Kids zocken in der Corona-Krise mehr: Pädagogen wedeln mit dem Zeigefinger

Laut einer neuen Studie der Krankenkasse DAK und Forschern des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), hätten Kinder und Jugendliche in der Corona-Krise deutlich mehr Zeit im Internet und insbesondere beim Online-Zocken verbracht. Keine überraschenden Ergebnisse – waren persönliche Treffen mit den Freunden ja lange nicht möglich. Da sind Online-Games durchaus eine sinnvolle Möglichkeit soziale Kontakte zu halten. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung ergeht sich deswegen jedoch in ermahnenden Plattitüden.

Warum ich da drastisch urteile? Ich habe selbst Pädagogik mit dem Schwerpunkt Sozial- und Medienpädagogik studiert und in jenem Bereich auch promoviert – zwar nicht über das Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen, dennoch maße ich mir an hier ein sehr veraltetes Weltbild zu erkennen. Dass die Intensität der Mediennutzung schwankt, insbesondere in der Zeit einer Pandemie, die zu sozialem Abstand führt, ist völlig normal. Das zum Anlass zu nehmen, direkt eine einseitige, negative Auslegung vorzunehmen, halte ich für reine persönliche Wichtigtuerei.

Die Nutzungsdauer von Onlinespielen sei also in der Corona-Krise bei Kindern und Jugendlichen um 75 % angestiegen. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig, poltert nun direkt, das sei „ein heftiger Anstieg, der so nicht weitergehen darf“. Kann und wird er ja auch nicht: Denn wenn die Kinder und Jugendlichen wieder die Schule besuchen, wieder in Vereinen Sport treiben können, sich persönlich mit Freunden treffen und allerlei andere Aktivitäten ausüben, dann schrumpfen die Zeitressourcen für Onlinespiele sowieso automatisch wieder.

Was Ludwig hier also vorträgt, entspricht in etwa dem Szenario, dass ich krank Zuhause sitze und deswegen kurzzeitig bettlägerig 8 Stunden am Tag mit Freunden online „Magic: The Gathering“ zocke. Dass dies nicht zur Normalität werden sollte (und gar nicht könnte), ist keine Diskussion wert. Eher gilt es hier positiv zu sehen, dass die Kids zumindest diese Option genutzt haben, um über Online-Games Kontakte zu halten. Da könnte man sogar durchaus einen positiven, psychologischen Einfluss sehen, der völlig unerwähnt bleibt.

Die durchschnittliche Verweilzeit in sozialen Netzwerken solle übrigens zeitweise um rund 66 Prozent zugenommen haben. Auch das ist keine Überraschung, denn schließlich ist es für Kinder und Jugendliche wichtig, ihre Bekanntschaften und Freundschaften zu erhalten. Ludwig fordert dennoch, Eltern, Lehrer und Politiker sollten beim Medienkonsum der Kinder noch achtsamer sein. Achtsamkeit ist wichtig, aber eine ermahnende Bewahrpädagogik, die schon unkontrolliert mit dem Zeigefinger wedelt, bevor sich ein Problem abzeichnet, dient nur der Selbstinszenierung der Ermahnenden und nicht dem Wohl der Kinder und Jugendlichen.

Die Forscher hatten im Übrigen dafür rund 1.200 Familien befragt. Neben Kindern wurden in der Untersuchung auch Erziehungsberechtigte befragt. Verglichen wurden dabei Erhebungsdaten von September 2019 und April 2020.

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden. PayPal-Kaffeespende an den Autor.

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14 Kommentare

  1. Sehr guter Artikel! Du sprichst mir aus der Seele. In so einer speziellen Zeit die Alarmglocken zu läuten ist nur peinlich.

    • Vielen Dank. Genau meine Meinung. Meine Jungs spielen viel Fortnite, da haben sie Kontakt zu ihren Freunden und unterhalten sich verdammt viel.
      Diese Forscher haben das Internet noch nicht als Ort verstanden, das ist sehr schade.
      Übrigens hat unsere großer Sohn jetzt zwei Tage auf der Terasse gesessen und mit niemandem geredet und sich nur zu Klo bewegt. Ich mache mir echt Sorgen, diese Büchersucht ist nicht zu unterschätzen. Er hat jeglichen sozialen Kontakt verlorgen.

  2. Danke für den Artikel! Genau meine Meinung!

  3. Was hätten die Kids denn machen sollen? Erzähl einem 15 jährigen mal er soll stattdessen in den Wald gehen und Blätter sammeln. Viele haben ja nicht einmal einen Wald vor der Tür. Oder die Eltern sollen sich mehr mit den Kids beschäftigen? Klar, weil man zuhause ist, muss die Arbeit nicht erledigt werden. Es heißt ja HomeOFFICE. Homeoffice iswie im Büro, nur ohne Hose ☝ Die Arbeit muss trotzdem erledigt werden. Wo wir gerade bei den Erwachsenen sind: mein Alkoholkonsum ist in der Zeit auch gestiegen. Mein Hausarzt wedelt deswegen auch mit dem Finger … ungewöhnliche Situationen, ungewöhnliche Handlungen ‍♂️

    • Die Regierung hat uns Eltern extrem allein gelassen. Schön Ausgangsregel und das Treffen mit anderen verbieten, Spielplätze und andere Einrichtungen, die für Kinder gedacht sind, schließen.
      Was sollen die Kinder denn machen ??? Wie du schon sagst, nur weil man körperlich zu Hause ist, heißt das nicht, dass man sich 24 Stunden um die Kinder kümmern kann, die sonst bis Mittag/Nachmittag in der Schule sind, dann Hausaufgaben machen und danach sich mit Freunden treffen oder beim Sport sind.
      Alles flachgefallen. Und als Elternteil ist man dann häufig überfordert und macht halt den TV oder die Konsole an. Es klappt leider auch nicht (zumindest bei uns), die Kinder zu überreden, das Haus aufzuräumen und zu putzen …

  4. Wenn die Kids draußen herumgerannt wären und so Kontakt miteinander gehabt hätten, wäre der Aufschrei noch größer gewesen. Gab es nicht sogar eine Empfehlung der WHO, dass die Kids miteinander online zocken sollen?

  5. Die Mörtler äh Ludwig hat bisher noch selten mit echten Fakten geglänzt.

  6. Weltfremde Politiker, hat jemand ernsthaft etwas anderes erwartet?

    • Gibt bestimmt etliche, die was anderes erwartet haben, aber die leben eben auch, wie die „Forscher“, in einem bunten Paralleluniversum jenseits der Realität.
      Wenn alles dicht ist, suche ich mir eben was, was noch geht.
      Plan und Kompetenz sieht anders aus.

  7. Möchte nicht die Zahlen für Spanien lesen. Da durften die Kinder monatelang nicht Mal mit 8hrdn Eltern aus dem Haus. Spain is lost.

  8. Die Überschrift passt irgendwie nicht.

    Im Text wird nicht ein Pädagoge / eine Pädagogin zitiert, nur eine Juristin. Richtig müsste es demnach also lauten: „Kids zocken in der Corona-Krise mehr: Juristin und Drogenbeauftragte wedelt mit dem Zeigefinger“

    Ich habe zum Thema zwar nicht promoviert, aber geforscht und bin inhaltlich durchaus deiner Meinung. Nur sollten Fakten Fakten bleiben.

  9. Eine gute Kanzlerin alleine macht eben leider keine gute Regierung. Regierung ist Team. Und leider hat sie eben einige schwache PlayerInnen im team, sei es der Verkehrs- und infrastrukturminister oder eben die zeigefingernde Dame. Entgegen dem Erfahrungen in einem von kultur und Struktur vergleichbarem land wie den niederlanden wird ja auch Canabis weiter verteufelt u. a. von der gleichen Dame. nein ich meine nicht Canabis für kids , sondern für erwachsene menschen. Anderes Thema aber gleiche Reaktionsmuster .

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