Chatkontrolle: Dänemark setzt sie ganz oben auf die EU-Agenda

Die sogenannte Chatkontrolle ist, ähnlich der Vorratsdatenspeicherung, so ein leidiges Thema, das nicht totzukriegen ist. Befürworter argumentieren, die Maßnahmen könnten helfen, Verbrechen aufzuklären bzw. gar zu verhindern, Kritikern sehen nur einen bescheidenen Nutzen, aber dafür eine drohende, anlasslose Massenüberwachung. Dänemark, das aktuell die Ratspräsidentschaft in der EU innehat, will die Chatkontrolle nun erneut durchdrücken.

Dabei hat man nichts an den Punkten geändert, die bisher eine Zustimmung von Ländern wie Deutschland verhindert hatten. Stattdessen hofft Dänemark, dass sich schlichtweg in der Politik etwas geändert haben könnte. Damit könnte man bedauerlicherweise gar nicht so falsch liegen, denn der Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) könnte offen sein.  Ziel ist es, dass Internet-Plattformen Nutzerinhalte verpflichtend auf Straftaten durchforsten und bei Verdacht an die Behörden weiterleiten müssten. Das wäre de facto eine Massenüberwachung und würde auch der Verschlüsselung im Grunde einen Riegel vorschieben (via Netzpolitik).

Dänemark setzt sich dabei immer wieder für die verpflichtende Chatkontrolle und das oben beschriebene Client-Side-Scanning ein. Deswegen will man am 14. Oktober 2025 erneut versuchen, einen entsprechenden Gesetzesentwurf durch die Justiz- und Innenminister in der EU absegnen zu lassen. Zuvor hatten andere Ratspräsidenten vorgeschlagen, die Chatkontrolle freiwillig zu machen und zumindest verschlüsselte Kommunikation auszunehmen. Diese Kompromisse hat Dänemark schnell wieder gestrichen.

Befürworter der Chatkontrolle sind in der EU unter anderem Rumänien, Spanien und Ungarn. Auch Frankreich gibt inzwischen den Daumen nach oben. Abgelehnt wird das Ganze immer noch von unter anderem Luxemburg, den Niederlanden, Polen, Österreich und Tschechien. Andere Staaten wie Schweden, Finnland, Lettland und die Slowakei sind noch unentschlossen. Auch Deutschland ordnet, nach Ablehnung in der Vergangenheit, unter Dobrindt gerade seine Position neu.

Sollte Deutschland zustimmen, dürfte die Chatkontrolle mit Client-Side-Scanning in der EU kommen. Allerdings dürften Klagen dagegen rasch folgen und die Wahrscheinlichkeit wäre hoch, dass sie gerichtlich wieder gekippt wird. Juristen und Wissenschaftler haben vor einer Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen gewarnt. Die EU-Kommission konnte bisher nicht belegen, dass die Überwachung tatsächlich, gemessen an den Einschränkungen der Bürgerrechte, verhältnismäßig wäre.

Der 14. Oktober 2025 wird jedenfalls ein durchaus wichtiger Tag, den man sich im Kalender anstreichen sollte. Ich bin gespannt, was an jenem Datum entschieden wird.

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49 Kommentare

  1. Dirk der allerechte says:

    Der Totalitarismus bahnt sich seinen Weg, diese EU muss sterben damit Europa leben kann

  2. Die FDP fehlt!
    Justizminister Buschmann hatte beim letzten Anlauf die Chatkontrolle noch verhindert.
    Mit der CSU habe ich schlimmste Befürchtungen!

  3. das muss ja eine justiziable Grundlage haben müssen, sprich eine richterliche Anordnung ansonsten wird das ja nicht verwertbar sein bzw. gibts ja auch noch ein Grundgesetz das den Bürger gegen eine Totalüberwachung schütz. Da ist glaube ich wieder mehr Polemik drin als Fakten.

    • Da hast du recht. Es ist halt nur einfacher das permanent auf alle abzuwälzen statt bei verdacht erst einen Richter um Erlaubnis für diese Person Fragen zu müssen, so wie es sein sollte. Ich bin da absolut dagegen. Vor allem würde es mich nicht wundern wenn es dann wieder ausnahmen für Amtspersonen gibt bei denen das nicht gemacht werden darf. Das macht das ganze dann wieder unglaubwürdig.

    • Welcher Artikel genau im GG schützt gegen Totalüberwachung?
      das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung hat das BVerfG aus dem GG abgeleitet. Und es ist absolut nicht glasklar und unumstritten, wo die Grenzen zu ziehen sind, vor allem gegenüber dem Staat.

      • Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die EU-Grundrechtecharta sowie jüngere Gesetzesinitiativen wie der AI Act

      • Das Grundgesetz regelt nur zwischen Bürger und Staat, wen den sonst? Abgesehen davon gab es damals nur staatliche Post und Telekommunikation.

    • Wir sind nicht in den USA. Hier können auch illegal beschaffte Beweismittel je nach Situation verwendet werden. Und ein Richtervorbehalt ist kein nennenswerter Schutz. Das sehen wir zu Genüge in Deutschland.

      Vor allem aber ist eine solche verdachtsunabhängige Überwachung aller Bürger vollkommen indiskutabel für eine freiheitliche Gesellschaft.

  4. „ Ziel ist es, dass Internet-Plattformen Nutzerinhalte verpflichtend auf Straftaten durchforsten und bei Verdacht an die Behörden weiterleiten müssten.“
    Überraschung! Das haben wir in D längst. Und am stärksten genutzt durch die Grünen. Die sind so geil auf Überwachung und staatliche Kontrolle, dass sie dafür keine europäische Lösung brauchen.

    • Kannst das belegen? Wird immer wieder diskutiert aber das da was durch ist wäre mir neu. Wenn dann geht so was doch nur mit Richterlichen Beschluss.

    • Es geht hier nicht um öffentliche Foren, Social Media etc. wo sowieso jeder mitlesen kann. Es geht um Signal, WhatsApp, Threema, iMessage. Da könntest Du in Zukunft nichts mehr reinschreiben, von dem Du nicht willst, dass es eine Behörde erfährt. Und wir wissen ja alle aus Erfahrung, wie schnell der Katalog von schwersten Straftaten ausgeweitet werden kann und was alles Terrorismus genannt werden kann.

    • hier geht es nicht um öffentliche posts, sondern private chats. wer die kommentarspalten mit strafrechtlich relevanten äußerungen vollspamt, hat es halt auch nicht anders verdient.

      • Dummkopf ist nur in D strafrechtlich relevant. Sogar das retweeten ist ein Straftatbestand. Harbeck, Bearbock & Co. haben das hundertfach genutzt und strafrechtlich verfolgen lassen. Hast du in den letzten Jahren unter einem Stein verbracht?

    • kannst du ein paar Beispiele nennen wo das so ist ?

    • Wo haben wir, dass auf den Geräten vom Betriebssystem verpflichtend und automatisiert Inhalte nach illegalem durchforstet werden?

      • Das haben wir ja dann demnächst, wenn sich Dänemark und die bei diesem Thema sehr aktiven NGOs durchsetzen können. Selbstverständlich kann man die privaten Chats dann auch auf „Majestätsbeleidigung“ hin durchsuchen und die Strafverfolgungsbehörden automatisch in Marsch setzen. Goldene Zeiten für sensible Politiker*Innen.

  5. Sehr schade für Dänemark. In der EU Brodelt es. Nach dem die Schweiz zur Digitalen Stasi 2.0 werden möchte und Proton und andere da abhauen wollen, finde ich das besorgniserregend

  6. Es ist doch gegen Terror und für die Kinder….
    /sic

  7. Ich zweifle da erheblich am Kosten -Nutzenfaktor.

  8. Die „Verordnung zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“, wie die Chatkontrolle im genauen Wortlaut genannt wird, ist ja leider vor allem ein Nerd-Thema. Und ja, es betrifft jeden Bürger. Aber ich meine damit, dass sich vor allem technisch versierte Bürger mit diesem Thema auseinandersetzen und die Tragweite recht schnell begreifen können. Das macht den Einsatz gegen dieses Thema recht sperrig. Vor allem, wenn man in den Raum stellt, dass man als Befürworter etwas gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern tut, andernfalls aber für sexuellen Missbrauch sei.

    Persönlich halte ich eine Umsetzung dieses Gesetzesentwurfs für sehr bedenklich:

    1. Eine solche Überwachung halte ich für unverhältnismäßig. Vor allem, da die Hürden für eine Umgehung niedrig sind, dafür aber per se alle Bürger überwacht werden. Und das verdachtsunabhängig.
    2. Aktuell wird die Moralkeule „wir tun etwas gegen den Missbrauch von Kindern“ geschwungen. Sobald die technische Infrastruktur da ist, wird sie aber mehr und mehr auch von anderen Stellen genutzt. Und das ist keine Spekulation, das war in der Vergangenheit immer so. Und EU-Stellen haben bereits ihr Interesse bekundet.
    3. Was ist denn mit „speziellen“ Rechten, wie z.B. die eines Rechtsanwalts in der Kommunikation mit seinem Klienten? Werden solche Informationen vorher gefiltert? Und wenn ja, wie geht das technisch? Wäre das Ausnahmesystem nicht ein technisch-bürokratisches Monster?
    4. Das Client-Side-Scanning umgeht die E2EE aller betroffenen Systeme. Das kommt quasi einer Wirkungslosigkeit von Verschlüsselung gleich. Was ist mit besonders schützenswerten Daten, Wirtschaftsdaten und ähnlichem? Und wie wirkt sich das auf den Wirtschafts-Standort EU aus, wenn quasi die Privatsphäre systematisch ausgehebelt wird?

    Wenn das durchgeht, sehe ich alle Security-relevanten Dienste auf shady Inseln ziehen und wir installieren uns apk. Das macht die Welt auch nicht sicherer.

    • Zu deinem Punkt 3: Da gehst eben los. Datenschutz generell ade oder wer ist davon ausgenommen? Das wird ein Bürokratisches Monster und die Politiker die so was befürworten werden die ersten sein die nach einer Ausnahme schreien.

  9. Dank Southpark wissen wir dass schon sehr lange. 🙂

  10. Ich wäre dafür, wenn im Gegenzug sämtliche Kommunikation der Politiker gespeichert wäre und dritte ebenfalls Zugriff darauf bekommen um solche Dinge wie die Masekndeals etc. aufzuklären.

    Bin dann gespannt, wie viele Politiker dann noch dafür sind.

  11. Wie ich bei @Tandeki schrieb werden das die ersten sein die nach einer Ausnahme schreien.
    Wenn dann für alle, aber das darf nicht passieren.

  12. Gesetze als Waffen, Dauerüberwachung der Bürger. So sieht es aus, wenn Staaten in den Faschismus abgleiten. Und die Bürger tun … nichts. China reicht nicht als Warnung, die USA reichen nicht und die Geschichte ist sowieso vergessen. Bitter.

  13. Man darf allerdings nicht vergessen, bei dem Beschluss den Dänemark hier erreichen will geht es erst einmal nur um das Mandat der Mitgliedsstaaten für den Trilog mit Kommission und Parlament. Dieses muss dann einen Kompromiss erarbeiten dem dann Parlament und Mitgliedsstaat zustimmen müssen.

    Wenn die Mitgliedsstaaten ihre Position beschlossen haben, dann steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass diese Regelung kommt. Und daher sollte jeder auch mal seinen Europa-Abgeordneten raussuchen und hier schon einmal die Kontaktdaten speichern, damit man von unserer Seite Druck auf das Problem machen kann. Dies geht am Besten durch echte Briefe, Telefonate und das direkte Ansprechen auf Veranstaltungen vor Ort. Wichtig ist, dass die Abgeordneten die Kritik mit nach Brüssel nehmen und Argumente an die Hand bekommen.

  14. Und Politiker wundern sich, dass das Vertrauen der Bürger in die Politik so gering ist wie nie—mit den entsprechenden Konsequenzen an der Wahlurne..

  15. https://www.youtube.com/watch?v=Ndk0nfppc_k

    Reportage von STRG_F

    Wenn man das im Video sieht, ist alles eine nur Ausrede der Politik zur Überwachung. Wenn man wirklich etwas bewirken wollte könnte man das durch Löschen.

  16. Wenn man bedenkt, dass es in den 80ern bereits massivste Proteste gegen die Volkszählung gab, weil der Staat als viel zu übergriffig empfunden wurde, muss man jetzt schon fast festhalten, dass ich jegliche Hoffnung aufgebe, dass der Staat wieder auf seine Kernkompetenzen zurückgebracht wird.
    Hier wird doch jeder unter Generalverdacht gestellt. Ein Unding. Und ich höre jetzt schon wieder das Flöten von gewissen Personen „wo ist das Problem wenn man nichts zu verbergen hat“.

  17. Das ist so ein Quark. Es werden nicht mal Morddrohungen, Hass und Hetze in öffentlichen Foren bzw. Social Media geahndet.
    Und jetzt wollen sie an private Chats ran wo nicht mal der Nutzen klar ist.

  18. Wenn das kommt, bringt es gleich Null. Die Profis nutzen jetzt auch schon kein whatsapp und Co.

    ubd wenn es kommt das bitte auch für die Politiker. deren Immunität darf kein Vorwand sein um sie von der Kontrolle aus zu klammern

  19. So ein Vorgehen würde durch mehr Technik und Personal hohe Kosten bei den Messengeranbietern verursachen, die ja i. d. R. nicht nur kein Geld verlangen, sondern auch nichts durch Werbung verdienen (sehe keine bei den großen). Ob die sich dann aus der EU zurückziehen?

  20. Wir benötigen das genaue Gegenteil: ein Grundrecht auf digitale Privatsphäre. Und vielleicht Mechanismen, dass man nicht immer wieder irgendwas Schlechtes probieren kann und dann irgendwann einmal aus vielen Malen damit durch kommt und es sich festsetzt.
    Straftäter werden die Dienste nicht mehr nutzen und Alternativen finden. Wer unschuldig ist und es berechtigterweise umgeht, wird direkt unter Generalverdacht gestellt.

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