Anycubic Kobra S1 Combo im Test: Mehrfarb-Drucker mit Trockenfunktion

Der 3D-Druckmarkt ist ein wenig wie ein Haifischbecken. Kaum hat man sich an die flotten Geschwindigkeiten der neuesten Generation gewöhnt, da biegt schon der nächste Kandidat um die Ecke und will den Großen ans Leder. Anycubic, vielen sicher ein Begriff durch ihre Kobra-Serie von „Bettschubsern“, traute sich zuletzt mit dem Anycubic Kobra S1 Kombo (Affiliate) in ein neues Revier: geschlossene Core XY-Drucker mit Mehrfarbsystem. Ein Segment, das seit dem X1C ziemlich fest in der Hand von Bambu Lab war, auch wenn andere Unternehmen wie Creality mitgezogen sind.
Ist der Kobra S1 Combo nur ein weiterer „Me-too“-Drucker oder vielleicht eine echte Alternative mit eigenen, cleveren Kniffen? Bevor wir uns in die Details vergraben, werfen wir einen Blick auf das Datenblatt.
| Merkmal | Spezifikation | |
|---|---|---|
| Drucktechnologie | FDM (Fused Deposition Modeling) | |
| Bauweise | Core XY, Geschlossen | |
| Bauraum (L x B x H) | 250 x 250 x 250 mm | |
| Maximale Druckgeschwindigkeit | 600 mm/s | |
| Empfohlene Druckgeschwindigkeit | 300 mm/s | |
| Maximale Beschleunigung | 20.000 mm/s | |
| Maximale Düsentemperatur | 320 °C | |
| Maximale Heizbetttemperatur | 120 °C | |
| Extruder | Direct Drive, Dual Gear | |
| Düse (Standard / Unterstützt) | 0.4 mm / 0.2, 0.6, 0.8 mm | |
| Mehrfarbdruck | Ja, mit ACE Pro (4 Farben, erweiterbar auf 8) | |
| Filamenttrocknung | Ja, aktiv im ACE Pro (bis 55 °C) | |
| Unterstützte Filamente (Herstellerangabe) | PLA, PETG, TPU, ABS, ASA | |
| Nivellierung | Automatisch (LevIQ 3.0 + Z-Offset) | |
| Weitere Features | Resonanzkompensation, Flusskompensation (Pressure Advance), Kamera (720p nach FW-Update ), LED-Beleuchtung , Aktivkohlefilter , Filament-Sensor, Power-Loss-Resume | |
| Bedienung | 4.3 Zoll Touchscreen (kapazitiv, neigbar) | |
| Konnektivität | WiFi, USB | |
| Software | Anycubic Slicer Next, Anycubic App | |
| Geräuschpegel (Herstellerangabe) | ca. 44 dB (Leise-Modus), ca. 46 dB (Standard-Modus) | |
| Abmessungen Drucker (B x T x H) | ca. 400 x 410 x 490 mm | |
| Abmessungen ACE Pro (B x T x H) | ca. 366 x 283 x 235 mm | |
| Gewicht (Drucker / ACE Pro) | ca. 18 kg / 4.6 kg |
Aufbau und erster Eindruck
Der Kobra S1 Combo kommt gut verpackt an, im Karton findet sich neben dem Drucker selbst die ACE Pro Einheit, die für den Transport im Bauraum verstaut ist, sowie eine Box mit dem nötigen Zubehör: Werkzeug, eine kleine Filamentprobe, die üblichen Verdächtigen.

Anycubic wirbt mit einem Start in 15 Minuten. Nun ja, das ist sportlich. Realistisch betrachtet dauert es vielleicht einen Tick länger, aber der Aufbau ist tatsächlich keine Raketenwissenschaft. Hab das gemeinsam mit Sohnemann erledigt, dessen filigrane Hände passen hervorragend, um die kleinen Sicherungsschrauben an Druckbett und Co. zu lösen. Die Hauptarbeit besteht nämlich darin, die Transportsicherungen zu entfernen. Dann wird die ACE Pro Einheit oben auf den Drucker gesetzt. Kabel verbinden (Strom für die ACE Pro, Datenkabel zum Drucker) und die vier PTFE-Schläuche vom ACE Pro zum Filament-Puffer auf der Rückseite des Druckers führen und anschließen.

Nach dem Einschalten begrüßt einen der 4.3 Zoll große Touchscreen, der sich auch neigen lässt. Die erste Inbetriebnahme beinhaltet die automatische Kalibrierung. Der Drucker fährt sein Programm ab: Auto-Leveling mit dem LevIQ 3.0 System (arbeitet mit gerade einmal 25 Messpunkten – etwas wenig meiner Meinung nach), Z-Offset-Einstellung und die wichtige Resonanzkompensation für hohe Geschwindigkeiten. Dauert dann rund 10 Minuten. WLAN anmelden, kostenlose App optional installieren und das Gerät verknüpfen – alles Handgriffe, die man bereits von anderen Modellen kennt und auch abseits der 3D-Druck-Welt erledigt.

Die Verarbeitungsqualität macht einen soliden Eindruck, wenn auch nicht überragend. Der Rahmen besteht aus verschraubtem Stahlblech, nicht geschweißt wie bei manchen Industrie-Geräten, aber das ist in dieser Preisklasse normal. Was allerdings auffällt, sind die Tür und der Deckel aus getöntem Kunststoff. Das wirkt im Vergleich zu Glas bei meinem P1S oder dem Centauri etwas weniger wertig und zieht ordentlich Staub an. Funktional schließen sie aber gut und klappern nicht. Man muss abwägen, ob einem die Optik und Haptik hier wichtig sind oder die reine Funktion genügt.
Unter der Haube
Die Core XY-Architektur ist das Herzstück. Anycubic setzt hier auf Linearschienen für die X- und Y-Achse. Das wirkt auf den ersten Blick stabil, im Vergleich zu meinem P1S oder dem Centauri Carbon scheint die Umsetzung hier auf einem ähnlichen Niveau zu liegen, zumindest was die grundlegende Mechanik angeht.

Der Druckkopf ist modular aufgebaut, was Wartungsarbeiten erleichtern sollte. Er beherbergt einen Direct Drive Extruder mit Dual-Gear-Antrieb für zuverlässigen Filamenttransport. Das Hotend ist für Temperaturen bis zu 320 °C ausgelegt. Positiv ist der beworbene werkzeuglose Hotend-Wechsel , der im Alltag definitiv Zeit sparen kann. Klappt in der Tat auch genauso einfach, wie der Hersteller das angibt. Das musste ich nämlich herausfinden, als (und laut diverser Meldungen bei Reddit und Co. bin ich damit nicht alleine) der Drucker anfangs direkt mit Druckkopf-Fehlermeldungen ankam. Hier half es, das Hotend zu entfernen und neu einzusetzen, seitdem erhielt ich – zumindest dahingehend – keine weiteren Störungen mehr.

Das Fach für den Aktivkohlefilter
Das Druckbett heizt bis auf 120 °C, was für ABS und ASA wichtig ist. Die mitgelieferte Druckplatte ist eine flexible Federstahlplatte mit beidseitiger PEI-Beschichtung. Die Wärmeverteilung auf dem Bett scheint gemäß diverser Testdrucke recht gleichmäßig zu sein, und die Aufheizzeit ist mit weniger als einer Minute auf 60 °C oder rund zwei Minuten auf PLA-Temperatur absolut in Ordnung.
In einigen YouTube-Videos wird darüber berichtet, dass die passive Beheizung durch das Druckbett die Bauraumtemperatur nur auf etwa 41–45 °C bringt. Das ist für viele ABS/ASA-Drucke ausreichend, aber für sehr große oder anspruchsvolle Teile, die eine konstant hohe Umgebungstemperatur benötigen, könnte es knapp werden.
Die ACE Pro Einheit im Detail

Kommen wir zum spannendsten Teil des Kobra S1 Combo: der ACE Pro Einheit (Anycubic Color Engine Pro). Sie ist mehr als nur ein einfacher Materialwechsler. Standardmäßig nimmt sie vier Filamentrollen auf, lässt sich aber durch den Anschluss einer zweiten ACE Pro Einheit auf acht Farben erweitern. Alleinstellungsmerkmal hier ist die integrierte aktive Trocknungsfunktion. Das Gerät verfügt über ein Heizsystem mit bis zu 200 Watt Leistung und einen Lüfter, um die eingelegten Filamentspulen aktiv bei bis zu 55 °C zu trocknen. Das funktioniert nicht nur als separater Trocknungsvorgang, sondern auch während des Druckens. Anycubic liefert sogar voreingestellte Trocknungsprofile für verschiedene Filamenttypen mit.
Die ACE Pro verfügt über eine RFID-Erkennung, um Filamenttyp und -farbe automatisch zu erkennen. Das funktioniert zuverlässig mit Anycubic-eigenem Filament, angeblich sollen hier auch andere Hersteller funktionieren (u.a. eSun). Mit dem automatischen Filamenteinzug des ACE Pro bin ich noch nicht so ganz zufrieden. In unregelmäßigen Abständen erhalte ich beim Start eines neuen Drucks die Meldung, dass der Einzug des neuen Filaments nicht möglich ist. Schaut man dann nach, ist schnell zu erkennen, dass das vorher genutzte Filament auch noch gar nicht vernünftig aus dem Endstück des PTFE-Tubes gezogen wurde und somit auch gar kein Platz für neues Filament da ist. Dann hilft allerdings auch “schnell”, wenn man über die App oder den Slicer den Filamentauswurf noch einmal ansteuert, anschließend kann der neue Druck weitergehen.

Eine der Fehlermeldungen, wenn mal wieder Filament nicht korrekt entladen oder geladen werden kann…
Von der ACE Pro führen vier einzelne PTFE-Schläuche zu einem Hub, und erst von dort geht ein einzelner Schlauch zum Druckkopf. Das hilft bei der oben angesprochenen Fehlersuche. Anycubic wirbt auch mit einem Anti-Verwicklungs-Design und einer Erkennung von Verstopfungen, die den Druck dann unterbrechen soll. Hierzu kann ich aber aufgrund Fehlens entsprechender Probleme bisher nichts sagen.

Ein Filamentwechsel dauert beim Kobra S1 Combo mehr als zwei Minuten. Das ist merklich länger als beim Bambu Lab AMS, welches dies in unter 90 Sekunden schafft. Bei Drucken mit vielen Farbwechseln summiert sich das natürlich. Da ich meistens auf Drucke verzichte, die nicht mehrfarbig in Einzelteilen gedruckt werden können, und darum Druckelemente nacheinander (wenngleich je nach Slicer auch gern mal auf demselben Druckbett) drucken lasse, fällt der sogenannte “Poop” hier nicht ganz so massiv aus.
Benchys und erste Testdrucke sehen ordentlich aus, die Oberflächenqualität passt, hier kann ich den direkten Vergleich mit dem P1S locker geben. Anycubic braucht sich da definitiv nicht zu verstecken. ABS/ASA-Drucke gelingen bislang auch zuverlässig.
Und die Geschwindigkeit? Anycubic wirbt mit bis zu 600 mm/s. Das ist, wie so oft, ein Marketing-Wert. Realistische Druckgeschwindigkeiten, bei denen auch die Qualität noch stimmt, liegen eher im Bereich von 200–300 mm/s. Das ist immer noch verdammt schnell und auf Augenhöhe mit der Konkurrenz. Meiner einer regelt für einen sauberen Druck aber eher die Geschwindigkeit herunter, damit das Endergebnis dann noch besser aussieht.
Was ich nicht verstehen kann, ist, wie Anycubic auf die beworbenen 44 dB für die Arbeitslautstärke kommt. Hier im Test liegt diese eher zwischen 52 und 60 dB im Betrieb, was natürlich eine andere Hausnummer ist. Da ich abseits in einem eigenen Druckzimmer drucken lasse, stört es mich dann weniger. Bei Drucken über Nacht muss man aber vielleicht erst einmal schauen, ob das Geräusch dann nicht doch stört.
Software und Bedienung
Anycubic liefert den hauseigenen „Anycubic Slicer Next“ mit. Dieser basiert, wie viele andere Slicer heutzutage, auf dem Fundament von PrusaSlicer bzw. dessen Fork OrcaSlicer. Die Oberfläche wirkt modern, und die grundlegenden Funktionen sind vorhanden. Genau dafür reicht jener Slicer nach meinem Empfinden aber auch nur, ich nutze weiterhin lieber den Orca Slicer – allein schon aufgrund seines Funktionsumfangs und der reinen Gewohnheit. Auf dem Drucker selbst läuft „Kobra OS“, das auf Marlin basieren soll. Wer Wert auf ein Live-Bild aus dem Inneren während des Drucks legt, bekommt hier ein doch vernünftiges Bild geliefert, das nicht nur live, sondern auch gut ausgeleuchtet dargestellt wird – auch in der mobilen App.

Die Steuerung erfolgt entweder über den Slicer, die Anycubic Smartphone-App oder direkt am Gerät über den Touchscreen. Die App bietet Funktionen wie Fernsteuerung, Echtzeit-Monitoring und das Starten von Firmware-Updates. Integriert ist hier zudem Anycubics eigene Modellplattform „Makeronline“. Ehrlich gesagt, bin ich davon genauso wenig angetan wie von der Lösung aus dem Hause Creality. Stattdessen – und dort deutlich übersichtlicher und besser gepflegt – nutze ich ausschließlich Printables von Prusa oder die Makerworld von Bambu Lab, sofern ich nicht gezielt nach Modellen bei Cults3D oder dergleichen suche.
Mein Fazit
Auf der Haben-Seite steht ganz klar die ACE Pro-Einheit mit ihrer Kombination aus Mehrfarbdruck und aktiver Filamenttrocknung. Dazu kommt eine gute Druckqualität bei hohen Geschwindigkeiten, die automatische Kalibrierung und die Offenheit für alternative Slicer wie OrcaSlicer. Nicht zu vergessen der Preis: Gerade im Vergleich zum direkten Konkurrenten von Bambu Lab kann man hier beim Kobra S1 Combo schon den einen oder anderen Euro sparen.

Negativ? Die Haptik des Kunststoffgehäuses wirkt weniger wertig als bei manchen Mitbewerbern und könnte zu Wärmeverlusten bei Hochtemperaturdrucken führen. Die Zuverlässigkeit der ACE Pro-Einheit, insbesondere beim Filamenthandling, scheint noch nicht perfekt optimiert zu sein und sorgt hin und wieder für lästige Fehler.
Im direkten Vergleich zum Bambu Lab P1S Combo positioniert sich der Kobra S1 als preislich attraktivere Alternative mit dem Vorteil der Filamenttrocknung. Dafür muss man eventuell Abstriche bei der Haptik, der Software-Reife und der über Jahre gewachsenen Zuverlässigkeit und dem Ökosystem des Konkurrenten machen.
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Schon fast frech, wie sehr man sich hier an bambulab orientiert.
Vermutlich war beim test noch nicht das neue Firmware update drauf oder? und die Möglichkeit des draufspielen von Rinkhals wurde auch nicht einbezogen.
Anycubic ist gerade das beste Beispiel für einen Hersteller von 3D-Drucker, die keinerlei durchdachte Produktpolitik haben.
Gestern noch einen Test des Anycubic Kobra 3 Max gesehen, das hat man gewaltig den Eindruck, das an dem Kobra 3 Max, dem Kobra 3 und dem Kobra S1 – alle aus der selben Produktlinie – drei verschiedene Firmen entwickelt und gebaut haben so unterschiedliche sind.
Wenn Anycubic schlau wäre, würde die Bauteile wie Druckkopf usw. für alle Modell nutzen und noch alles unterschiedliche machen.
Anstatt eine bestehende Produkt weiter zu entwickeln, wird einfach mal das nächste Modell rausgehauen und den Kunden vor die Füße geworfen. Von solchen Firmen würde ich gar nichts mehr kaufen. Creality ist genau so ein Laden.
Meine Ansicht nach gibt es derzeit nur zwei Firmen im 3D-Druck Bereich, die eine gute Produktpolitik habem und ihre Modell weiter entwickeln – das ist zum einen BambuLab und vor allem Prusa.
Bambulab hat zwar gerade den H2D rausgebracht, aber der funktioniert auch mit dem ersten AMS vom X1/P1 oder die Düsen vom A1
Und die Produktpolitik von Prusa ist unschlagbar – kommt ein neues Modell, gibt es in der Regel einen Aufrüstsatz, um dem Vorgänger auf den neusten Stand zu bringen innerhalb der Modellserie. Zudem ist Prusa der einzige europäische Hersteller neben den ganzen China-Bastelbuden.
Prusa ist aber ein wenig wie Lego. Viel zu teuer und es mangelt an Innovationen oder selbst am Nachvollzug von Innovationen. Ganz ehrlich, das ist made in europa kaum wert. Ich selbst stand vor der Frage: ein preiswerter geschlossener Drucker mit simplen Materialwechsel, der einfach gut druckt, an dem ich nichts frickeln muss (was ich auch nicht werde). Da wurde es am Ende ein P1S mit AMS. Prusa wäre wohl fast doppelt so teuer, aber eben nicht doppelt so gut geworden. (Selber bauen kam nicht in Frage, da war ich nach einem Einsteiger-Modell von Anycubic inkl. Leveln via Ventillehre vor jedem Druck, kuriert.)
Zum Thema Prusa kommt hier demnächst auch der eine oder andere Bericht 🙂 Aktuell wird hier das Assembly Kit vom CORE One mit Sohnemann zusammengebaut und dann getestet. Schon jetzt ein ganz anderes Erlebnis als mit den ganzen China-Gerätschaften.