.“ ein. Die Verfasser jammern auf höchstem Niveau und beklagen im Prinzip ihre eigene Unfähigkeit. Daraus leiten sie ihre Forderungen an Staat und Gesellschaft ab. Wenn’s für den IPO nicht reicht, dann ist weder die Börse, noch die Politik und erst recht nicht die Medienwelt dafür verantwortlich. Da muss man als Gründer eben seinen Businessplan nochmal überdenken und vielleicht anpassen. Aber die Forderung nach einer „geschützten Blase“ bewirkt doch eher das Gegenteil von Vertrauensbildung in neue Unternehmensgründungen.
Ich empfehle tatsächlich die Lektüre der gesamten elf Seiten, ist ein Riesenspaß.
Kaum zu fassen, wieviele Grammatikfehler da auf mageren elf Seiten eines sogenannten Beirats des Wirtschaftsministeriums zusammengekommen sind.
Sehr vielsagend ist auch, dass durchgängig von VC die Rede ist – der deutsche Begriff Risikokapital wird durchgängig gemieden.