Deutsches Gerichtsurteil könnte blinden Menschen wichtige Smartphone-Funktionen nehmen
Wir langweilen uns ja immer ein wenig, wenn wir über Patente und Patentstreitigkeiten lesen müssen. Teilweise sind Patente oder deren Funktionen auch ziemlich schwammig umschrieben oder für uns nicht auf den ersten Blick nachvollziehbar. Ein relativ abseits der großen Medien stattfindender Patentstreit zwischen Samsung und Apple könnte allerdings weitreichende Folgen für blinde Menschen oder solche mit starker Sehschwäche haben. Nach dem WHO-Report von 2004 leben in Deutschland 164.000 (0,2 %) blinde und 1.066.000 (1,3 %) sehbehinderte Menschen (Quelle: Wikipedia).
Viele dieser Menschen nutzen ein iPhone – ja, tatsächlich. Und warum? Weil Apple mit den Bedienungshilfen (insbesondere Voice Over) da definitiv eine der besten Lösungen im Smartphone-Bereich hat. Das VoiceOver-Bildschirmleseprogramm, das schon auf dem Mac sehr beliebt ist, ist auch als Standardfunktion im iPhone 5, iPhone 4S, iPhone 4 und iPhone 3GS enthalten. Es ist das erste Bildschirmleseprogramm weltweit, das sich durch Gesten steuern lässt. Das Smartphone liest dann immer vorab vor, wo ihr gerade klickt, inklusive Ordnername und Anzahl der enthaltenen Apps.
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Jenes VoiceOver-Bildschirmleseprogramm ist Bestandteil einer Patentklage von Samsung gegen Apple. Samsung versucht bei uns in Deutschland vor dem Landgericht Mannheim dessen Einsatz zu stoppen; hierbei geht es um die Art und Weise, wie VoiceOver auf dem iPhone aktiviert hat, Apple soll ein Patent an einem Audio Output Key verletzen. In Kurzform: ein Patent, welches beschreibt, dass ein Button gedrückt wird und Bildschirminhalt nebst Text angezeigt wird, der vorgelesen wird. Irre, oder? Mir wurde zugetragen, dass die Richter in Mannheim bereits Ende dieser Woche ein Urteil fällen wollen, nachdem die Klage bereits seit Ende November anhängig ist.
Ich habe mal ein bisschen gewühlt und Menschen befragt. In den meisten Fällen setzen blinde Menschen tatsächlich auf ein Apple iPhone und wenn man ein wenig bei Twitter stöbert, findet man bereits Unterhaltungen blinder Menschen, die sorgenvoll nach Deutschland blicken. Patente und Firmen hin oder her – sollte diese Klage von Samsung gegen Apple erfolgreich sein, die Funktion vielleicht sogar „verboten“ werden, dann könnte es im wahrsten Sinne des Wortes für Hunderttausende Menschen temporär zappenduster werden.
Und ich finde das – auch wenn ich nicht betroffen bin – richtig sch…… Wir lesen immer von runden Ecken und Co, aber hier geht es um Funktionen, die von vielen Menschen gebraucht wird. Irrsinn. Und ich wollte einfach, dass ihr auch einmal diese Seite der Patentklagen seht.
Ich weiß nicht wem das Patent gehört und was die machen, aber grundsätzlich wäre es schön wenn die Besitzer solcher Patente dann auch wenigstens gleichwertige Produkte veröffentlichen. In dem Fall eine iPhone App, damit die Technologie auch genutzt werden kann und nicht nur bei Patentanwälten in der Schublade liegen.
Hi Caschy,
sehr richtig, ich bin selbst blind und verwende das iPhone geschäftlich genau so wie Privat…Es macht vieles Möglich was davor nur mit Mehrkosten verbunden war, sei es früher Talks auf Nokiahandys oder sonstige Zusatzsoftware welche „Handy“ sprechen lies.
Für Androit gibt es zwar Talkback, was ähnlich wie VoiceOver funktioniert, allerdings bei weitem noch nicht so super wie VoiceOver mit dem Gerät und den Apps zusammenarbeitet. Sollte VoiceOver auf zukünftigen Applegeräten nichtmehr mit verwendet werden dürfen, wäre das ein harter Schlag ins Gesicht der Barrierefreiheit, welche es ermöglichen soll, dass behinderte Menschen sich mit in die Gesellschaft ohne Probleme Einbringen können.
> Und ich wollte einfach, dass ihr auch einmal diese Seite der Patentklagen seht.
Dann solltest du auch mal schreiben,ob Samsung diese Technik zum lizenzieen anbietet.
Es ist dreist das ihr „Journalisten“(Blogger und Journalisten ist ja heutzage das selbe) solche absoluten relevanten punkte komplett unterschlagt.
@Stefan: zum jetzigen Zeitpunkt liegen mir diesbezüglich keine Informationen vor, sonst hätte ich dieses erwähnt. Weitere Informationen bringt erst die Verhandlung Ende der Woche.
Danke, dass du das Thema aufgegriffen hast. Ich kenne auch jemanden, der das sehr gerne nutzt und mit einem iPhone sogar twittert. Anfangs konnte ich mir das gar nicht vorstellen, aber seitdem ich das gesehen habe, hat es mich schon sehr begeistert. Es wäre wirklich besch… wenn es so ein Urteil gibt.
Mir geht dieser Patent-Scheiss auch ordentlich auf den Sack. Aber wer ungefragt die Werke anderer nutzt, hat ein Problem.
Da ist erstmal völlig egal, welche Auswirkungen das für andere (in diesem Fall die blinden Nutzer) es hat. Klingt hart, ist aber so.
Und warum sollte es verboten werden? Vielleicht wird es ja auch lizensiert. Ist ne Frage der Verhandlung, denk ich mir.
Aber jetzt die „armen Blinden“ vorzuschieben, um einen Ideenklau kleinzureden, finde ich ne schwache Nummer.
Hallo, wie billig ist das. Apple verletzt Patente um dann zu sagen „aber das kommt ja den Blinden zugute“. Hätten sie es halt ordentlich lizensiert oder was Eigenes entwickelt. Es kann ja nicht sein, das jetzt die moralische Keule ausgepackt wird, um das zu rechtfertigen…
@Ulinator: wo rechtfertigt Apple etwas? ISt mein Blog. Und der Beitrag sähe identisch aus, wenn das Apple vs. Samsung oder vs. Nokia wäre.
@Caschy: OK, muss ich mich korrigieren, Apple rechtfertigt es nicht, Du sieht es meiner Meinung nach etwas einseitig. Und mein Post hätte auch genauso ausgesehen, wenn es sich nicht um Apple handeln würde:-)
Warum Samsung wohl vor Gericht geht? Man nennt es Gegenklage. Ob diese hier so erfolgt ist, oder eine selbstständige Klage ausmacht, kann da zurückstehen, denn jedenfalls geht es Samsung darum, Apple etwas entgegenzusetzen.
Und letzten Endes geht es um die Höhe von Lizenzgebühren, auch wenn davon derzeit niemand spricht. Wer von Anfang an den Kompromiss vertritt, der verhandelt schwach! Erstmal wird also die harte Linie gefahren, die „Verbot“ heißt, später dann einigt man sich – wenn Apple ausnahmsweise mal bereit ist, einzugestehen dass auch andere Firmen Entwicklungen haben und eine solche geklaute Entwicklung mit der „Patentierung“(=>Gebrauchsmusterschutz) von runden Ecken wenigstens gleichrangig, eher aber höherwertig einzustufen ist.
Cool down, beides Seiten! Die Firmen werden sich zwangsläufig einigen.
Ich halte die Geschichte hier nebenbei auch für ein Beispiel dafür, dass eben nicht alles und jedes patentier- und lizenzierbar sein kann. Eine Vorlesefunktion für Bildschirminhalte, die mittels Knopfdruck aktiviert werden kann, gehts noch? „Was eigenes entwickeln“, wie bitteschön soll das denn aussehen? Textinhalt wird vorgelesen. Auf Knopfdruck. Und das ist patentiert. Wer hier von „Ideenklau“ redet, hat meines Erachtens nach den Schuss nicht gehört.
Ich finde es gut, dass du darüber schreibst. Ist die Verhandlung öffentlich?
Ulinator schrieb:
> „Es kann ja nicht sein, das jetzt die moralische Keule
> ausgepackt wird, um das zu rechtfertigen…“
Ich finde viel eher, dass die moralische Keule viel zu selten ausgepackt wird.
Sie sollte standartmäßig in richterliche Entscheidungen, !! Welche das soziale Zusammenleben betreffen !!, einfließen.
@Nathan: muss ich passen, ist noch nichts auf der Webseite zu finden.
Ein Button drücken und es erscheint etwas mit Text auf dem Bildschirm? Das klingt mir doch sehr nach einem Trivialpatent. Bin gespantn wie das ausgeht.
„Scheinheiligkeit“ in solchen Fällen kann Apple Abschläge zahlen. Apple kann es sich leisten für diese Leistung zu bezahlen.
Was mich hier aber ein bisschen traurig macht, ist dieser Aufschrei. Wisst Ihr den nicht das manche lebenswichtige Medikamente wenige Cent in der Produktion kosten aber das Länder, in der diese dringend gebraucht werden, diese nicht selbst herstellen dürfen. Viele dieser Medikamenten lassen sich einfach herstellen aber die Pharmaindustrie hat es eben patentiert und die verlangen Preise die teilweise das 100fache des Monatsgehalts bedeuten. Jetzt schon sterben tausende Menschen diesbezüglich. Aber erst wenn es um Hightech geht kommt es zum Aufschrei. Traurig.
Firma X klagt gegen Apple’s Computer-Maus-Patent mit der Begründung, dass Milliarden Menschen dieses Steuerungsverfahren nutzen. […] Wozu lizensieren, es kommt doch allen zugute! Es sollte freigesprochen werden!
Wie viele schon sagen: Leider hast du hier eine ziemlich einseitige Sicht, wie sie u.a. in der Bild zu finden ist, dargelegt – schade. In Rechtsfragen sind und müssen nun mal Gefühle draußen bleiben…
David, es gibt *immer* Sachen, die noch schlimmer sind. Nach dieser Logik dürfte man kaum auf Missstände hinweisen, sich über etwas beschweren oder sich für eine bestimmte Sache einsetzen, weil, sagen wir mal, die Hungerkatastrophen dieser Welt viel schlimmer sind als jegliches soziale oder ökologische Problem, das wir hier in Deutschland haben.
Die meisten Menschen sind aber doch in der Lage, Informationen über eine Vielzahl von Themen zu verstehen und gegebenenfalls zu handeln. Man muss sich nicht eine bestimmte Sache aussuchen und alles andere ignorieren. Oder anders gesagt: Dadurch, das ich jetzt etwas über dieses Problem weiß und mich, wenn ich möchte, weiter informieren kann, wird keines der anderen Weltprobleme verschlimmert.
Und ich könnte mir vorstellen, dass dieses Thema für Menschen mit Sehbehinderungen äußerst relevant ist und ihnen echte Sorgen verursacht. Falls ihnen am Ende der Zugang zu Informationen und Dienste verlorenginge, die für (Normal-)Sehende ganz selbstverständlich sind, wäre es schon äußerst zynisch, ihnen zu sagen „Na, immerhin bekommst du Gesundheitsversorgung, einen Platz zu wohnen und etwas zu essen, also sei bitte dankbar und zufrieden.“
Also ich finde das nicht irrer als das Patentieren von runden Ecken, das Apple-Fans ja so verteidigt hatten. Klar ist das hier auch nicht schön, aber Rattapp1G hat es passend beschrieben. Warum kommt Samsung damit erst jetzt? Weil Apple so selten dämliche Klagen angefangen hat und Samsung nun 1 Mrd in den USA zahlen sollen. So wollen Sie nun den Preis drücken oder zu einer kostenlosen Übereinkunft kommen.
Klar ist auch, daß solche Patente verboten werden sollten. Daß aber nun Apple Fans aufheulen und es als irre oder verwerflich bezeichnen ist auch klar irre, denn wo blieb deren Aufschrei bei den berühmten runden Ecken? Oder dem Wischeffekt?
Man kann jetzt darüber diskutiern, ob es moralisch verwerflich ist, in so einem Fall (der sehbehinderten Menschen zugute kommt) vor Gericht zu gehen, da spielen auch viel Emotionen mit rein.
Andererseits muß aber auch sagen, dass andere eben wegen runder Ecken vor Gericht ziehen. Läßt man moralische Bedenken beiseite, bin ich der Meinung, dass dann die „Schöpfungshöhe“ (heißt das so?) bei diesem Patent hier meiner Meinung nach höher ist, als bei abgerundeten Ecken.
So leid es mir auch um die Betroffenen tut, steckt hinter so etwas (vermutlich) ein etwas höherer Aufwand, als hinter einen rechteckigen Gerät mit abgerundeten Ecken.
So muß man das vielleicht auch sehen…..!?
Letztlich geht es aber wahrscheinlich weder um die Betroffenen noch technische Klinigkeiten sondern nur noch darum, der „Gegenseite“ etwas mit gleicher Münze heimzuzahlen – und natürlich ums Geld verdienen (was nicht autom. schlecht ist…also das Geldverdienne, wollen wir ja irgendwie alle – so mehr oder weniger…)
Ist schon schön, wie selbst sowas hier noch von den Apple-Hassern verteidigt wird. Wo kommt nur diese Sympathie für Samsung her, ein diktatorisches Konglomerat dass sogar in der Rüstungsindustrie mitmischt und Kriegsgerät herstellt, dessen Arbeitern es bedeutend schlechter geht als denen von Apple, wo Korruption an der Tagesordnung und Vetternwirtschaft Firmenphilosophie ist. Aber Apple ist scheiße, hoch lebe Samsung, Kämpfer für die Gerechtigkeit. Unglaublich. Respekt, Caschy, dass du überhaupt noch über Apple schreibst, obwohl zumindest den Kommentaren nach zu urteilen hier der Tummelplatz der Anti-Apple-Fanatiker schlechthin ist.