Online-Prüfungen: Gerichtsurteil macht biometrische Überwachung illegal
In der Corona-Krise mussten Schulen und Universitäten zeitweise schließen. Man behalf sich mit digitalen Seminaren und Online-Prüfungen. Dabei wurde vieles ohne Vorlauf aus dem Boden gestampft. Im Nachhinein ist davon aber einiges nicht ganz koscher gewesen. So setzten einige Universitäten etwa biometrische Überwachungsmaßnahmen ein, um Prüfungsabläufe zu kontrollieren. Ein Gerichtsurteil hat nun im Nachhinein derartige Raffinessen für illegal erklärt.
So hatte eine damals betroffene Studentin gegen die Universität Erfurt geklagt – und vor Gericht jetzt auch gewonnen. Die ostdeutsche Universität bediente sich des sogenannten Proctorings. Die Studenten mussten also im Rahmen von Prüfungen eine Webcam nutzen und teilweise ihre Zimmer abfilmen sowie der Gesichtserkennung zustimmen. Generell mussten die Studenten in der Corona-Krise je nach Hochschule und Art der Prüfung gar einem Überwachungssystem Zugriff auf ihren Computer gewähren. Schon damals löste das Proteste unter den Studentenschaften sowie bei den Landesdatenschutzbeauftragten aus.
Zurecht, wie das Thüringer Oberlandesgericht jetzt eben am Beispiel einer klagenden Studentin entschieden hat. Die Videoüberwachung sei nämlich rechtswidrig, wenn dabei auch biometrische Daten erfasst und verarbeitet werden. Das verstoße gegen die Datenschutzgrundverordnung (via Netzpolitik). Die Universität Erfurt hatte genau das getan und mit der Anwendung Wiseflow Überwachung per Gesichtserkennung durchgeführt. Wiseflow verarbeitete in der Tat biometrische Daten und leitete diese überdies auch noch an die Amazon Web Services als externen Dienstleister weiter. Diese Praxis sei rechtswidrig gewesen – die Studentin bekommt daher auch Schadensersatz zugesprochen.
Urteil könnte Signalwirkung haben – etwa für die Überwachung im Home-Office
Die betroffene Studentin erklärt, sie sei mit dem Urteil zufrieden. Schon damals habe sie sich gegen die Überwachung gesträubt, sie aber letzten Endes hinnehmen müssen, um mit dem Studium voranzukommen. Das Gerichtsurteil dürfte nun für zukünftige Szenarien eine Signalwirkung haben. So dürfte dies nämlich nicht nur für Online-Prüfungen eine Rolle spielen, sondern z. B. auch für die Fernüberwachung eines Home-Office-Arbeitsplatzes z. B.
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Sehr gutes und wichtiges Urteil.
Wenn man sich einer Prüfung unterzieht oder als Arbeitnehmer im Home-Office ist ja auch ohne diese in die privatsphäre einschneidenden maßnahmen ein strukturelles machtgefälle zuungunsten des prüflings oder Arbeitnehmers gegeben.
wie die Studentin ja auch ausführte , sie hat zähneknirschend der Überwachung zugestimmt um ihren Studienfortgang nicht zu gefährden.
Schlimm genug wenn Arbeitgeber sowas machen – aber das sind ja i. d. R. Unternehmer die Arbeitnehmerrechte oft nur als notwendiges übel betrachten.
eine Universität sollte auch ohne Gerichtsurteil mit der informationellen Selbstbestimmung ihrer Studenten sorgsamer umgehen.
Ich verstehe in diesem Post nicht die „besondere Bedeutung“ einer Uni vs AG. Datenschutz ist nicht dehnbar oder variabel. Respekt der Klägerin.
Macht die IU genau so. Hoffentlich wird das jetzt endlich enden.
verstehe an sich nicht wo das Problem ist. Ein Procturing ist mMn notwendiges Übel, wenn man es eben nicht automatisiert macht. Und Pass-Abgleich und Raum-Filmen – ja sind Datenschutzeingriffe, aber an sich dient es doch auch die Sicherheit und Qualität der Prüfung hoch zu halten.
Von dem Gesichtspunkt sehe ich den persönlichen Datenschutz wiederum als nicht hoch genug ein. Der Prüfling will ja was zu einer bestimmten Zeit die gesetzlich so geregelt war und es Wege darum geben musste. Egal ob nun Corona oder nicht, ist doch bei jeder KYC genauso >_>
Ich verstehe irgendwie nicht, warum immer mindestens einer gar nichts kapieren will?!
Regeln und Gesetze – hä? / vielfacher Datenschutzverstoß – hä? / Gerichtsurteil – hä?
Wegen genau solcher Unbelehrbaren passiert sowas dauernd.
Das Ganze zeigt, wie dringend
– Viele moralische Aufklärung + eine gehörige Portion Empathie Mitmenschen ggü.
– einige Institutionen überhaupt erstmal Kontrollorgane
– Landesdatenschutzbeauftragte mehr Befugnisse
benötigen!
Vollkommen richtig, dieses Urteil. Ihre Daten sind an Amazon verkauft und wer weiß, was die damit alles anstellen. Eigentlich ein absolutes Unding! Dann können wir ja direkt alle mit Fußfesseln rumlaufen, wenn es die Arbeitgeber so wollen.
Das Geheule möchte ich hören, wenn ohne eine Überwachungs-/Identifikationsmöglichkeit rauskommt, dass „beschissen“ wurde und jemand anderes die Prüfungen geschrieben hat als der/die Studierende. Dann dürfte man in der Uni die Studis ja auch nicht die ganze Zeit während Prüfungen beobachten, das wäre schliesslich ein Eingrif in die persönlichen Freiheiten. Eins1elf!!!! Und nein, ich bin nicht für die Totalüberwachung.
Die Reaktion wird sein, dass Prüfungen einfach IMMER vor Ort geschrieben werden müssen. Mir fällt nichts ein, wie man ohne permanente Kameraüberwachung bei einer Online-Prüfung schummeln verhindern will. Selbst mit Überwachung bleiben dabei noch Möglichkeiten offen.
Wie Du schon sagst, bei Prüfungen im Hörsaal wird man ja auch die ganze Zeit visuell überwacht…
Hallo Werner und einfach-nur-ich ,
im Hörsaal oder der Klasse ist es ein Mensch vor Ort, der den korekten prüfungsablauf überwacht.
M. e. dürfen aber prüfer oder Aufsichtspersonal während eines erlaubten toilettenganges nicht mit auf das WC.
Ähnlich sehe ich das mit den Privaträumen – eine Uni, eine Schule ist ein öffentliches Gebäude. Im öffentlichen Raum gelten immer andere Regeln als in der – grundgesetzlich geschützten – Privatsphäre der eigenen Wohnung.
Dem hat das Urteil Rechnung getragen, und wenn es dann eben nur noch präsenzprüfungen gibt, weil man Bedenken wegen Betrugsversuchen hat, ist das allemal besser als schleichend Eingriffe in die Privatsphäre und eine Aufweichung des Grundsatzes der Unverletzlichkeit der Wohnung zuzulassen.
Merke: Es muß nicht immer online sein !
Dann wäre es vielleicht mal angebracht das Prüfungsformat so zu ändern, dass es Denkaufgaben sind und nicht stumpes Auswendiglernen. Gibts ja in genügend Fächern auch so. Meine juristischen Prüfunfen waren fast allesamt Open-Book und ich wurde auch nicht ständig visuell überwacht. Und auf Toilette durfte ich auch alleine gehen. Vielleicht verabschiedet man sich einfach von den Multiple-Choice (Glücksgriff-„Prüfungen“) und prüft mal richtig das Wissen und die Anwendung. Dann ists auch mit dem Schummeln schnell vorbei.
Hallo Peter,
sehr guter Vorschlag.
Und „Multiple Choice“ ist nicht immer einfacher – ein großer Antwortenpool mit sehr ähnlichen Antworten führt da schnell mal zu einem falschen Kreuzchen.
MC dient vor allem den Prüfern und Auswertern – Schablone drauf, gucken, auszählen, „bewerten“.