Googles unerwartetes Eingeständnis: Das Web steckt in der Krise

Stellt euch vor, euer Arzt sagt euch „Ihnen geht’s blendend, Sie sind topfit!“ Aber hinter eurem Rücken erzählt er seinen Kollegen: „Der Patient ist todkrank, ohne meine Behandlung bricht er sofort zusammen.“ Ziemlich seltsam, oder? Genau so ein Schauspiel liefert uns laut The Verge gerade Google.

In der Öffentlichkeit hören wir von den Google-Chefs seit Monaten nur Gutes. Das Web sei „aufblühend“, KI in der Suche bringe allen mehr Traffic und überhaupt laufe alles super. Man sei der beste Freund der kleinen und großen Publisher und sorge dafür, dass alle Klicks bekommen. Doch dann gibt es da noch die andere Story. Die, die nicht für uns, sondern für ein US-Gericht bestimmt war. In einem Kartellverfahren, bei dem es um die Zerschlagung von Googles mächtiger Werbesparte geht, klingt die Welt plötzlich ganz anders. Da heißt es auf einmal: Das „offene Web befindet sich in einem rapiden Niedergang“.

Die Strategie dahinter: „Ohne uns geht alles den Bach runter“

Google muss sich vor Gericht verteidigen. Die US-Regierung wirft dem Konzern vor, mit seiner Anzeigentechnologie den Wettbewerb zu ersticken. Googles Verteidigung lautet sinngemäß: „Der Markt für Online-Publisher ist ohnehin schon super fragil! Wenn ihr jetzt unsere Werbesparte zerlegt, dann reißt ihr das letzte Stützgerüst ein und alles bricht zusammen.“

Google nutze demnach die tatsächlichen Probleme vieler Webseiten-Betreiber, um sich selbst als unverzichtbaren Retter darzustellen. Eine Zerschlagung? Würde laut Google den „Verfall nur beschleunigen“. Für alle, die eine Webseite betreiben, dürfte die heimliche Krisen-Diagnose von Google viel näher an der Realität sein als das öffentliche Gerede vom „blühenden Web“. Seit den letzten großen Updates und der Einführung von KI-Antworten direkt in der Suche klagen unzählige Blogs, Magazine und Shops über massive Besuchereinbrüche. Der Traffic-Hahn, den Google kontrolliert, wird immer weiter zugedreht. Und genau das sei eben der Kern des Problems: Google gibt vor Gericht zu, was viele schon lange spüren. Gleichzeitig sind es aber oft Googles eigene Änderungen, die diese Krise befeuern.

Update: Wir haben ein Statement von Google erhalten.

Der Satz, auf dem „The Verge“ seinen Artikel aufbaut, ist eine herausgepickte Zeile, die unsere rechtliche Einreichung falsch darstellt. Aus dem vorhergehenden Satz geht klar hervor, dass wir uns auf „Open-Web-Displaywerbung“ und nicht auf das Open Web als Ganzes beziehen. Wir weisen auf das Offensichtliche hin: Die Investitionen in nicht-Open-Web-Displaywerbung wie Connected TV und Retail Media wachsen auf Kosten der Investitionen in Open-Web-Displaywerbung.

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Nordlicht, Ehemann und Vater. Technik-verliebt und lebt fürs Bloggen. Außerdem: Mail: benjamin@caschys.blog / Mastodon

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25 Kommentare

  1. Hans Günther says:

    LLMs werden irgendwann das Problem haben, dass es keine neue Daten mehr geben wird, auf deren Basis sie lernen können.
    Denn wenn der Traffic ausbleibt, wird auch weniger publiziert.
    Aber vielleicht spinnt sich die KI dann selbst was zusammen.

    Mir ist bei einigen KI generierten Suchergebnissen auch schon aufgefallen, dass da Kraut und Rüben vermischt werden…

    • Das Problem besteht in der Tat jetzt schon, und ja, man lässt die KI was zusammenspinnen und gibt das als Trainingsdaten wieder rein. Ist übliche Praxis.

    • Keine sorge, bevor es so weit kommt, gehen die LLMs an etwas viel schlimmeren zu Grunde: immer mehr Seiten werden genau von jenen Modellen mit – fragwürdem – Inhalt befeuert. Und wenn du LLMs mit dem Schwachsinn und den Hirngespinnsten fütterst, die sie sich selbst zusammengestümpert haben, geht die Qualität der Ergebnisse massiv in den Keller, und die ist jetzt schon nicht gut. Du kommst einfach nur in einen riesigen Bullshit-Feedback-Loop. Archivierte Inhalte, die garantiert aus der Zeit vor LLMs stammen, wirst du mindestens mit Gold aufwiegen können. Denn KI-Modelle, die mit ausreichender Sicherheit sagen können, welche Modelle KI-generiert sind – egal ob Texte, Bilder, Videos oder was auch immer, werden es nur immer schwerer haben, alleine darauf wird man sich nicht verlassen können.

      Und grundlegend andere Modelle wird man ja ohnehin brauchen werden. Erst kürzlich hat ja jemand nachgerechnet und festgestellt, um die Fehlerquote in aktuellen Modellen um nur eine Zehnerpotenz zu reduzieren müsstest du 22 Zehnerpotenzen mehr Energie investieren. Dass das nicht skalieren kann ist offensichtlich. Aber ich schätze für wesentlich bessere Modelle bräuchte man schon ein Konzept davon was richtig sein kann und was nicht. Alleine Wahrscheinlichleiten aneinander reihen ohne Sinn und Verstand produziert eben sehr viel Unsinn.

    • Was mir leider auch auffällt: Die Suchergebnisse werden immer dümmer. Es schient, also ob KI für KI optimiert.
      Ich kann mit vielen „Top-10“ Ergebnissen von Google schlichtweg nichts mehr anfangen, weil es nur noch Bullshit ist.

      Keine Ahnung, wohin sich das entwickelt. Aber positiv wird es wohl nicht mehr werden…

    • Das könnte sie und das gilt für Wissenschaftliches vielleicht sogar als positiv, aber was ist mit Meinungen, ehrlichen Rezensionen, anderen Eindrücken, Erlebnisberichten, was weiß ich… Gonzo Journalismus.

      KI ist aktuell mehr Schein als Sein, finde ich. Vieles kann sie gar nicht so gut, wie es immer scheint. Am Ende ist sie ein tolles Werkzeug und wird sich vielleicht sogar dahin entwickeln, dass sie fast alles kann, aber aktuell ist dem nicht so.

      Die Frage bleibt halt, ob wir als Gesellschaft echt nur noch KI-Generierte Inhalte wollen. Sowohl in Text, als auch in Audio oder Videoform. Denn das wird ja gerade proklamiert. Und dann hast du bei NEtflix und Co Inhalte, die auf gar nichts basieren außer Daten. Und selbst wenn die gut und unterhaltsam ist, solltest du dich als Menscheit schonmal fragen, ob es das ist, was uns glücklich macht und weiterbringt… aber naja… es wird sich ja doch wieder niemand fragen. Jedenfalls nicht im großen Rahmen.

    • André Westphal says:

      Ganz so einfach ist es halt auch wieder nicht: Der „normale“ Nutzer liefert dir z. B. mangels Zeit und Wissen z. B. keinen Fachartikel. Da kann sich die KI natürlich aus den Nutzer-Prompts irgendeinen Murks zusammenschustern, der dann aber wieder den Nutzeranfragen nichts bringt. Irgendeine „vernünftige“ Basis muss es also geben. Die entsteht aber nicht unbezahlt – so wie dir der Handwerker eben nicht gratis dein Dach deckt, schreibt dir etwa auch ein Naturwissenschaftler nicht kostenlos einen langen Fachartikel über spezielle Protein-Wechselwirkungen. Nutzer XY kann darüber zwar etwas zusammenschwadronieren, das wird kaum hilfreich sein.

      Ganz ohne „professionellen“ Content wird es also auch mit KI nicht gehen.

  2. Früher ™ gab es auch Blogs und spannende Inhalte und das alles noch lange bevor man damit angefangen hatte, werbebanner zu schalten.
    Und ja, wenn man davon lebt, DPA Meldungen abzutippen, dann hat man ein Problem denn man bietet keinen echten Mehrwert. Überspitzt gesagt.

    • Dachte ich auch dran. Die Blogs heute sind oft News Blogs mit etwas Meinung. Die Blogs damals waren echte Meinungen zu Situationen oder Artikel, die eher literarisch als journalistisch waren. Das hob sie ab und machte sie lesenwert. Gibt es ja jetzt wieder im „kleinen“ Web.

    • Dierck Ziegler says:

      Sehe ich auch so.Jeder, aber auch wirklich jeder Content ist werbeverseucht. Da lobe ich mir die AI Zusammenfassungen. Mit den Antworten waren wir bisher immer gut informiert. Sogar juristisch relevante Fragen wurden informativ und vor allem richtig beantwortet. Das Contentersteller jetzt das Muffensausen packt kann ich nachvollziehen, auf deren Werbeschleudern kann ich aber auch sehr gut verzichten.

  3. Ich suche schon lange Antworten zu 90% direkt bei ChatGPT, die ich früher Mühsam über eine Googlesuche und dem Lesen unzähliger Websites selbst zusammengetragen hätte. Heute prüfe ich nur noch die Quellen der KI oder Widersprüche – Google brauche ich dafür in der Regel nicht und die Websites steuere ich viel gezielter an. Das bedeutet natürlich für die Webseitenbetreiber weniger Besucher.

    Das hat Google erschreckt, denn es war für sie sofort als Einbrechen der Nutzerzahlen sichtbar. Der krampfhafte Versuch, das aufzuhalten, führte zu den unbeliebten KI-Antworten von Google selbst, die KI-Hasser hassen und KI-Nutzer unbrauchbar finden, weil man nicht nachhaken kann. Dann doch lieber gleich Perplexity. Viel bequemer.

    Und ob ich mich nun in Googles Suchergebnissen durch Fakenews, Werbelügen und unsinniger Forumsbeiträge durchwühle oder die Halluzinationen der KI prüfen muss – das Netz ist so oder so für Leichtgläubige problematisch.

    Mein Vorredner hat allerdings recht wenn er sagt, dass dadurch langfristig auch Inhalte wegbrechen, mit denen KIs geschult werden. Und noch schlimmer: der Anteil der KI-erzeugten Inhalte nimmt zu und die künftigen KIs nutzen die Halluzinationen ihrer Vorgänger als Quelle. KI vergiftet sich Schritt für Schritt selbst. Aber hey, wozu den Kopf zerbrechen, das kommt so oder so. So wie der Klimawandel. Früher oder tausende Jahre später ist der letzte Tropfen Öl verbrannt oder umgewandelt. Es ist eigentlich nur die Frage, ob es unsere Enkel oder unsere Ururenkel trifft. Das Ergebnis ist langfristig das Gleiche. Leider. Denn die Menschen werden immer mehr KI nutzen und sie werden nicht die restlichen fossilen Bodenschätze im Boden lassen. Nie und nimmer. Das Internet ist langfristig kaputt und unsere Welt auch.

    • Das ist pessimistisch, aber wohl war. Allein schon deshalb, weil auch Völker, Länder und selbst kleinste Gruppen unterschiedlich über all das denken. Die keinen sind auf Ultra-Kapitalismus getrimmt, die anderen Sozialstaaten, andere geben das vor und gehen doch in eine ganz andere Richtung. Aber sich KEINE Gedanken machen, war nie gut. Es braucht auch immer den denkenden Widerstand. Der Dinge verlangsamt, um Lösungen zu ermöglichen, die Zeit brauchen, oder schlichtweg den Gegenpol bietet.

      Die Welt geht unter, alles was wir tun ist egal, ist sehr nihilistisch und irgendwie ziellos.

      • Die Welt wurde nie „vom denkenden Widerstand“ gerettet, im Gegenteil. Diese Attitüde hat stets das Schlimmste hervorgebracht, was Menschen Menschen antun können. Sie die unausrottbare Idee des Sozialismus. Gerettet hat den Menschen ausschließlich und immer nur der technologische Fortschritt. Passt auch in einen Techblog.

        • Die Aufklärung, die Renaissance… „denkender Widerstand“ ist immer auch die Voraussetzung für technologischen Fortschritt. Und Technologie allein hat gesellschaftliche Probleme eigentlich nie in der Geschichte gelöst.

        • MeinNametutnichtszurSache says:

          Hm… Atombombe, die Industrielle Revolution, Monokultur, Massentierhaltung, Biowaffen… was wohl die Amish, Himba und Yanomami davon halten.

          • Alles Bestätigung des Fortschrittsprinzips. Alles andere sind Folgen davon bzw. wurden sie ausschließlich durch technischen Fortschritt möglich.

            • MeinNametutnichtszurSache says:

              Also Rettung der Menschheit durch Technologie, die die Menschheit erst in die Gefahr gebracht hat.

              • Nein, Rettung der Menschheit durch Technologie, die sich selbst immer wieder aus sich selbst heraus in Gefahr bringt.

                • MeinNametutnichtszurSache says:

                  Inwiefern müssen Amish, Himba und Yanomami durch Technologie gerettet werden? Inwiefern bringen sich die drei Genannten selber in Gefahr?

  4. Seit den AI Overviews von Google ist der Traffic um 60% eingebrochen. Google Ads kosten ordentlich Geld, bringen aber auch nichts mehr. Wozu noch Content produzieren für das Web, der dann von den KIs kopiert wird und nicht mehr der eigenen Reputation dient.

    Auf der anderen Seite waren die Suchergebnisse von Google zumeist nur noch mit SEO Spam voll, der einen auch nicht weitergebracht hat.

    Googles Zeiten sind einfach vorbei und das Web wandelt sich stetig. Da Google nun mal mit nichts anderem Geld verdient als mit Werbeanzeigen. Yahoo, Altavista und Mozilla haben heute auch keine Relevanz mehr.

  5. Dierck Ziegler says:

    Jeder, aber auch wirklich jeder Content ist werbeverseucht. Da lobe ich mir die AI Zusammenfassungen. Mit den Antworten waren wir bisher immer gut informiert. Sogar juristisch relevante Fragen wurden informativ und vor allem richtig beantwortet. Das Contentersteller jetzt das Muffensausen packt kann ich nachvollziehen, auf deren Werbeschleudern kann ich aber auch sehr gut verzichten.

    • André Westphal says:

      Das ist aber auch eine „interessante Logik: „Ich will die Inhalte, aber aus zweiter Hand – also kann man die aus erster Hand streichen!“ So funktioniert das nur leider nicht :-D. Wenns keinen Content aus erster Hand mehr gibt, kann dir die KI auch keine Zusammenfassung aus zweiter Hand mehr liefern. Zwangsläufig muss es also irgendeinen Mittelweg geben.

    • Sorry, aber wirklich niemand der jemals solche AI Zusammenfassungen ertragen musste wird dir den Unsinn glauben. Wirst du von Google bezahlt oder was? Es ist hinreichend oft bewiesen worden, dass die Zusammenfassungen sehr oft fehlerhaft sind bzw frei erfunden. Und du willst uns erzählen, dass bei dir alle korrekt und informativ gewesen sein sollen? Entweder lügst du wie gedruckt oder hast einfach nur blind geglaubt, was dir die AI erzählt hat und nicht gemerkt, dass das Unsinn ist.

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