Snapchat Spectacles ausprobiert: Creepy Sonnenbrille oder cooles Gadget?
Das Social Network Snapchat hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Startete es noch als Sexting-Tool für Jugendliche (oder wurde so genutzt), blieb man bei Snap am Ball und entwickelte kontinuierlich weiter. Eine kritische Masse an Nutzern wurde scheinbar erreicht, denn auch Firmen nutzen Snapchat bereits seit langer Zeit, um sich mit Nutzern zu verbinden. Zahlreiche Funktionen später gab es dann auch erste Snapchat-Hardware: Snapchat Spectacles. Die Kamera-Sonnenbrille, welche die Snapchat-Nutzung noch toller machen soll.
Ich bin generell neuen Netzwerken oder Diensten gegenüber offen und ich nutze auch Snapchat. Allerdings sehr begrenzt, eigentlich nur aus Spaß, um Frau und Kind mit „witzigen“ Bildern zu beglücken. Ist nicht jedermanns Sache und soll es auch gar nicht sein. Aber ich bin da dann auch nicht der Typ, der etwas auf Teufel komm raus schlecht reden muss, nur weil es für mich selbst vielleicht nichts ist.
Umso erfreulicher war es, als ich hörte, dass ich die Snapchat Specatcles ausprobieren kann. Da ich mich trotz der Nutzung von Snapchat, nicht als typischen Snapchat-Nutzer identifiziere, wird dies so eine Art Doppeltest, denn auch meiner Tochter habe ich die Spectacles anvertraut – sie nutzt Snapchat regelmäßig und ausgiebig.
Das Design der Kamerabrille erinnert an eine normale Sonnenbrille, allerdings ist das Gadget aufgrund der verbauten Technik entsprechend schwer. Ein dauerhaftes Tragen der Spectacles ist nicht unbedingt angenehm, wobei dies auch jeder anders empfindet. Ich fand es weniger tragisch, bei meiner Tochter war es einer der Kritikpunkte, die sie als erstes nannte.
Zur Brille gehört auch ein größeres Etui, größer ist es aus einem guten Grund, es funktioniert nämlich als Ladecase für die Spectacles. Eine Akkuladung der Brille reicht für ca. 100 Videos, 200 Videos können auf der Brille selbst gespeichert werden, bevor man zur Synchronisierung antreten muss. Das Case bietet genug Strom, um die Brille viermal zu laden, ist selbst über ein mitgeliefertes Kabel zu laden.
Ob man mit der Brille so draußen herumlaufen möchte, muss man natürlich selbst wissen, groß auffällig ist sie aber nicht unbedingt. Erst wenn man sie bedient und die LEDs leuchten, schauen die Leute auch mal komisch. Dazu muss man aber auch sagen, dass ich hier in einer ostdeutschen Kleinstadt unterwegs war, die schauen häufiger mal komisch, wenn etwas nicht der regionalen Norm entspricht.
Die Einrichtung der Spectacles ist super einfach, ist der Akku voll, setzt man einfach die Brille auf, öffnet Snapchat und scannt seinen eigenen Snapcode. Hat man vorher noch Bluetooth auf dem Smartphone aktiviert, erfolgt die Verbindung der Spectacles automatisch. Das ist super gelöst, quasi eine Plug & Play-Lösung ohne Plug.
Die Einrichtung ist damit auch tatsächlich schon abgeschlossen und man muss nichts mehr weiter beachten und kann die Spectacles ab dem Moment nutzen. Dazu braucht man nicht einmal das Smartphone, die Videoclips werden auf der Brille gespeichert und beim nächsten Öffnen von Snapchat synchronisiert.
Hier möchte ich auch gleich beim Thema Synchronisierung hängen bleiben, denn das ist weniger glücklich gelöst. Die Videos werden automatisch zu Snapchat übertragen, dort findet man sie dann in einem eigenen Specs-Reiter. Von dort aus kann man sie dann weiter nutzen, in Stories posten oder einfach auf das Gerät abspeichern.
Die Videos werden via Bluetooth übertragen, das dauert natürlich, geht aber unkompliziert, da man selbst ja nicht aktiv werden muss. Die Videos werden allerdings auch in HD aufgenommen, möchte man diese verwenden, wird es komplizierter. Dann nämlich muss man das WLAN auf dem Smartphone wechseln, die Spectacles quasi direkt anzapfen. Man wird zwar gut durch das Prozedere geführt, aber eine einfachere Lösung wäre dennoch wünschenswert.
Das wiederum ist ein Punkt, der mich wirklich stört, meine Tochter aber völlig kalt lässt. Sie hat auch alle angefertigten Videos direkt in HD auf ihr Smartphone gezogen, vielleicht bin ich da ja etwas kleinlich, auch was die Dauer der Übertragung angeht. In Sachen Qualität gibt es allerdings zwei Kritikpunkte.
Zum einen sind die Videos nicht so prickelnd, man verwackelt einfach und auch die Bildqualität selbst könnte durchaus besser sein. Zum anderen stört der Sound häufig. Ist man in Bewegung, wird jedes Atemgeräusch sehr laut aufgenommen, teilweise sogar so, dass die Hauptsituation dadurch nicht mehr hörbar ist.
Die Nutzung der Spectacles ist ebenfalls super einfach. Auf der linken Seite befindet sich ein Button. Drückt man diesen, werden 10 Sekunden Video aufgenommen. Man kann auch länger aufnehmen, maximal 30 Sekunden sind auf einen Rutsch möglich, indem man den Button 3 Mal drückt. Allerdings entsteht dann kein 30-Sekunden-Clip, sondern drei 10-Sekunden-Clips, man spart sich also nur das erneute Drücken nach 10 Sekunden.
Möchte man ein Video vorher abbrechen, hält man den Button 2 Sekunden gedrückt, die Aufnahme wird dann beendet. Völlig unpraktisch, man muss also schon 2 Sekunden vorher wissen, wie lange eine Aufnahme werden soll. Die Möglichkeit, einfach Bilder mit den Spectacles zu machen, gibt es leider nicht. Warum das so ist? Das frage ich mich auch.
Was weniger einfach ist, allerdings wohl einfach Gewöhnungssache: Was man aufnimmt. Man hat ja keinen klassischen Sucher, man nimmt grob das auf, was man sieht. Mir fehlte dieses optische Feedback bei der Nutzung völlig. Das hatte zur Folge, dass meine Aufnahmen meist aussahen als würde ich mich panisch umschauen.
Tatsächlich ist es so, dass wirklich das aufgenommen wird, was man sieht. Aber dieser fehlende Rahmen macht mich fertig. Auch hier scheint das Problem wieder bei mir zu liegen, keine Klagen diesbezüglich von meiner Tochter. Ein paar Videos von ihr findet Ihr an dieser Stelle.
Die Videos, die mit Spectacles entstehen sind rund. Sie werden in einem Kreis angezeigt, wenn man sie exportiert. Direkt bei Snapchat ermöglichen die runden Videos aber eine interessante Anwendung. Man kann das Smartphone beim Betrachten der Videos drehen und sieht so zum Beispiel im Querformat mehr, was an den Seiten los ist. Cooler Effekt, der aber nur bei Snapchat wirklich zur Geltung kommt.
Apropos Effekt, man kann die Videos nach dem Import in Snapchat natürlich auch noch vor der Veröffentlichung bearbeiten. Dabei stehen alle Funktionen zur Verfügung, nur die Masken nicht. Das ist etwas schade, machen diese doch einen großen Teil des Snapchat-Spaßes aus.
Was natürlich toll ist: Man kann jederzeit Videos für Snapchat anfertigen, ohne das Smartphone herauskramen zu müssen und diese dann später in aller Ruhe teilen (oder für sich behalten). Ebenfalls praktisch: Man muss die Spectacles nicht unbedingt aufsetzen, um Videos damit aufzunehmen. Auf den Tisch gelegt, funktioniert das genauso gut und ist auch total unauffällig.
Spectacles signalisieren eine laufende Aufnahme sowohl nach außen als auch zum Träger hin mit Lichtern. Während man das von außen gut sehen kann (der Ring um die eine Kamera leuchtet), ist es als Anwender schon schwerer sichtbar. Ich war mir nie wirlich sicher, ob eine Aufnahme nun schon beendet ist oder nicht. Auch das ein Kritikpunkt, den ich meiner Tochter nicht entlocken konnte, vielleicht bin ich technisch einfach zu verwöhnt.
Was soll ich sagen, 129,99 Dollar kosten Spectacles in den USA, wo sie mittlerweile auch normal bestellt werden können. Zu diesem Preis bekommt man eine Kamera mit nicht allzu praller Qualität, die man sich auf die Nase setzen kann. Für die Nutzung innerhalb von Snapchat ist das ausreichend, mehr würde man mit den Videos aber wohl – auch nicht in HD – eh nicht machen.
Die Spectacles sind ein interessantes Gadget, dass ich mir bei normaler Verfügbarkeit in Deutschland wohl auch zulegen würde. Nicht für den Dauereinsatz, aber für zwischendurch ist das schon cool. Kein Gadget, dass man haben muss, auch nicht als Snapchat-Nutzer. Aber ein Gadget, das man durchaus mal nutzen kann, wenn man sonst schon alles hat.
Und meine Tochter? Sie würde Spectacles auch nutzen, aber so auseinander gehen unsere Meinungen dazu gar nicht. Sie fand das Gewicht nicht toll, wohl aber die Nutzung. Und das ist ja irgendwie auch das Ziel eines solchen Gadgets. Auch hatte sie keinerlei Stress mit Synchronisation oder Wartezeiten, wäre sie nur immer so geduldig…
Ich behaupte einfach mal, dass die Spectacles ein Gadget für jüngere oder junggebliebene Nutzer sind. Meine Tochter hatte definitiv mehr von den Spectacles als ich, das zeigt einem mal wieder sehr schön, wie alt man eigentlich ist.
Man sollte als Käufer nur nicht unbedingt auf das Preis-Leistungs-Verhältnis schauen, denn das geht schon ein bisschen auseinander. Letztendlich zahlt man für die Idee einer Kamerabrille mit Fun-Faktor, dessen muss man sich halt bewusst sein. Dann gehen auch die 130 Dollar in Ordnung.
Ihr wollt Spectacles einmal selbst ausprobieren? Könnt Ihr gewinnen, aber nicht bei uns, sondern bei den Urlaubspiraten auf YouTube:
https://www.youtube.com/watch?v=N3BhKzFZB3c
Aber Google Glass ist böse – pfff
Ich möchte wetten, dass Du mit diesem Ding auf der Nase auch in Kleinstädten der alten Bundesländer komisch angeschaut wirst.
Sieht aus wie aus einem Yps Heft…
Technisch minderwertig, optisch minderwertig, Nutzen=null
Wie kann man einen Bericht über dieses Gadgets schreiben ohne die juristische Problematik des Einsatzes der Brille im öffentlichen Raum auch nur in einem Nebensatz zu erwähnen?
@Jack68
ja man müsste jedes Handy damit erwähnen – keinem fällt mehr auf wenn man mit einer guten undercover Handyapp Leute filmt weil man selber das kamericon zb in einer fake-taschenrechnerapp oder so verscriptet hat…