„Kingdom Come Deliverance 2“ im Test: Das beste RPG seit „Baldur’s Gate 3“
Ich hatte zum neuen Open-World-RPG „Kingdom Come Deliverance 2“ bereits eine Preview veröffentlicht. Inzwischen ist das Embargo gefallen und ich darf meine finalen Eindrücke in einem Test mit euch teilen. Und was soll ich sagen: „KCD 2“ ist in allen Belangen besser als das erste Spiel und könnte für das Entwicklerstudio Warhorse zu einer Art „The Witcher 3: Wild Hunt“-Moment werden. Ich selbst bin von diesem Spiel jedenfalls restlos begeistert.
Die Handlung dreht sich erneut um Heinrich, der im mittelalterlichen Böhmen als Knappe dient und auf Rache für den Tod seiner Adoptiveltern sinnt, während er auch danach strebt, seinen leiblichen Vater, den adeligen Sir Radzig zu beeindrucken. Doch als die Auslieferung einer wichtigen Botschaft aufgrund eines Banditenüberfalls im Desaster endet, muss Heinrich erst einmal seiner Habseligkeiten beraubt wieder zu Kräften kommen. Schön wäre es, könnte er sich dabei auf seinen Freund Hans Capon verlassen, doch der aufstrebende Adelige ist so theatralisch wie wankelmütig, sodass Heinrich und damit der Spieler bald auf sich gestellt ist.
Dabei ist das Gameplay aus der Ego-Perspektive grundlegend Teil 1 sehr ähnlich. „Kingdom Come Deliverance 2“ ist allerdings in wirklich allen Punkten verfeinert worden. Etwa sind die Kämpfe deutlich überarbeitet worden und fühlen sich mit ihrem Spiel aus Parieren, Kontern und korrekt gewählten Angriffsflächen jetzt weniger chaotisch und mehr taktisch an. Am Anfang ist das System immer noch etwas sperrig, doch mit der Zeit habe ich mich so gut damit arrangiert, dass ich sogar 3–4 Gegner gleichzeitig noch bezwingen konnte – etwas, das mit im ersten Spiel niemals gelungen wäre.
- Erlebe die Ereignisse mit den Augen Heinrichs, eines jungen Mannes, der loszieht, um den Mord an seinen...
„Kingdom Come Deliverance 2“: Tolle Story, dreidimensionale Charaktere
Ein besonderer Höhepunkt ist aus meiner Sicht die Story des Spiels: Je weiter man fortschreitet, desto mehr Charaktere aus Teil 1 kehren zurück. Dabei ergibt sich ein wahres Netz von politischen und militärischen Intrigen. Freunde werden zu Feinden und man kann selbst durch eine Wendung vom Jäger zum Gejagten werden. Teilweise haben mich der dichte Plot und die raue Atmosphäre an „Game of Thrones“ in seinen besten Jahren erinnert. Fantasy-Elemente bleiben aber bei „Kingdom Come Deliverance 2“ weiterhin außen vor.
Dabei sind die Nebenaufgaben des Spiels übrigens teilweise nahtlos mit der Hauptgeschichte verzahnt, da ihr z. B. Schlüsselfiguren der Main-Story in den Quests näher kennenlernt. Qualitativ sind die Side-Missions im Grunde nicht von den Hauptaufgaben zu unterscheiden und toll gemacht. Immer wieder könnt ihr dabei auch Entscheidungen treffen, sodass eine Nebengeschichte ganz unterschiedlich ausgehen kann. Versucht ihr etwa einer alten Kräuterfrau und ihrer Adoptivtochter wieder den Weg in eine Dorfgemeinschaft zu ebnen? Oder bestraft ihr die verantwortlichen Dorfbewohner für ihre Verbannung, schließt damit aber auch eine Versöhnung aus?
Dabei können einige Aufgaben auch zwischendrin scheitern. Lasst ihr etwa einen Adeligen, der euch zum Vogt schickt, im Dorf zu lange warten, dann reitet dieser entnervt alleine weiter und ihr könnt seine Quest nicht mehr abschließen. Keine Angst, nur wenige Aufgaben haben aber ein derartiges Zeitlimit – wenn es eben zum Auftrag passt. Generell habt ihr ziemlich viel Zeit, euer eigenes Tempo zu fahren. In den ersten Spielstunden habe ich vor allem die ausladenden Wälder Böhmens erkundet, Kräuter gesammelt, so meinen Survival-Skill erhöht und ein bisschen Taschengeld verdient, damit ich mir ein wenig Kleidung leisten konnte.
Ein Rollenspiel mit Drama und Humor
Ähnlich wie in einem „Grand Theft Auto V“ kann es dabei auch immer wieder zu lustigen Situationen kommen, die zeigen, wie die Spielwelt auf euch reagiert. Eines Abends etwa, in den ersten Spielstunden, wollte ich mich in der Dunkelheit nicht mehr auf die gefährlichen Wege trauen und Heinrich war übermüdet. In der Taverne wollte man mich aber in meiner lumpigen und verdreckten Kleidung nicht unterkommen lassen. Somit entschied ich mich in einem Heubett zu nächtigen, das ich über einem Stall entdeckte. Für einige Stunden ging dies gut, bis mich um 4 Uhr morgens eine Magd bei ihren ersten Arbeiten entdeckte und direkt als Vagabunden den Wächtern melden wollte. Glücklicherweise hatte ich meinen Speech-Skill bereits deftig erhöht und konnte mich so herausreden und zumindest ein wenig erholt davonstehlen.
Generell erlaubt euch „Kingdom Come Deliverance 2“ auch ein gewisses Oldschool-Feeling zu genießen. Hier prangt nicht ständig ein Pfeil vor euch, der die Richtung weist oder Charaktere erzählen alle zwei Sekunden, wie man ein Rätsel löst oder die simpelsten Aufgaben meistert – „Dragon Age: The Veilguard“, da blicke ich in deine Richtung. Handholding gibt es hier fast gar nicht. Das macht Spaß, weil KCD 2 nicht unfair ist. Beispielsweise wollte ich einem betrunkenen Förster aushelfen, der von einem Wolfsrudel auf einen Baum gejagt wurde. Dieses konnte ich aber partout nicht bewältigen, weil meine Waffen und Rüstung noch so minderwertig gewesen sind, dass ich die Biester kaum verletzten konnte und mich zwei Bisse dahinrafften.
Später kehrte ich mit einem schärferen Schwert und einer schillernden Rüstung zurück, sodass die Wölfe kein Problem mehr darstellten. Dabei könnt ihr natürlich euren eigenen Stil finden und z. B. auch schleichen oder Fernkampfwaffen wie Bogen und Armbrust einsetzen. Die Kämpfe sind allerdings nur ein verhältnismäßig kleiner Teil von „Kingdom Come Deliverance 2“. Im Vordergrund stehen hier die Erkundung der Spielwelt, die Immersive-Sim-Elemente und die wirklich toll erzählte Geschichte.
- Erlebe die Ereignisse mit den Augen Heinrichs, eines jungen Mannes, der loszieht, um den Mord an seinen...
„Kingdom Come Deliverance 2“: Gute Grafik, grandioser Soundtrack
Dabei habe ich „Kingdom Come Deliverance 2“ an meinem Gaming-PC in höchsten Details gespielt. Obwohl mir noch eine Review-Fassung vorgelegen hat, die also noch nicht der finalen Version von Morgen entspricht, lief das Open-World-Spiel weitgehend bugfrei. Zweimal kam es vor, dass Gegner nicht zum Kampf aktiviert worden sind und sich ohne Gegenwehr beharken ließen – einmal musste ich deswegen einen Spielstand laden, weil ein Quest-Kampf vorgesehen war, mein Gegenüber aber auf Schläge nicht reagierte. Einen Crash erlebte ich ebenfalls – beim Schmieden. Das waren aber in meinen über 50 Stunden Zocken die Ausnahmen.
Richtig gelesen übrigens: Heinrich kann auch eigene Waffen schmieden, per Alchemie Tränke brauen und natürlich wieder Bücher lesen und so sein Wissen vergrößern. Generell steigern sich dabei seine Skills, wie damals in „The Elder Scrolls V: Skyrim“ durch die Anwendung. Wer also z. B. oft mit Schwertern kämpft, stärkt dort seine Fähigkeiten. Wer oft überbeladen durch die Gegend streift, trainiert seine Stärke und so weiter. Toll ist eben, dass man ein ständiges Fortschrittsgefühl hat. Zumal es wirklich Spaß macht, die Spielwelt zu erkunden und z. B. auch einfach mal nur eine verlassene Hütte zu durchkämmen. Manchmal stößt man auf diese Weise sogar auf neue Quests.
Grafisch ist „Kingdom Come Deliverance 2“, das weiterhin auf der Cry Engine basiert, zwischen Double- und Triple-A angesiedelt. Wie gesagt, sehen insbesondere die Wälder oft atemberaubend gut aus. Die Charaktere sind in Cutscenes sehr ausdrucksstark und filmreif inszeniert, im normalen Gameplay aber etwas hölzern animiert. Das Gesamtbild ist aber für mich persönlich sehr stimmig. Erstklassig ist dabei auch der Orchester-Soundtrack, der gerade die Zwischensequenzen wie aus einem Hollywood-Film wirken lässt.
Mein Fazit zu „Kingdom Come Deliverance 2“
Es ist ein wenig schwer, den Reiz von „Kingdom Come Delierance 2“ auf den Punkt zu bringen. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile und ein massives Open-World-Rollenspiel mit handgemachter Welt, das den Spieler ernst nimmt. Es ist wohl das erste RPG seit „Baldur’s Gate 3“, auf das ich mich im Testzeitraum regelmäßig schon während meiner Arbeitszeit gefreut und überlegt habe, was ich als Nächstes ausprobiere. Dabei ist der Titel zwar ein absoluter Zeitfresser, verschwendet eure Zeit aber nicht mit Grinding oder generischen Aufgaben. Alle Quests sind toll erzählt und oft eng mit der Hauptgeschichte verbunden.
Letzten Endes kann ich somit jedem Rollenspiel-Fan nur raten, in „KCD 2“ hereinzuschauen. Wer den Erstling bereits mochte, wird dieses Spiel absolut lieben, da es in allen Aspekten eine verfeinerte und erweiterte Version darstellt. Dieser Ausflug ins Mittelalter macht einfach puren Spaß und ich hoffe sehr, dass Warhorse den verdienten Erfolg erhalten wird.
- Erlebe die Ereignisse mit den Augen Heinrichs, eines jungen Mannes, der loszieht, um den Mord an seinen...
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Danke für Test. Das Spiel ist schon auf dem Postweg und Dank der Ausführungen freue ich mich noch mehr drauf. Was mich richtig ermutigt, sind die Ausführungen zu den Verbesserungen. Gerade die Kämpfe (realistisch oder nicht) waren in Teil 1 manchmal wirklich „too much“…
Ich hab bei den Kämpfen in Teil 1 meistens auch einfach auf gut Glück wild die Schlagrichtungen gewechselt und auf das Beste gehofft :-D. Aber in Teil 2 ist das wirklich deutlich besser gemacht – immer noch „eigenwillig“, aber wenn es selbst mir gelingt so mehrere Gegner auszuknocken, schafft das jeder halbwegs versierte Spieler.
Das Game ist schon auf meiner Liste. Es schaut einfach zu gut aus. Ich freu mich schon.