iPhone 5 Unboxing und die Geschichte einer Nacht vor dem Apple Store

Willkommen in der Welt des Kommerzes. Testgeräte, die ich hier im Blog vorstelle sind entweder von mir gekauft oder werden mir zu Testzwecken von den Firmen für einen bestimmten Zeitraum überlassen. Dieses Mal war alles anders. Ich war in London beim Apple Event dabei und entschloss mich, dass iPhone 5 zu meinem nächsten Gerät zu machen.

Wobei – Moment -ich nutze grundsätzlich auch Android und auch Windows Phone. Macht die Themenwahl als Blogger einfacher. Als Normalo nutze ich das iPhone, wie ich hier niederschrieb. Ich wollte mir das Spektakel vor dem Apple Store mal selber anschauen. Magie? Oder einfach nur ein Haufen Bescheuerter?

Nun fuhr ich also gestern Abend los. Nexus, iPad, Decke, Akkus und Regenschirm im Gepäck. Gegen 19.30 Uhr war ich in Bremen und traf mich mit Blogger-Kollege Andrzej. Bier. Danach in den Metronom nach Hamburg. Gleichgesinnte erkannte man am Klappstuhl. Im Zug schnell noch ein Blogpost zu den finalen Windows 8-Preisen.

In Hamburg angekommen, versorgte ich mich noch mit einem Sixpack. Sollte ja nicht zu langweilig werden. Gegen 22.00 Uhr trafen wir vor dem Apple Store in Hamburg am Jungfernstieg an. Die ersten? Von wegen, knapp 200 Konsumopfer waren schon vor uns da. UM ZWEIUNDZWANZIG UHR.

Wir reihten uns in die Schlange ein, bekamen von der angeheuerten Security Infos. Pinkeln und Platz verlassen innerhalb eines 10 Minuten Zeitfensters – und auch nur, wenn einer der Bouncer ein Kärtchen mitgab. Mit einem Blick auf mein Sixpaxck wusste ich – das konnte was werden. War aber ganz easy alles.

Vor mir: Freunde aus dem osteuropäischen Ausland. Im gebrochenen Englisch fragte man mich, ob ich einen Hotspot aufmachen könne. Konnte ich. Man kam ins Gespräch. Die Jungs standen da, um iPhones zu kaufen. Klar. Aber nicht für sich. Zwei Geräte darf jede Person kaufen, die Jungs aus Russland, von denen einer frappierende Ähnlichkeit mit einem jungen, mageren Dolph Lundgren hatte, fragten herum, wer nur ein Gerät kaufen wolle. Der Grund? Die wollten die maximale Menge an iPhones haben. Ab nach Russland und dann das iPhone für 3000 Schleifen an den geneigten reichen Russen verticken. Kein Scherz.

Die kaufen für zwischen 700 und 900 Euro die iPhones und bekommen in Russland da drei große Scheine für. Nun gut dachte ich – so ist das eben. Wäre da nicht eine Tatsache gewesen: die Jungs vor mir waren zu dritt und machten einen relativ normalen Eindruck. Die zwei Busladungen voller Menschen aus Osteuropa, die noch kommen würde, war anderen Schlages. Da scheint man alles aufgelesen zu haben, was noch stehen konnte.

Kein normaler Käufer eines iPhones, sondern Handpuppen in Masse, die in Manier einer Drückerkolonne vor dem Apple Store warteten, um für ihre Auftraggeber das iPhone zu kaufen. Auch der Deutsche, der sein „freies, zweites Gerät“ als Platzhalter an die Jungs verkaufte, konnte etwas verdienen. Satte 15 Euro. Na immerhin. Allem Anschein nach hatten auch viele andere ein Geschäft gemacht. Einige Menschen hatten wohl Bekannte zum Einkauf geschickt. Zur Stärkung gab es die eine oder andere Flasche Fusel. Sollte ja kalt werden die Nacht.

Vereinzelte Passanten rufen der Menge zu „Get a life!“. Älterer Herr winkt mit seinem Samsung-Smartphone und fragt, ob so etwas nicht reichen würde. Ja sicher würde es. Doch wir haben halt die Auswahl.

Abendbrot. Pizza von Joeys. Das Bier war alle. 2 Uhr. 350 Menschen. Der Klappstuhl rief. Dicke Jacke an, Basecap ins Gesicht und Decke rüber. Aufwachen um kurz nach 5. Ein Mitschlangesteher, mit dem wir uns gut verstanden, hatte Kaffee für uns geholt. Ich war nach 3 unruhigen Stunden Schlaf ein dankbarer Abnehmer. Laut geschnarcht hätte ich. War mir egal, hatte es ja nicht mitbekommen.

6 Uhr. Starbucks verteilt gratis Kaffee in halbvollen Bechern – wobei vielleicht Apple den Spaß gelackt hat. Besser als nichts. Gespräche der Schlangesteher sind allgemeiner Natur. Normale Technik. Das Leben des anderen. Wenig über die Geräte. Was soll man auch erzählen? Sind ja alle gleich. It just works. Alles war vertreten. Arbeiter. Schüler. Studenten. Rentner.

Blaubehemdete Apple Store-Mitarbeiter verteilten Karten. Maximal zwei für jeden, notiert auf der Karte: das gewünschte Gerät. Wer die Karte hat, der weiss:er bekommt sein Gerät. Presse-Aufmarsch. Kurz nach 7 Uhr morgens. Der Pulk ist auf über 2500 Menschen angewachsen. In den meisten Fällen Menschen wie du und ich. Mit der Ausnahme, dass sie seit Stunden für ein verdammtes Telefon anstehen. Ein bekanntes Gesicht läuft an der Schlange entlang. WTF! Mein ehemaliger Arbeitskollege, mittlerweile an der Genius Bar bei Apple beschäftigt. So klein ist die Welt.

8 Uhr. Es wird geklatscht, anscheinend geht es los. Gruppe für Gruppe wird man in die heiligen Hallen geholt. Von netten Verkäufern. Ja, wirklich – ich glaube, ich habe eine einigermaßen brauchbare Menschenkenntnis. Die Jungs waren einfach nett. Geld könnten die wohl mehr verdienen, aber dafür haben die keine typischen „Meckerkunden“ und Feilscher, mit dem die armen Kollegen im Einzelhandel zu kämpfen haben. Ich stehe vor riesigen Bergen von Geräten. 16 GB iPhone 5 für die Verlosung und 32 GB für mich.

Ich bezahle, werfe die Pakete in den Rucksack und verschwinde. Keine Freude. Keine Begeisterung. Warum auch? Ich habe ein Telefon gekauft – da kommt bei mir kein Feeling auf, als hätte ich den ersten in meinem jungen Leben wegege….. aber lassen wird das. Nach einem Abstecher zum Spiegel geht es zum Hauptbahnhof. Über zwei Stunden Bahnfahrt warten noch auf mich. Müde bin ich. Ausgelaugt. Und ja, lange duschen – das wäre jetzt was. Das iPhone? Vor diesem Beitrag ausgepackt – für ein Video. Mehr nicht. Das Ausprobieren kommt am Wochenende. Viel Neues ist nicht zu tun. Altes Backup einspielen – fertig.

Tja, was lernte ich nun daraus, welches Fazit ziehe ich aus meiner Nacht vor dem Apple Store? Ich verstehe immer noch nicht, wo die Magie herkommt. Wir stehen für ein Konsumprodukt Schlange. Ein Produkt, dass man auch später kaufen kann, ohne sich die Nacht um die Ohren zu schagen. Und nicht nur ich scheine mich zu fragen – die meisten meiner Leidensgenossen wissen es auch nicht. Man macht es. Es ist nicht die Bescheuertheit. Man macht es, weil man es kann. Eventismus. Gleichgesinnte treffen. Ich habe viel Geld ausgegeben. Es war anstrengend. Aber auch irgendwie witzig.

Übrigens: Apple hat anscheinend ein Problem. Viele Geräte hatten Kratzer, auch mein neues Gerät hat einen Schönheitsfehler. Wir sehen: Apple ist keine Überfirma, keine Religion – man stellt Hardware- und Softwarelösungen her. Nicht mehr und nicht weniger. Ich schaue mal inwiefern ich mein Gerät tauschen werde…Macken wird es mit der Zeit eh bei mir bekommen – aber ich kaufe keine Geräte mit Lackschaden vorab.

Hier noch einmal der Ticker von gestern Abend & der Beitrag zur Umfrage nach eurem nächsten Smartphone. Über 3000 Teilnahmen, interessante Ergebnisse.

Euch ein schönes Wochenende!

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Hallo, ich bin Carsten! Ich bin gelernter IT-Systemelektroniker und habe das Blog 2005 gegründet. Seit 2008 ist es Beruf(ung). Baujahr 1977, Dortmunder im Norden, BVB-Fan und Vater eines Sohnes. Auch zu finden bei X, Threads, Facebook, LinkedIn und Instagram.

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88 Kommentare

  1. Glückwunsch zum neuem iPhone! Leider bist du auch betroffen mit den Macken.
    Bin mal auf die nächsten Tage gespannt, mal schauen ob es wieder eine Keynote geben wird wegen dem neuen Unwort 2012 „Scuffgate“ 😀

  2. „…und schaue ob ich eine Macke habe…“
    Woah alter Schwede, haste ja gleich doppeltes Glück gehabt 😀

  3. Gut geschrieben. Dein Schreibstil ist echt brauchbar….vllt wird ja dich mal was aus die 😉

    Thema iPhone: schönes Produkt! Nicht mehr und nicht weniger.

  4. Irgendwie liest sich Dein Text, als wärst Du von dem Erlebten etwas frustriert. Oder vielleicht kommt auch einfach nur die Müdigkeit durch 🙂
    Letztes Jahr hab ich zum ersten und letzten Mal angestanden, 5h für ein iPad2 bei einem Premium Reseller. Und dann hatten die trotz Zusage (ebenfalls mit der Karte) das Gerät nicht mehr und ich hab es mir dann doch online bestellen müssen.
    Was hab ich mich geärgert. Und Umtauschen musste ich es später auch.

  5. Schön finde ich wie du „HAMBURCH“ sagst. Machen ansich nur wir Nordisch by Nature Typen so 😉 Außer die aus HannoWer! 😀

    Ansonsten sieht das iPhone5 schon recht edel aus….mehr aber auch nicht.

  6. Interessanter Artikel, besonders die Einleitung ist gut gelungen, musste lachen :).

  7. Messer schleifen 😉

  8. danke dir. wie immer interessant zu lesen. als galaxy nexus nutzer… *facepalm.deluxe*

  9. Wie recht du hast: Es ist so unfassbar langweilig, sich was Neues zu kaufen. Ich warte jedes Mal auf den „Wow“-Moment. Und dann sind Timemaschine oder die iCloud fertig und man hat ein neues MacBook oder Telefon und nichts weiter. Echt öde.

  10. Ich habe leider eins aus der Macken-Charge erhalten, sehr ärgerlich… 🙁

  11. Ahh, daher der SpOn-Artikel.

    Bei MacRumors schrieb jemand so schön: „the next will be the iPhone 5S , S for ‚Scuff-Free'“ 🙂

    Finde es ein tolles Gerät, aber vor allem wg des leichter zu tauschenden Covers und des Home Buttons, der jetzt auch leichter zu tauschen ist. Für mich als Bastler zählt das mehr als Perfomance oder Gimmicks.

  12. Werde mir das 5er zwar nicht holen sondern das 4S, aber bin auch mal gespannt wie es sich in der Hand anfühlt.

  13. Eine gute Frage, woher diese Magie herkommt.

  14. Herzlichen Glückwunsch zu einem Telefon, dass abgesehen von Teilen der Software endlich zur Konkurrenz aufgeschlossen hat; das hat sich doch gelohnt 😉

    Ich selbst bin iPad und Android-Phone Besitzer und versuche immer noch herauszufinden, was den Zauber eines iPhones ausmachen soll, vielleicht mag mich da ja einer aufklären.

    Nebenbei gefragt, wenn man so ein Phone kauft, muß man ja irgendwie seine Daten hinterlassen (Terror und so…). Wie gibst du das dem Gewinner dann weiter, pseudo Kaufvertrag für 0,-? Sonst gibt’s doch bestimmt irgendwann Probleme im Schadensfall o.ä.?

  15. Die Geschichte mit den Macken ist ganz bitter. Klar kann sowas immer mal passieren. Aber in der Masse? Und was ist eigentlich mit Apples Qualitätssicherung los? Steve Jobs hat Apple sehr erfolgreich als Premiummarke etabliert. Und sie sind auf und dran weitere Macken im Image zu produzieren. Wenn ich 700-900€ für ein Produkt ausgebe, erwarte ich auch dass Produktionsfehler ausgeschlossen sind. Man kann nur hoffen, dass die nächste Charge einwandfrei sein wird. Fehlerhaft ausgelieferte iPhones werden jetzt aber erstmal durch die Medien geistern. Ich vermute ja 100 Samsung-Mitarbeiter haben heimlich die Kartons geöffnet und die neuen iPhones zerkratzt… 😀

  16. „Oder einfach nur ein Haufen Bescheuerter?“

    Tja, dem möchte ich nicht so ganz wiedersprechen… – natürlich keine „gefährlichen“, sondern „nett/normal Bescheuerte“ 😛

    Ich könnte mir NIX auf der Welt vorstellen, weswegen ich mit anderes iwo im Freien vor einem Laden campieren würde – vor allen Dingen nicht, wenn einem das, was man da kaufen kann, ein paar Tage später geradezu nachgeworfen wird. Und teurer ist das dann auch nicht.

    Das ist mir genau so unverständlich wie dieses „unboxing“ – jemand zuzusehen, wie der einen Karton aufmacht, meist noch nicht mal besonders elegant… :mrgreen:

    So´n ganz kleinen hab ich ja auch „an der Mütze“, wenn ich gucke, wieviele Monitore um mich rumstehen – aber da hätte ich im Zweifelsfall noch viieeellll bessere Erklärungen für, wie die nächtlichen „Wartenden“… 😆

  17. 98% der Menschen sind dumm.

  18. Ich muss mein Iphone gleich im Lager abholen weil Apple wohl grundsätzlich nichts beim Nachbar abgibt.
    Wenn ich so ein zerkratztes Ding bekomm flipp ich aus.

  19. Ich habe gestern mit Freude den LiveTicker gelesen 🙂 Ich verstehe auch nicht warum man sich so etwas antun muss, bzw. möchte. Ok, bei den Russen schon, doch warum nicht einfach liefern lassen?

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