„God of War“ angespielt: Knüppelhart immer feste druff

Die Spielereihe „God of War“ gibt es bereits seit der Ära der Sony PlayStation 2. Als der erste Teil 2005 auf den Markt kam, eroberte das krawallige Actionspiel durch seine ungezügelte Brutalität und die damals in Mode geratenen Quick-Time-Events die Gaming-Community im Sturm. Nachdem das letzte Spiel der Reihe, „God of War: Ascension“, bei Erscheinen im Jahr 2013 aber deutliche Ermüdungserscheinungen offenbarte, kam man bei Sony ins Grübeln. Nach langer Ruhepause ist 2018 nun das Soft-Reboot „God of War“ erschienen. Selbstbewusst ließ Sony bereits zehn Tage vor Release das Review-Embargo fallen, was dem Hype Tür und Tor öffnete. Ich habe das Game mittlerweile selbst angezockt und liefere euch an dieser Stelle mal meine persönlichen Eindrücke.

Dabei will ich ehrlich sein: Ich habe die ersten drei „God of War“ gerne gespielt, die Spin-Offs ausgelassen, und fand die Serie immer „ganz gut“, aber mehr im Grunde auch nicht. Mir war das Gameplay mit seinem Fokus auf Button-Mashing und Quick-Time-Events immer eine Spur zu flach. Kratos war für mich zudem immer ein recht einseitiger und unsympathischer Charakter: der wütende Klopper, der außer zuschlagen und rumbrüllen wenig an Eigenschaften offenbarte. Aber auch bei Sony hat man gemerkt, dass die Ansprüche an Charaktere und Stories in Spielen mittlerweile gewachsen sind. Und das spiegelt das neue „God of War“ perfekt wider.

Tja, wütend ist Kratos immer noch. Auch brüllt er immer noch rum. Doch er zeigt neue Seiten: In der englischen Originalversion hervorragend vertont durch Chris Judge („Stargate SG-1“), ist Kratos nachdenklicher und reifer geworden. Das liegt auch an seinem Gegenstück: Kratos wird stets begleitet von seinem Sohn Atreus. Zwar erteilt Kratos seinem Kind harte Lektionen, erweist sich als streng und unterkühlt, doch schaffen es die Autoren gleichzeitig die Verletzlichkeit des Vaters und seine Fürsorge anzudeuten. Wenn Kratos Atreus anschreit, weil jener unbedacht mit seinem Bogen zu früh auf einen Hirsch feuert, dann tut er das nicht aus Boshaftigkeit. Er will seinem Sohn die Fähigkeiten vermitteln, die jener brauchen wird, um zu überleben.

Leben und Tod: Themen die das neue „God of War“ entscheidend prägen. Bereits in den ersten Minuten nimmt das Spiel einen mit seiner melancholischen Stimmung für sich ein. Kratos Frau, Atreus Mutter, ist verstorben. Vater und Sohn wollen ihren letzten Wunsch erfüllen. Ihre Asche soll vom höchsten Berg aus verstreut werden. So steht den beiden zurückgelassenen Charakteren ein harter Weg bevor, der sie nicht nur mit diversen Hindernissen konfrontiert, sondern auch die Vater-Sohn-Beziehung in den Vordergrund rückt.

Dabei verschmelzen Charaktere, Geschichte und Gameplay in einer Weise, wie man sie sonst wohl am ehesten von den Titeln aus dem Hause Naughty Dog („Uncharted 4: A Thief’s End“) kennt. So kann Atreus Kratos und damit den Spieler in Kämpfen unterstützen. Er lernt dazu, kann mit neuen Fähigkeiten aufgewertet werden und macht abseits der Gefechte auch auf Dinge in der Spielumgebung aufmerksam. Kurzum, er ist ein ähnlich angenehmer KI-Begleiter wie anno dazumal Ellie in „The Last of Us“. Atreus fühlt sich nie überflüssig oder gar nervig an. Geht er etwa zu Boden, folgt kein „Game Over“-Screen, sondern er rappelt sich von selbst wieder auf, ohne dass man ihm ständig Aufmerksamkeit zollen müsste.

Aber auch Kratos hat sich abseits der charakterlichen Veränderungen gewandelt. Das Kampfsystem wurde nämlich komplett überarbeitet. Ja, die Kämpfe sind immer noch über weite Strecken extrem blutig. Allerdings steht reines Button-Mashing nun komplett außer Frage. Stattdessen weiß sich Kratos mit schnellen und langsamen aber starken Angriffen, Sonderfähigkeiten über Runen und flinken Ausweichrollen sowie dem Blocken gegnerischer Angriffe zu helfen. Und man muss sein gesamtes Können und eine Kombination aller Manöver im richtigen Timing einsetzen, um die teils bockschweren Kämpfe zu überstehen.

So begann ich das Game auf dem höchsten der vier Schwierigkeitsgrade, musste aber fix neu beginnen und eine Stufe runterschalten, da ich nicht einmal den ersten Kampf gegen einige Draugr bewältigte. Auf dem zweithöchsten Schwierigkeitsgrad wiederum bleibt „God of War“ eine harte Nuss, aber die Herausforderung stimmt – mit Geschick ist alles zu schaffen. So macht mir das Zocken persönlich am meisten Spaß. Um dabei fortwährend am Ball zu bleiben, sollte man seine Waffen aufwerten, nach geheimen Schätzen mit Materialien Ausschau halten und auch Erfahrungspunkte rasch in neue Fähigkeiten investieren.

Die Areale der Spielwelt sind dabei deutlich größer und offener als in vergangenen Teilen. Wie in Metroidvania-Spielen stößt man dabei immer wieder auf Bereiche, die man noch nicht betreten kann – für die man aber bereits spätere Lösungswege erahnt. Somit ist auch hin und wieder Backtracking vonnöten. Stört aber nicht, zumal die Welt von „God of War“ technisch auf dem allerhöchsten Niveau angesiedelt ist. Zum einen ist der visuelle Abwechslungsreichtum enorm, zum anderen sieht man diesem Triple-A-Game jeden investierten Taler an. Sony ist einer der wenigen Publisher, der reine Singleplayer-Titel höchster Güte noch weiter forciert. Das hat schon „Horizon: Zero Dawn“ bewiesen. „God of War“ unterstreicht dies abermals.

Auf der PlayStation 4 Pro sieht „God of War“ im Modus mit erhöhter Auflösung jedenfalls wirklich beeindruckend aus. Die Xbox One X mag technisch überlegen sein, aber das Art Design, die traumhaften Lichtstimmungen und die extrem detaillierten Umgebungen und Charaktermodelle zeigen, was die Entwickler hier aus Sonys Konsole herauskitzeln. Vielleicht am meisten haben mich die mit Motion-Capturing entstanden Animationen beeindruckt: Wenn Kratos die Gesichtszüge entgleisen oder Atreus mit Trotz auf die strikten Ansagen seines Vaters reagiert, dann kann man jedes Gefühl in den Gesichtern der Figuren ablesen – großartig gemacht.

Auch der Wechsel von griechischer zu nordischer Mythologie ist eine feine Sache. Gut, dass ich das als Nordlicht sage, hier oben ist das Interesse sicher besonders verbreitet, wundert eventuell nicht. Aber im Gesamtbild zeigt „God of War“ sozusagen in idealer Weise, wie man eine Spielreihe modernisiert, ohne ihre Essenz über Bord zu werfen. Viel könnte man hier noch loben, etwa die innovative Kamera, die im gesamten Game nicht einen einzigen Schnitt zulässt, oder das perfekte Pacing, bei dem es zwischen den aufreibenden Kämpfen immer Atempausen gibt, in denen man die Spielwelt in sich aufsaugen kann. Doch am Ende fällt es schwer „God of War“ wirklich in Worte zu verpacken. Es mag zwar ausgelutscht klingen, aber selbst wer die bisherigen Serienteile nicht sonderlich mochte, sollte hier definitiv einen Blick riskieren.

Mit „God of War“ ist Sony bzw. dessen Studio Santa Monica Studio jedenfalls ein weiterer Exklusivtitel gelungen, der unterstreicht, warum es sich lohnt eine PS4 zu besitzen. Viele Games werden sich in Zukunft an dieser Symbiose aus Gameplay und Story messen lassen müssen. Und jeder Entwickler, der ein Reboot einer bekannten Spielereihe plant, dürfte wohl „God of War“ als Paradebeispiel im Kopf behalten.

Habt ihr schon bei „God of War“ reingeschaut? Seid ihr ähnlich angetan wie ich? Oder wartet ihr aktuell noch ab bzw. reagiert skeptischer auf den Kurswechsel rund um Götter-Rüpel Kratos?

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden.

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2 Kommentare

  1. Dominic Becker says:

    Habe GoW am Freitag durch gespielt. Ich kenne zwar die Vorgänger nicht, bin aber durch Spiele wie Witcher 3 oder Uncharted unglaublich verwöhnt, was eine gute erzählte Geschichte angeht.
    Ohne etwas zu Spoilern, ist für mich die Vater-Sohn Geschichte und wie sich BEIDE Charaktere entwickeln das Highlight.

  2. Kann Reen nur zustimmen, insbesondere was die generischen, nach Ubisofts und EAs Formel produzierten MP/Open-World-Titel samt widerlichen Monetisierungsstrategien betrifft.
    GOW ist schlicht und einfach großartig; ich hoffe, dass es in Zukunft viele Entwickler inspiriert.

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