97,5% der deutschen Haushalte haben mehr als 2 MBit/s? Niemals!

Gestern berichtete ich an dieser Stelle über den Breitbandausbau in Deutschland, der das Ziel hat, bis 2018 jedem Haushalt eine Internetverbindung von mindestens 50 MBit/s bereit zu stellen. Neben den üblichen Kommentaren zur Telekom-Drosselung, waren auch welche darunter, die das mehr als Theorie, als als Praxis ansahen.

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Eine Wertung der ganzen Geschichte habe ich mir gestern gespart, aber auch ich dachte mir so, dass dies alles sehr theoretisch klingt. Heute Morgen erreichte mich dann eine Mail von Philip Zimmermann, zuständig für Kultur, Neue Medien, Internet & Digitale Gesellschaft in der Partei „Die Linke“. Er machte mich auf den Umstand aufmerksam, dass alle Zahlen bezüglich des Breitbandausbaus letztendlich nur Schätzungen und Hochrechnungen sind.

[werbung] Im Detail bedeutet dies, dass zwar theoretisch eine bestimmte Anzahl der Haushalte eine gewisse Bandbreite zur Verfügung haben, die in der Praxis jedoch nicht erreicht wird. So war es auch in einigen Kommentaren zu lesen. Ein LTE-Mast bietet zwar eine recht hohe Bandbreite, diese müssen sich aber alle Nutzer teilen. Doch darum geht es eigentlich gar nicht.

Vielmehr geht es um den Bundes-Atlas für Breitbandausbau, der vom TÜV bereitgestellt wird. Dieser basiert auf freiwilligen Angaben der Betreiber. So bekommt der TÜV beispielsweise Daten übermittelt, wo Schaltkästen stehen. Aus diesen Daten werden Cluster gebildet und der TÜV rechnet dann hoch, wie groß die theoretische Bandbreite wäre. Die tatsächlichen Infrastrukturdaten des Netzes gelten als Betriebsgeheimnis der Telekommunikationsunternehmen, insofern können tatsächliche Versorgungen gar nicht korrekt erfasst werden.

Um dies zu verdeutlichen, folgen zwei Bilder eines laut Bund versorgten Gebietes, das laut niedersächsischem Atlas nicht versorgt ist. Festzuhalten gilt, dass beide nicht den tatsächlichen Ausbau darstellen, denn auch der niedersächsische Atlas beruft sich auf gesammelte Daten, nicht auf tatsächlich verfügbare Bandbreiten. Die jeweils gelb eingefärbten Areale zeigen Bandbreiten von mehr als 2 MBit/s.

DatenatlasBund_Niedersachsen
Je nachdem, welchen Atlas man also als Grundlage heranzieht, hat man eine unterschiedliche Versorgung, wobei keine von beiden einen tatsächlichen Ist-Wert darstellt. Spricht die Regierung nun also von einer momentanen Verfügbarkeit von Internetgeschwindigkeiten über 2 MBit/s in 97,5% der Haushalte, ist dies ebenfalls nur als Schätzung zu werten.

Aufgrund der Diskrepanz der Angaben in den beiden Atlanten hat Herbert Behrens (MdB, Die Linke) im März bei der Bundesregierung angefragt, wie diese zustande kommen. Die Antwort von Anne Ruth Herkes (Staatssekretärin) macht nichts anderes als den niedersächsischen Breitbandausbau-Atlas schlecht zu reden. Die beiden Atlanten seien nicht vergleichbar, da der niedersächsische Atlas durch die Befragung von Bürgern entstehe und nicht die tatsächlichen technischen Möglichkeiten berücksichtige (genauer Wortlaut siehe PDF). Philip Zimmermann schreibt dazu folgendes: „Der Breitbandatlas Niedersachsen hat Daten von Providern, Kommunen und Privatpersonen die sich gemeldet haben. Gebiete die gerade ausgebaut werden, werden sehr genau erfasst.“ Ziemlich unterschiedliche Ansichten, würde ich mal meinen.

Aber es geht, wie bereits erwähnt, überhaupt nicht darum, wer nun die genaueren Daten bereithält, es geht darum, dass eben keine dieser Daten korrekt sind und keinesfalls die tatsächliche Verbreitung von Breitbandanschlüssen darstellen können. Und genau hier müsste die Regierung ansetzen. Es nützt keinem Haushalt etwas, wenn er in einer statistischen Breitbandzone untergebracht ist und dennoch keine schnelle Internetverbindung hat.

Betriebsgeheimnis hin oder her, meiner Meinung nach kann eine Politik, die den Internetausbau betrifft, nur gestaltet werden, wenn die tatsächlichen Fakten bekannt sind. Und in diesem Fall ist ein 20-Einwohner-Dorf genauso wichtig, wie die Großstadt Berlin. Deutschland betrachtet sich allzu gerne als High-Tech-Standort und die geschönten, da hochgerechneten Zahlen mögen in der Politik auch gut klingen, aber genauso realitätsfremd wie manche Politiker sind, sind eben auch diese Zahlen. Auf dieser Grundlage kann es niemals zu einer Vollversorgung mit Breitbandanschlüssen in Deutschland kommen.

Disclaimer: Der verfasste Text spiegelt nicht meine Meinung zu irgendeiner Partei oder der Bundesregierung wieder.

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*Mitglied der Redaktion 2013 bis 2019*

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32 Kommentare

  1. Auch völlig Parteineutral: Hat jemand was anderes erwartet… ^^

  2. amyristom says:

    Ziel ist doch wie immer: Alles irgendwie schönrechnen, damit man „Erfolg!“ publikumswirksam vermelden kann. Das tatsächlich NICHTS (nennenswertes) passiert ist und die Mehrheit immer noch im Tal der Ahnungslosen lebt, interessiert doch in Wirklichkeit keinen Politiker (und da sich niemand laut öffentlich beschwert offenbar auch nicht die Mehrheit der Bevölkerung). Das gleiche kann man doch bei den Arbeitslosenzahlen beobachten. Die werden seit einigen Jahren auch immer weniger, eine Erfolgsmeldung jagt die nächste. Das in Wirklichkeit nur immer mehr im Prinzip Arbeitslose schlicht aus der Statistik herausgerechnet werden, interessiert niemanden.

  3. @amyristom: Denke nicht, dass „…die Mehrheit immer noch im Tal der Ahnungslosen lebt…“. Die Zahlen stimmen aber einfach nicht…

  4. „97,5% der deutschen Haushalte haben mehr als 2 MBit/s“ ist garantiert falsch, aber vll könnten 97,5% mehr als 2 MBit/s haben…
    über Kabel, LTE und was weiß ich, aber die wenigsten Leute haben da eine Ahnung; wenn die Telekon sagt, es gäbe keine schnellere Internetverbindung, dann gibt es sie nicht!! 😉

  5. genau 😀

  6. Ich bin bei den 2,5 %, definitiv!

  7. anzensepp1987 says:

    Ich hab 46Mbit Down und 10Mbit Up mitten in der bayerischen Pampa. Das ist mir Entschädigung genug für Bauern-DSL-384Kbit bis Herbst 2012…

  8. 97, 5 % da lach‘ ich ja wie ein volles Kino…..bei mir bringt der Briefträger die Bits einzeln verpackt vorbei !!
    Wittnau bei Freiburg……

  9. Hier bei uns in Niedernwöhren (bei Hannover) sieht es auch nicht viel besser aus. 1 Mbit/s ist angesagt und nicht mehr. In der Theorie ist mehr möglich, doch die Telekom als einziger Anbieter weigert sich einige Anschlüsse umzustöpseln, damit jeder in unserer Neubausiedlung (Neubau aus 2003!). Kabel liegt hier nicht und wir liegen genau zwischen zwei LTE Masten, könnten selbst das nicht nutzen.

    Allerdings haben wir keinen Grund uns zu beschweren, da BITKOM und Bundesregierung bzw. verantwortliche Stellen im BMWi 1 MBit/s als schnelles Internet definieren. Da fällt einem doch kaum noch etwas zu ein. Ich würde mich sehr freuen, wenn 50 MBit/s für jeden Haushalt schnellst möglich verfügbar sein soll. Dran glauben? Ne, ganz sicher nicht. Zumindest so lange nicht, wie noch die ganzen Bremser das Sagen haben.

    Aus einer Anfrage der Fraktion Die Linke und der Antwort der Budnesregierung geht ebenfalls auch hervor, dass noch immer 1,9 Millionen Haushalte mit weniger als 1 MBit/s ins Netz gehen… Die Anfrage und Antwort beider hatte ich gestern in einem Beitrag bei mir im Blog veröffentlicht bzw. Links zu den umfassenden PDF-Dateien des Bundestages gesetzt -> http://www.anoxa.de/blog2/?p=17384

  10. Wer bezahlt eigentlich diese Lügenstatistiker? Haben die nichts anderes zu tun? Es ist doch völlig sinnlos, sich über solch einen Unsinn zu unterhalten – es sei denn, man ist Politiker und will mal wieder „Schaum schlagen, um diesen dem Bürger ums Maul zu schmieren“. Wie war noch der Spruch? (Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.)

  11. Ja steht denn bald wieder eine Wahl an? Ich hab das Gefühl, es ist Wahlkampf….

  12. „97,5% der deutschen Haushalte haben mehr als 2 MBit/s?“

    Du hast das falsch gelesen. Wenn dan müsste es heißen: 97,5% der deutschen Haushalte zahlen für mehr als 2 MBit/s!

    Was tatsächlich ankommt steht auf einem anderen Blatt…

  13. Traue keiner Statistik die du nicht selber gefälscht hast …

    2000er DSL (ca. 250 kb/s downstream) und das obwohl ich mitten in einer 8000 Seelen Kreisstadt lebe.

    Ein kleines Kuhdorf ca. 5km von mir entfernt hat seit letzem Jahr 50k DSL und das trotz nur ca. 500 Einwohnern davon größtenteils Senioren die das Internet sowieso kaum nutzen.

    Da kann ich ehrlich gesagt die Prioritäten der Telekom nicht ganz nachvollziehen.

    LTE ist hier zwar verfügbar, dank der aktuellen Preisgestaltung und dem limitiertem Traffic für uns momentan leider unattraktiv.

  14. Tja, dann bin iich mal gespannt wie und wann den die bitrate von 0 auf 2000 bei meiner Mutter im Haus erhöht werden soll…600 Einwohner Dorf.

  15. @Cashy
    Hast Du einen Link zum Datenatlas?

  16. Danke für den aufklärenden Artikel!
    Die tatsächlich verfügbare Bandbreite als Geschäftsgeheimnis ist doch ein Witz, da bei der DTAG für jede Adresse die Bandbreite +/- abgefragt werden kann. Weiterhin bekommen die anderen Anbieter spätestens bei der Anmietung der TAL die techn. Parameter mitgeteilt.

    Bezogen auf den gestrigen Artikel fand ich die Unterschiede im 50 Mbit/s Bereich auf dem Lande z.B. zwischen NRW und Niedersachsen schon beachtlich. ~33% vs ~10%

    Momentan wird hier bei uns im nördlichen NRW wie wild VDSL auf dem Land ausgebaut. Teils zu 100% aus Steuergeldern finanziert, teils in Gebieten auch auf dem Land wo Kabel verfügbar ist auch um UnityMedia Paroli zu bieten.
    Ein paar Kilometer weiter in Niedersachsen passiert so gut wie nichts.

  17. Wenn man mal so kurz überschlägt und alle hier genannten Kühdörfer mit München, Hamburg, Berlin, Stuttgart und Köln in einen Hut wirft, hört es sich doch sehr danach an das die Zahlen stimmen. Wir reden schliesslich von gut 1 Million Haushalten die eben nicht auf die Leistung kommen.

    Da bedarf es recht viele Kuhdörfer um auf diese Zahl zu kommen, zu mal es dann noch fraglich ist ob es im ganzen Kaff so aussieht oder blöderweise nur in der eigenen Straße.

  18. Kandisbunzler says:

    Eine andere Methode wäre alle Bandbreiten in Deutschland zusammenzurechnen und durch die Anzahl der Einwohner zu teilen. Alternativ auch die roten Ampeln geteilt durch die Anzahl der Gemüsegartenbesitzer. Dann hätte man auch eine Zahl. Ich aber immer noch kein Breitband…. Was die Politik als Breitbandinternet ( DSL 1000) definiert, mag interessant für die sein, die am Ende schnelleres Netz haben, zeitgemäß ist anders. Mich ärgert das Thema schon so lange und nun als Sahnehäubchen wieder eine neue, passend gerechnete Statistik.

  19. Viele Leute wissen nicht, dass 2 MBit equivalent zu 200 KB/s download sind. Die erwarten dann „2MB/s“… natürlich klappt das nicht.
    Ist halt auch nur Marketing statt KB Mb zu benutzen.
    Ich glaube das es stimmt. Von allen die einen Internetanschluss haben, können theoretisch (!) 97.5% mit 2 Mbit versorgt werden. Mehr sagt das ja nicht.

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