„Life Is Strange 2“: Die zweite Episode bringt Spirit ins Spiel

„Life Is Strange 2“ ist mit der ersten Episode bereits Ende September 2018 an den Start gegangen. Mich hat ein wenig der hohe Einführungspreis von rund 40 Euro abgeschreckt, auch wenn ich ein großer Fan der ersten Staffel und auch von „Life Is Strange: Before the Storm“ bin. Mittlerweile ist nun schon die zweite Folge der zweiten Staffel erschienen und auch ich musste nun doch endlich reinschauen. Kann die Qualität des Nachschlags mit der zuvor hoch gelegten Messlatte mithalten?

Wenn ich ganz ehrlich bin, dann hat „Life Is Strange“ mich mehr beeinflusst als die meisten Games: Denn die Reihe trifft nicht nur meinen Spiele-, sondern auch meinen Musikgeschmack vollkommen. Durch die bisherigen Games habe ich Künstler wie Daughter, Local Natives oder Angus & Julia Stone für mich entdeckt, welche mittlerweile in meinen Playlists unverzichtbar geworden sind.

Darüber hinaus bieten die Spiele die Kombination aus tragender Geschichte und dreidimensionalen Charakteren sowie Elementen eines interaktiven Films, die man auch von Telltale Games kannte. Allerdings liegt der Fokus bei „Life Is Strange“ bzw. dem Entwickler Dontnod Entertainment doch noch etwas mehr auf „Spiel“ statt „Film“, so dass das Ergebnis mir persönlich besser gefällt.

Der Publisher Square Enix hat mir freundlicherweise für diesen Bericht einen Key zur Verfügung gestellt – das sei der Transparenz halber gesagt. Fast alle Games, über die ich berichte, kaufe ich mir selbst – andernfalls gebe ich das an. Dieses Mal hatte ich Glück und der Publisher war mir sozusagen gnädig. Hätte es sich denn trotzdem gelohnt die 40 Euro für das Episoden-Adventure auszugeben? Der hohe Launch-Preis machte mich ja trotz meiner Begeisterung für die Marke zögerlich. Im Nachhinein muss ich nun sagen: Ja, der Verkaufspreis ist, wenn denn auch die noch anstehenden drei Episoden die Qualität halten, gerechtfertigt.

Episode 1 musste ich ja erst nachholen, da sind mir viele von euch sicherlich voraus… Mir hat gut gefallen, dass man die übernatürlichen Elemente aus dem ersten „Life Is Strange“ fortsetzt. Zwar hat auch das konventionellere Teenage-Drama aus „Life Is Strange: Before the Storm“ gepasst, aber die Zeitreise-Fähigkeiten von Max waren doch ein sehr spannendes Element der ersten Staffel. Jetzt ist es aber nicht die Spielfigur selbst, welche mit übernatürlichen Kräften jongliert, sondern dessen kleiner Bruder: Daniel. Das bringt natürlich eine andere Dynamik ins Spiel. So passt man als Teenager Sean auf den kleinen Daniel auf, der zugleich unheimlich mächtig wie auch unheimlich verletzlich ist.

Ich will hier nicht für euch zu viel spoilern, aber wer noch gar nicht in „Life is Strange 2“ reingeschaut hat: Aufgrund eines tragischen Ereignisses fliehen die beiden Brüder nach Mexiko und begegnen auf ihrem Weg allerlei schillernden Nebenfiguren. Auch das ist natürlich eine große Wende, wenn man das mit dem Vorgänger vergleicht. Letzterer verblieb ja bis auf wenige Szenen der letzten Episode in Arcadia Bay. Nun entsteht eher so etwas wie Roadtrip-Atmosphäre statt College-Flair.

Auch ist mein Eindruck, dass die Geschichte etwas weniger persönlich daherkommt und dafür mehr allgemeine, gesellschaftlich relevante Themen anschneidet. Versteht mich nicht falsch: Die Charaktere sind klasse gemacht und die beiden Brüder sind interessante Protagonisten, mit denen man mitfiebert. Aber nicht ohne Grund wurde das Setting ins Jahr 2016 verlagert und das politische Klima in den USA, als Donald Trump gerade das Zepter in die Hand nahm, schimmert mehr als dezent durch. Das gilt doppelt, da die beiden Brüder Hispano-Amerikaner sind.

Während die erste Episode die ersten Stationen des Weges nach Mexiko aufzeigt und die Beziehung der Brüder in erste Bahnen lenkt – als Sean kann man sowohl streng als auch eher flapsig mit dem jüngeren Daniel umgehen – kommen die Charaktere in der zweiten Folge etwas zur Ruhe. Sie suchen temporären Schutz bei ihren Großeltern und die melancholische Stimmung hellt sich unerwarteterweise etwas auf. Denn die beiden älteren Herrschaften haben spannende Nachbarn: Hier gibt es nämlich dann das lang erwartete Wiedersehen mit Chris alias Captain Spirit aus dem gleichnamigen Gratis-Adventure.

Chris sieht so aus und verhält sich so, wie ihr ihn in dem kostenlosen Adventure-Häppchen gespielt habt. Tolle Sache, denn letztes Jahr hat mir „Die Fantastischen Abenteuer von Captain Spirit“ richtig gut gefallen. Der junge Chris und seine Geschichte hätten auch selbst eine ganze Adventure-Reihe tragen können. Den optimistischen Knirps also nun in „Life Is Strange 2“ wiederzusehen, ist eine richtig tolle Sache. Zumal er und Daniel sofort die passende Chemie entwickeln, da will ich euch aber nicht zu viel verraten. Sagen wir mal so, die beiden ergänzen sich in ihrer kindlichen Art perfekt.

„Life Is Strange 2“ ist technisch übrigens ein ganz schöner Sprung gegenüber dem Erstling. Gerade an der Xbox One X läuft das Spiel deutlich runder als zum Launch damals der erste Teil auf Konsolen. Auch die Stimmung und der Soundtrack sind etwas anders: Zwar verströmt das Spiel immer noch etwas Indie-Flair, die Teenage Angst ist aber einem bodenständigeren Blickwinkel auf Familie und das Erwachsenwerden gewichen.

In der zweiten Episode lenkt man als Spieler Daniels Kräfte noch deutlicher in die gewünschten Bahnen. Die eigene Einstellung gibt dabei den Weg vor: Sollte Daniel seine Kräfte möglichst nicht benutzen und unterdrücken? Oder dient es vielmehr der Kontrolle, wenn er sie spielerisch erprobt? Das ist eine Entscheidung, die man als Spieler selbst abwägen muss. Der kleine Bruder ist hier ein wichtiger Begleiter, auf den man als älterer Bruder und gewissermaßen als Vorbild viel Einfluss hat.

Ein wenig schade ist, dass man in „Life Is Strange 2“ abseits der beiden Brüder kein festes Ensemble an Nebenfiguren hat – was in der Natur der Sache liegt, denn die Charaktere sind durch das Land unterwegs, ohne lange an Orten / bei Personen zu verweilen. Auch das verändert die Spielerfahrung: Statt Nebenfiguren wie Victoria oder Warren aus dem ersten Spiel über mehrere Episoden näher kennenzulernen, begegnet man in der Fortsetzung immer neuen, teils schrulligen Personen. Was man bevorzugt, ist aber Geschmacksache.

Drei Episoden von „Life Is Strange 2“ folgen noch. Zu diesem Zeitpunkt könnte ich deswegen auch nicht genau sagen, ob mir Staffel 1 oder 2 bisher besser gefällt. Ich bin auf jeden Fall extrem gespannt darauf, wie es mit den beiden Brüdern Sean und Daniel weitergeht. Gerade nachdem Telltale Games das Handtuch werfen musste, ist es klasse, dass „Life Is Strange 2“ die Fahne für tolle Episoden-Adventures weiter hoch hält. Habt ihr die zweite Staffel ebenfalls schon angespielt oder wartet ihr noch auf ein günstigeres Angebot? Wie gefällt euch die neue Runde im Vergleich mit der ersten Season?

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden. PayPal-Kaffeespende an den Autor.

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2 Kommentare

  1. Löscht aber auch den eigenen Spielstand nach dem Ende der Episode…

    Mir selbst ist es bei zwei Versuchen nicht gelungen den Spielstand nach beenden der Episode zu behalten.
    Hier sollte SE und das Entwicklerteam dringend ein Update nachreichen.

    Bis jetzt sind die Berichte diesbezüglich nur von der ps4 Version gekommen.
    Ich nehme aber mal an das viele das Problem gar nicht bemerken weil sie das Spiel nach dem Ende einfach schließen.

  2. Command0r Keen says:

    Habe bereits beide Folgen der 2. Staffel durch und bin ein großer Fan von LIS bzw. LIS befor the storm.
    Nach den 2 Folgen bin ich wirklich begeistert und hoffe, dass die Macher die Stimmung und Qualität bis zum Ende durchhalten.

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