Bundesdruckerei: Gutachter bescheinigt dem Datenatlas Technik von vorgestern

Deutschland soll in der Verwaltung effizienter werden. Ein Baustein ist da der Datenatlas der Bundesdruckerei. Dieser soll Informationen dazu sammeln, welche Behörde bzw. welches Ministerium über welche Daten verfügt, damit diese nicht mehrfach erhoben, sondern passend abgerufen werden können. Man macht also Metainformationen zugänglich. Denn mal hat eben die eine Stelle Daten, mal die andere. Doch ein wissenschaftliches Gutachten stellt dem Datenatlas ein vernichtendes Zeugnis aus. Um nicht noch mehr Steuergeld zu verschwenden, solle das Projekt besser begraben und neu begonnen werden.

Die Bundesdruckerei beschreibt den Datenatlas selbst vollmundig als modern, digital souverän und auch KI-fähig. Das alles sei aber laut dem wissenschaftlichen Gutachten des Professors David Zellhöfer, der an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin zu digitalen Innovationen in der öffentlichen Verwaltung forscht und lehrt, nicht der Fall. Problematisch sei etwa, dass der Datenatlas der Bundesdruckerei auf proprietärer Software basiere, die sich nicht an übliche Standards halte. Deswegen sei der Atlas auch für die Einbindung von KI-Tools ungeeignet. Die Daten seien weder von verlässlicher Qualität noch maschinenlesbar. Teilweise bewege man sich hinter Standards aus dem Jahr 1986 (!).

Wegen der aus seiner Sicht eklatanten Mängel rät der Professor, das aktuelle Projekt schnellstmöglich komplett zu stoppen. Mindestens 2,3 Mio. Euro sind bereits in das Projekt geflossen, vielleicht sogar deutlich mehr. Die Bundesdruckerei will sich dazu nicht konkret äußern. Zynisch: Statt auf die Kritik einzugehen, zu reflektieren und sich neu zu ordnen, entscheidet man sich für eine andere Reaktion. Die Bundesdruckerei greift Professor Zellhöfer an, zieht seine Seriosität in Zweifel und droht sogar mit rechtlichen Schritten gegen den Wissenschaftler, welcher das Gutachten unentgeltlich durchgeführt hatte (via Netzpolitik).

Datenatlas richtet sich nur an die Bundesverwaltung

Um es klarzustellen: Der Datenatlas richtet sich nur an die Bundesverwaltung. Die Daten sind nicht öffentlich einsehbar. Etwa sind die Ressorts des Bundesfinanzministeriums, des Bundesinnenministeriums und mehr über das Intranet an den Atlas angebunden. Um Zellhöfers Kritik einmal zu verdeutlichen: Für moderne Such-Werkzeuge sind Operatoren wie „Und“, „Oder“ bzw. „Nicht“ gängig, um präzisere Ergebnisse zu erhalten. Auch „Wildcards“, das wären etwa Sternen- oder Fragezeichen-Symbole, sind seit Jahrzehnten gängig. Mit all dem kommt der Datenatlas nicht klar. Deswegen liege er laut dem Professor teilweise technisch sogar hinter Datenbanksystemen aus dem Jahr 1986.

Dazu mache man sich wegen der proprietären Software von einem externen IT-Dienstleister abhängig, den die Bundesdruckerei mit der Entwicklung beauftragt hatte. Verfügbare Open-Source-Lösungen, die technisch teilweise deutlich überlegen und auf Dauer vermutlich auch kostengünstiger seien, habe man ignoriert. Gewissermaßen baue die Bundesdruckerei hier ein Datensilo minderer Qualität. Problematisch sei etwa auch, dass die Metadaten-Felder frei ausfüllbar seien. Das könne es erschweren, Datensätze zu finden, wenn etwa Rechtschreibfehler vorkämen.

Zellhöfer bringt etwas Humor ein, indem er erklärt: „Wenn man es positiv sehen will, könnte der Datenatlas als Projekt eines Retro-Computing-Enthusiasten durchgehen“.

Transparenz: In diesem Artikel sind Partnerlinks enthalten. Durch einen Klick darauf ge­lan­gt ihr direkt zum Anbieter. Solltet ihr euch dort für einen Kauf entscheiden, erhalten wir ei­ne kleine Provision. Für euch ändert sich am Preis nichts. Partnerlinks haben keinerlei Einfluss auf unsere Berichterstattung.

Gefällt dir der Artikel? Dann teile ihn mit deinen Freunden.

Avatar-Foto

Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden.

Neueste Beiträge

Mit dem Absenden eines Kommentars stimmst du unserer Datenschutzerklärung und der Speicherung von dir angegebener, personenbezogener Daten zu.

8 Kommentare

  1. Deutschland wird auch noch ewig in der Digitalisierung hinterher hinken. Zum einen sind da die katastrophalen Datenschutzverordnungen und zum anderen der Bürger selbst.
    Es schreien alle nach Digitalisierung, aber wenn dann etwas mal digital werden soll bleibt man lieber bei alten Relikten. Siehe Bezahlung: „ich bleibe lieber bei meinem geliebten Bargeld, es soll ja niemand wissen wenn ich meine Millionen Schwarzgeld verschiebe“.
    Oder die Einführung der ePA. Und genau so wird es mit einem Datenatlas auch werden. Wir schicken halt weiter Faxe an die Behörden und beschweren uns dann weiter über fehlende Digitalisierung.

    • Jemand Anders says:

      Es geht beim Bargeld nicht darum, dass man Schwarzgeld rumschiebt, sondern für den Fall der Ausfälle von IT-Systemen. Schau gerade mal nach, was Cloudflare mal wieder für Probleme hat. Einführung des digitalen Euros? Gerne! Aber Abschaffung des Bargelds? Nein, danke!

      ePA hat ganz klare Probleme. Datenschutz alleine schon.

      Es geht bei aller Digitalisierungskritik also weniger um die Digitalisierung an sich, sondern die Umsetzung! Und auch hier im Artikel sieht man, dass genau das das Problem ist!

      Und bitte nicht mit „Rom wurde auch nicht an einem Tag erschaffen“. Natürlich nicht. Aber man kann Produkte vor der Veröffentlichung TESTEN und FERTIGSTELLEN…

      Wenigstens kann ich dir in dem Punkt zustimmen, dass Deutschland ewig hinterher hinken wird…

      • Mendaj Serdan says:

        Kurz und knackig auf den Punkt gebracht. Sehe ich genauso, danke!

      • Bargeld hilft dir bei einem großflächigen Ausfall fast genauso wenig wie eine Karte. Kein normaler Händler nimmt Bargeld ohne funktionierendes Kassensystem an – die, bei denen das System hat, mal ausgenommen, aber das sind kleine Läden. Du wirst mit Bargeld im Fall der Fälle bei Edeka und Co auch nicht einkaufen können, verlass dich drauf.

  2. Jemand Anders says:

    „Die Bundesdruckerei greift Professor Zellhöfer an, zieht seine Seriosität in Zweifel und droht sogar mit rechtlichen Schritten gegen den Wissenschaftler, welcher das Gutachten unentgeltlich durchgeführt hatte“

    Typisch …

  3. Vernichtend….
    Immerhin finde ich aber positiv, dass sowas öffentlich gemacht wird und nicht alles unter den Teppich gekehrt wird.
    Der erste Schritt zur Besserung ist ja häufig das Eingeständnis, dass es überhaupt Probleme gibt.

  4. Da fragt man sich doch echt, wie die Auswahl des Dienstleisters erfolgt ist…

    Klar stellt sich die Frage, ob OpenSource Software von 2021 bereits alles Vorteile geboten hätte. Aber maschinenlesbare Daten und simple Dinge wie Wildcards erwarte ich von jeder Software (auch proprietär) in dem Bereich.

Schreibe einen Kommentar zu Paul Antwort abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Es werden alle Kommentare moderiert. Lies auch bitte unsere Kommentarregeln:

Für eine offene Diskussion behalten wir uns vor, jeden Kommentar zu löschen, der nicht direkt auf das Thema abzielt oder nur den Zweck hat, Leser oder Autoren herabzuwürdigen. Wir möchten, dass respektvoll miteinander kommuniziert wird, so als ob die Diskussion mit real anwesenden Personen geführt wird. Dies machen wir für den Großteil unserer Leser, der sachlich und konstruktiv über ein Thema sprechen möchte - gerne auch mit Humor. In jedes Thema Politik einbringen ist nicht erwünscht. Es besteht kein Recht auf die Veröffentlichung eines Kommentars.

Du willst nichts verpassen?

Du hast die Möglichkeit, den Kommentar-Feed dieses Beitrags zu abonnieren. Wer natürlich alles lesen möchte, der sollte den Hauptfeed abonnieren.