Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen Unionsrecht

Schon der Begriff  „Vorratsdatenspeicherung“ sorgt sicherlich nicht nur bei mir sofort für Augenrollen. Da freut mich persönlich, dass das umstrittene Gesetz nun eine Schlappe erleidet: Es verstößt nämlich gegen Unionsrecht. Das heißt, die Vorratsdatenspeicherung aus dem deutschen Telekommunikationsgesetzt ist in ihrer aktuellen Form nicht mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar. Zumindest kommt das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen zu diesem Urteil. Es dürfte aber zunächst nur ein Etappensieg sein.

Geklagt hate die SpaceNet AG, denn sie wollte den Verpflichtungen durch die Vorratsdatenspeicherung nicht nachkommen: Verkehrs- und Standortdaten sollen für jeweils zehn bzw. vier Wochen auf Vorrat gespeichert werden, damit die Behörden im Bedarfsfall Zugriff erhalten. SpaceNet AG hatte bei seiner Klage auch durch den Branchenverbnad eco Unterstützung erhalten. Gemeinsam wolle man zur Not bis zum Europäischen Gerichtshof durch die Instanzen gehen, um die Vorratsdatenspeicherung zu kippen. Dabei fiel bereits im Dezember 2016 ein ähnliches Urteil, das EU-Mitgliedsstaaten eine allgemeine Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung untersagte.

Zudem sei die Verwendung von Vorratsdaten ausschließlich zur Bekämpfung sehr schwerer Verbrechen legitim. Die Dauer der Speicherung sei zudem auf den notwendigsten Zeitraum zu begrenzen, um eine Massenüberwachung zu verhindern. Allerdings benötigt es noch eine weitere Grundsatzentscheidung und klare Regelungen. Denn gerade an der aktuellen Vorratsdatenspeicherung sind etliche Details rechtlich umstritten bzw. vage. Kritisiert wurde immer wieder die Verletzung von Bürgerrechten und der Eingriff in die Grundrechte von nicht nur Bürgern, sondern auch Unternehmen. Letztere sehen sich mit immensen technischen und finanziellen Herausforderungen konfrontiert.

Auf der Website des Oberverwaltungsgerichts heißt es übrigens zur Vorratsdatenspeicherung kritisch:
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„Die Speicherpflicht erfasse pauschal die Verkehrs- und Standortdaten nahezu alle Nutzer von Telefon- und Internetdiensten. Erforderlich seien aber nach Maßgabe des Gerichtshofs jedenfalls Regelungen, die den von der Speicherung betroffenen Personenkreis von vornherein auf Fälle beschränkten, bei denen ein zumindest mittelbarer Zusammenhang mit der durch das Gesetz bezweckten Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehe. Dies könne etwa durch personelle, zeitliche oder geographische Kriterien geschehen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs könne die anlasslose Speicherung von Daten insbesondere nicht dadurch kompensiert werden, dass die Behörden nur zum Zweck der Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren Zugang zu den gespeicherten Daten erhielten und strenge Maßnahmen zum Schutz der gespeicherten Daten vor Missbrauch ergriffen würden.“[/color-box]

Damit ist aber eben noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Bleibt zu hoffen, dass auch in weiteren Instanzen kritisch über die Vorratsdatenspeicherung geurteilt wird.

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden.

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7 Kommentare

  1. Gottseidank… müsste mehr Leute interessieren!

  2. Übrigens verbietet auch das deutsche Datenschutzgesetz die anlasslose Erhebung und Speicherung von Daten. Diese Grundregel haben sowohl das BVerfG als auch der EuGH in zahlreichen Urteilen mehrfach klargestellt.

    Das wollte man mit einer Quick-Freeze Regelung umgehen, die zumindest die Anlasslosigkeit umgangen hätte, indem man die Verkehrsdaten einer bestimmten Person / eines Personenkreises auf Antrag eingefroren hätte. Da die Provider diese Daten schon zu Rechnungs- und Controlling-Zwecken einige Tage aufbewahren, wäre das ein sauberer Weg gewesen. Allerdings war man bei der Bundesregierung so blöd und hat die Grenzen für einen Quick-Freeze so großzügig gesteckt, dass teilweise sogar einfache Ordnungswidrigkeiten abgedeckt wären, was wiederum geltenden Datenschutzgesetzen widerspricht.

    Im übrigen hat der Zugriff auf Verkehrsdaten des Providers bislang weder Straftaten verhindert, noch maßgeblich bei deren Aufklärung geholfen, auch wenn von einschlägig bekannten Politikern gerne das Gegenteil behauptet wird.
    Der Ermittlungsansatz ist auch völlig ziellos. Wenn du bspw. im Mobilfunknetz unterwegs bist, haben gerne mal mehrere tausend Leute dieselbe öffentliche IP-Adresse (Carrier-grade NAT). Wo willst du da beginnen? Die Information wäre sinnlos und datenschutzrechtlich wieder bedenklich, wie schon beim Thema „Rasterfandung“ bereits hinreichend dargelegt wurde.

    Beim aktuell wieder diskutierten „Bundestrojaner“ dasselbe.
    Davon abgesehen, das dessen Einsatz fragwürdig ist, da Ermittlungsbehörden zur Einschleusung der Software auf Sicherheitslücken angewiesen sind, was in mehrerer Hinsicht Interessenskonflikte mit sich bringt, hat man wieder einmal die Grenzen bewusst großzügig ausgestaltet, um nicht nur schwere Straftaten verfolgen, sondern auch „Kleinkriminelle“ behelligen zu können.

    Warum kann man nicht mal Profis an das Thema ranlassen?
    Ich halte es nicht für unmöglich, eine digitale Strafverfolgung, die ich für absolut unerlässlich halte, und den Datenschutz unter einen Hut zu bringen. Das kann man sicherlich nicht in zwei Sitzungsrunden durchboxen, aber es sollte doch möglich sein.

  3. @Micha: Deinen Optimismus, die Interessen der Strafverfolgung und des Datenschutzes ein Einklang bringen zu können, teile ich nicht. Das eine schließt das andere per se aus – mehr oder weniger. Gerade das deutsche Datenschutzrecht ist derart weitgehend, dass man sich unter dem Deckmantel des Datenschutzes recht viel erlauben kann, ohne befürchten zu müssen, dafür belangt zu werden.

  4. Es ist verdammt nochmal bezeichnend, dass die Vorstellung vom neuen 1+ handy 40 mal so viele Kommentare (und damit Aufmerksamkeit) bekommt, wie diese Meldung.

    Den ganzen „Ich-habe-ja-nichts-zu-verbergen“-Lemmingen fehlt wohl einfach die Fantasie, sich vorstellen zu können, was sie angesichts immer besser werdendem Profiling in Zukunft alles besser verborgen hätten, und seie es nur das ungesunde Frühstück, was nach der Installation einer Fittness-App und dem Posten besagter Mahlzeit auf FB den Krankenversicherungsbeitrag sprunghaft ansteigen lässt.
    Und das ist noch mit das harmloseste vorstellbare.

    Was nach Machtübernahme einer intoleranten / (offen) rassistischen Partei in DE (oder anderen europäischen Ländern) passiert, wenn sich anhand des Facebookprofils, der Metadaten eurer WA-Kommunikation oder den Standortdaten eures Smartphones feststellen lässt, dass ihr häufig auf linken Demos oder in irgendwelchen kommunistischen Treffs wart, die „falsche“ sexuelle Orientierung, die falschen Freunde oder den falschen Glauben habt, das überlasse ich eurer Fantasie.

  5. Es ist verdammt noch mal bezeichnend, dass alle bei der Vorratsdatenspeicherung rumheulen, nach der Unternehmen verpflichtet sind, ein paar Metadaten zu speichern.

    Gleichzeitig stört es aber keinen, dass Unternehmen – völlig ohne Pflicht dazu – tatsächlich sämtliche Daten speichern, auswerten und auf Anordnung an Gerichte und Behörden herausgeben.

    Vor Wut über die Vorratsdatenspeicherung erstmal einen Facebook Post und eine WhatsApp Nachricht schreiben. 😉

  6. @F: Ich glaube nicht, dass den Leuten die Fantasie fehlt, aber macht es tatsächlich Sinn, sich auszumalen, dass alles, was passieren kann, auch wirklich passiert? Ich denke nicht. Wenn man so durchs Leben geht, kann man sich auch gleich den Strick nehmen.

    @Joe: Solange die Herausgabe der Daten erst auf gerichtliche oder behördliche Anordnung erfolgt, habe ich damit überhaupt kein Problem.

  7. @F
    Wir haben bereits eine intolerante Regierung, die nur linke Meinungen toleriert.
    Insofern ist der Satz
    „dass ihr häufig auf linken Demos oder in irgendwelchen kommunistischen Treffs wart, die „falsche“ sexuelle Orientierung“
    auch mehr als lachhaft.

    Momentan wird von unserer Regierung ausschließlich jeder mit nicht-linker Meinung verfolgt oder dessen Facebookseiten gesperrt und jeder gebrandmarkt, der den Genderismus nicht unterstützen möchte.
    Daher wurde ja auch gerade eben still und heimlich die Totalüberwachung per Bundestrojaner im Parlament durchgewunken.

    @Chris
    „Solange die Herausgabe der Daten erst auf gerichtliche oder behördliche Anordnung erfolgt,“

    Ja nee, is klar. Dass die Richter genau wissen, von wem sie ihren Gehaltsscheck bekommen, ist aber schon klar? Siehe z.B. die Urteile zu GEZ-Zwangsgebühren oder IHK-Zwangsmitgliedschaft.

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