Bundesgesundheitsminister legt Digitalisierungsstrategie vor

Man darf gespannt schauen, was mit den Daten von Menschen in den nächsten Jahren noch so passiert. Mitunter hat man das Gefühl, als wären persönliche Daten bei einigen staatlichen Quellen weniger gut aufgehoben. Doch wir möchten keine Grundsatzdiskussion lostreten. Bundesgesundheitsminister Lauterbach legte heute die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung vor.

Bis Ende 2025 sollen demnach 80 Prozent der ePA-Nutzer, die in medikamentöser Behandlung sind, über eine digitale Medikationsübersicht verfügen. Und bis Ende 2026 sollen mindestens 300 Forschungsvorhaben mit Gesundheitsdaten durch das neue Forschungsdatenzentrum Gesundheit realisiert werden.

Vielleicht ganz spannend: assistierte Telemedizin soll insbesondere in unterversorgten Gebieten genutzt werden können.  Die elektronische Patientenakte, die bisher eher wenig bis gar nicht angenommen wird, soll tatsächlich Standard werden, wer nicht möchte, muss später gar aktiv widersprechen. Bislang ist aber unbekannt, wie das Ganze realisiert werden soll. Ebenfalls plant das Bundesgesundheitsministerium die verpflichtende Einführung für das E-Rezept im Jahr 2024. Da vermeldete man ja Anfang des Jahres einen Meilenstein, obwohl die technischen Hürden sicherlich noch vielen Menschen zu hoch ist.

Die Gesetzesvorhaben im Einzelnen:

Das Digitalgesetz

Bis Ende 2024 soll die elektronische Patientenakte für alle gesetzlich Versicherte eingerichtet werden (Opt-Out).

Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung und die Nutzung stark vereinfacht werden (E-Rezept kann dann sowohl mit Gesundheitskarte wie mit ePA-App eingelöst werden).

Ungewollte Wechselwirkungen von Arzneimitteln sollen vermieden werden, indem – in enger Verknüpfung mit dem E-Rezept – die ePA für jeden Versicherten mit einer vollständigen, weitestgehend automatisiert erstellten, digitalen Medikationsübersicht befüllt wird.

Die Gesellschaft für Telematik (gematik GmbH) wird zu einer Digitalagentur in 100 % Trägerschaft des Bundes weiterentwickelt und in ihrer Handlungsfähigkeit gestärkt.

Assistierte Telemedizin soll künftig in Apotheken oder Gesundheitskiosken angeboten werden können, insbesondere auch in unterversorgten Regionen.

Behandlungs-Programme (DMP) sollen um stärker digitalisierte Programme ergänzt werden.

Ein interdisziplinärer Ausschuss, der u.a. mit Vertretern von BfDI, BSI, Medizin und Ethik besetzt sein wird, soll künftig die Digitalagentur bei allen Entscheidungen mit Empfehlungen zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten. Dies ersetzt den bisherigen Prozess der Einvernehmensherstellung mit BSI und BfDI.

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17 Kommentare

  1. Mit der Patientenakte kommt es wie es immer kommt: Erst Opt-In, dann Opt-Out, dann Pflicht. … und der Opt-Out Bestand bekommt ein Sunset. Dem Unwillen in der Bevölkerung begegnet der Technokrat einfach mit klassischem outrage management. 😀

  2. Deutschland ist in Sachen Digitalisierung ein Entwicklungsland – das Gesundheitswesen ist das beste Beispiel dafür, z.b. e-Rezept, die Idee ist gut, die Umsetzung ein Witz. Wir haben elektronisch lesbare Ausweise, aber für die Beantragung des e-Rezept muss ich persönlich zu meiner Krankenkasse fahren, dort meinen Ausweis vorzeigen und bekomme dann die Pin fürs die e-Rezept App – was soll das.
    Genau an dem Punkt hab ich den Mist wieder vom Smartphone gelöscht.
    Ich befürchte, mit der e-Patientenakte wird es das selbe.

    Nächstes Beispiel: elektronische Krankschreibung: mein AG hat längst umgestellt und kann seit dem 1.1. die elektr. Krankschreibung bei den Krankenkassen abrufen – bei uns ist nicht mal das Medizinische Versorgungenszentrum ( wo ein Krankenhaus hinter steht ) in der Lage, die elektr. Krankschreibung auszustellen, die drucken weiterhin die alten Formulare in 3-facher Ausführung.

    • Na und du? Papier funktioniert auch ohne Strom. Das könnte in Zukunft ein gewaltiger Vorteil sein. Auf anderen Gebieten bauen wir doch unser Land gerade auf Mittelalterniveau zurück, wozu brauchen wir da noch eine ePA?

    • Das kommt daher, dass das ganze System TI, eAU usw. nur für kleine Arztpraxen konzipiert ist. Die Krankenhäuser, Kliniken und MVZ Praxen wurden „vergessen“. Die Technik funktioniert in grossen Einrichtungen nicht zuverlässig.

  3. Ich möchte als Patient weiterhin entscheiden können, ob ich meine Unterlagen in Papier erhalte , führe und archiviere z. B. Arztbriefe usw. oder ob ich das elektronisch mache und dem elektronischen Datenaustausch zustimme. Bislang bekomt den Arztbrief genau der Arzt zu sehen, dem ich ihn persönlich in die hand drücke. Da kenne ich den Weg den der Inhalt geht. Das ist für mich informationelle Selbstbestimmung. Nicht nur beim Arztbrief oder meinen sonstigen körperbezogenen Daten, aber besonders bei denen. Das sind die intimsten Daten die zu meinem Leben gehören. Die gehören, wenn ich das will, nur in meine Hand und die hand der Leute denen ich sie persönlich aushändige. Von daher: gern alles als _Möglichkeit_, aber nicht verpflichtend.

    • Alexander says:

      Die Technik der ePA hast du aber schon verstanden? Die Daten sind mit einem Key verschlüsselst, den nur du hast und alle Freigaben liegen in deiner Hand.
      Aber hey…erstmal meckern

      • Hallo Alexander, ich bin kein digitaler Native und damit habe ich keinen Durchblick. Das meine ich nicht ironisch, sondern ganz ernst: ich habe viele jahre in einem Beruf , mit anspruchsvollen Vorgängen eben auf papier gearbeitet und weiß wie man dort Sicherheit und kontrollierten zugriff erstellt, verwaltet und absichert. Das weiß und verstehe ich eben nur im dinglichen, nicht im digitalen Bereich . Mir sind dinge wie PGP o. ä. zwar bekannt, mir fehltaber der mathematisch-technische Hintergrund um das so zu begreifen daß ich diesen methoden vertrauen mag und kann. Und das geht sicher nicht nur mir so, und ich habe noch einen relativ guten Bildungsabschluß. wie sollen die Menschen das begreifen, durchdringen und dazu Vertrauen entwickeln, die vielleicht weniger z. B. auch nur mit dinglicher, also papierner Akten- und Vorgangsabwicklung vertraut sind und schon für eine einfache Steuererklärung einen externen Dienstleister benötigen? Es geht darum den menschen die sich diesen neuen Methoden nicht anvertrauen können oder wollen auch weiterhin eine Alternative im dinglichen, also nicht digitalen Bereich zu bieten und ihnen eine echte Wahlfreiheit zu lassen. Das ist m. E. ein gerechtfertigter anspruch. Und bedenke : viele menschen haben gerade in fortschreitendem Alter notgedrungen einen immer intensiveren Bedarf an medizinischer Versorgung und damit ist deren Bedarf , die vorgänge vielleicht in vertrauter papierner Weise zu belassen hier maßgebender als der Ruf nach „macht alles ausschließlich digital“. Ich sage nicht macht es nicht . Ich verlange nur Wahlfreiheit für mich als Patient.

        • Man kann ja auch einfach mal den Experten (IT, Jura, Kryptographie) vertrauen. Du verstehst sicher auch nicht, wie die Sicherheitssysteme in einem Auto, einem Flugzeug oder einem Aufzug funktionieren, dennoch benutzt du das alles.

        • Die Wahlfreiheit hast du doch, du kannst ja der Erstellung der elektronischen Patientenakte widersprechen.

  4. >> bei uns ist nicht mal das Medizinische Versorgungenszentrum ( wo ein Krankenhaus hinter steht ) in der Lage, die elektr. Krankschreibung auszustellen, die drucken weiterhin die alten Formulare in 3-facher Ausführung.

    Dass hinter einem MVZ ein Krankenhaus steht, ist kein Kriterium für die eAU. Trotz eAU werden in Arztpraxen oft die bisher üblichen Formulare ausgegeben. Für die gesetzl. Versicherten ist die Pflicht entfallen, die AU an die GKV und den AG weiterzuleiten. Für Privatversicherte gelten andere Regeln.

    Die Digitalisierungsstrategie des BMG wird leider eine Strategie bleiben. Das ist für viele Beteiligte viel zu viel Neuland. Leidtragende werden die Patienten sein. Schon jetzt leidet DE am Ärztemangel. Junge Ärztinnen und Ärzte werden es sich gut überlegen, eine analoge Praxis zu übernehmen und diese zu digitalisieren. So wird die Nachfolgeregelung unnötig schwerer. Ganz abgesehen von den Abläufen, die überall erst mal etabliert werden müssen und mit denen die Nutzenden dann auch zurechtkommen müssen. In DE kommt dann erschwerend die Haltung gegenüber allem, was irgendwie digitalisiert werden soll, hinzu. Ich denke da nur an den Datenschutz, der hierzulande als Digitalisierungsbremse eingesetzt wird.

    • >> Ich denke da nur an den Datenschutz, der hierzulande als Digitalisierungsbremse eingesetzt wird. <<
      Der Datenschutz ist bei persönlichen Gesundheitsdaten sogar extrem wichtig! Ich verstehe allerdings nicht, warum das eine Digitalisierungsbremse sein soll. Man muss es halt richtig umsetzen. Es gibt ja genug Digitalisierungsbeispiele, bei denen Funktion und Datenschutz im Einklang sind. Man muss es nur wollen.

      • >>Der Datenschutz ist bei persönlichen Gesundheitsdaten sogar extrem wichtig!

        Dann erklär das bitte mal dem Personal einer Arztpraxis, das einen Befund telefonisch durchgibt, den Patientennamen laut und deutlich nennt und nahezu alle in der Praxis Wartenden können zuhören. Schon im analogen Gesundheitswesen ist der Datenschutz nebensächlich…

        • Das sollte das Personal schon selbst wissen; zumindest in der Praxis, in der meine Freundin arbeitet, kommt so etwas nicht vor. In Praxen, die mehr als 20 MA haben, muss es auch Datenschutzbeauftragte geben, die darauf achten müssen. In einer Dorfpraxis spielt das Thema vermutlich keine Rolle.

  5. Bundesregierung und Digitalisierungsstrategie in einem Satz? Klingt eher nach einem running gag, als nach einem Plan etwas zu verbessern 😐

    • Zum „running gag“ werden solche Bestrebungen der Bundesregierung vorrangig dadurch, dass viele mehr oder weniger zweifelhafte Experten mitmischen wollen. „Viele Köche verderben den Brei!“, sagt man…

      Der Ausschnitt aus der PK zum Thema „Digitalisierungsstrategie“ hat mich aufhorchen lassen. Da wurde für die Forschung ein erleichterter Zugang zur elektronischen Patientenakte gefordert. Werden wir so alle zu Labormäusen, wenn wir das Opt-out nicht nutzen?

  6. Christian says:

    Wie wäre es mal mit Opt-Out bei Organspende? Das wäre mal ein echter Fortschritt…

  7. Whiskyfire says:

    Selbst beim E-Rezept ist die Datensicherheit nicht gegeben:
    Aus dem FAQ: „Die E-Rezepte werden von der Arztpraxis verschlüsselt an einen zentralen Dienst übertragen, dort verschlüsselt gespeichert und verarbeitet und wieder verschlüsselt von der Apotheke abgerufen…“

    Die Gematik „verarbeitet“ die Rezepte, dies passiert unverschlüsselt. Für mich gibt es keinen Grund, bei den Rezepten auf eine Ende-zu-Ende Verschlüsselung zu verzichten.

    Der CCC lehnt die Sicherheitsstruktur des E-Rezepted komplett ab: „„Das ist ein Sicherheitsniveau, wie wir es vor fünfzehn Jahren bei Kreditkarten hatten und das dort inzwischen sogar verboten wurde“, sagte Fabian „fluepke“ Luepke, ein Sicherheitsforscher des CCC.“

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