Facebook muss Konto nicht Erben zugänglich machen

Ein streitbares Urteil kommt aus Berlin. Eine Familie wollte vor Gericht erstreiten, dass sie Zugriff auf das Konto der verstorbenen Tochter bekommt. Das Kammergericht hat aber in zweiter Instanz zugunsten von Facebook entscheiden, das Konto wird also nicht für die Eltern geöffnet, sodass diese sämtliche Inhalte des Accounts einsehen können.

Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses stehe dem Anspruch der Erben entgegen, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit Dritten zu erhalten, so das Kammergericht. Das den Eltern noch zufallende Totenfürsorgerecht könne nicht dazu dienen, einen Anspruch auf Zugang zum Social-Media-Account des verstorbenen Kindes herzuleiten. Auch das eigene Persönlichkeitsrecht der Mutter sei nicht geeignet, einen Anspruch auf diesen Zugang zu begründen, heißt es ferner.

Kammergericht Berlin

Das Kammergericht ließ offen, ob die Klägerin und der Kindesvater als Erben in den Vertrag eingerückt seien, den die verstorbene Tochter mit Facebook geschlossen hatte. Es sei zwar grundsätzlich möglich, dass die Erben in die Rechte und Pflichten dieses Vertrages eingetreten seien, und zwar nicht im Sinne der aktiven Fortführung dieses Vertrages, sondern um passive Leserechte zu erhalten. In den von Facebook gestellten Nutzungsbedingungen sei nicht geregelt, ob Rechte aus dem Vertrag im Falle des Todes des Nutzers auf seine Erben übergehen könnten. Auch der Grundgedanke des Vertrages spreche nicht generell dagegen, dass er nicht vererblich sei. Facebook wolle den Nutzern nur eine Kommunikationsplattform zur Verfügung stellen und Inhalte vermitteln. Durch eine Änderung in der Person des Vertragspartners würden die Leistungen in ihrem Charakter nicht verändert.

Im konkreten Fall ging es nach DPA-Informationen um einen Fall, bei dem ein Mädchen 2012 an einem Berliner U-Bahnhof zu Tode kam. Hier wollten die Eltern wohl anhand der vorgenommenen Kommunikation herausfinden, ob es sich um einen Suizid handelte. Schwieriges Thema, bei dem ich sicherlich als Elternteil anders denke – wie wahrscheinlich viele unserer Mitleser.

Auch wenn es ein schwieriges Thema ist. Solltet ihr eure Accounts später in Händen vertrauter Personen wissen wollen, so schaut euch meinen Beitrag zum Thema Nachlasskontakte bei Google und Facebook an.

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Hallo, ich bin Carsten! Ich bin gelernter IT-Systemelektroniker und habe das Blog 2005 gegründet. Seit 2008 ist es Beruf(ung). Baujahr 1977, Dortmunder im Norden, BVB-Fan und Vater eines Sohnes. Auch zu finden bei X, Threads, Facebook, LinkedIn und Instagram.

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24 Kommentare

  1. Ich halte das Urteil grundsätzlich für richtig, auch wenn die Umstände im vorliegenden Fall (Suizid, minderjährig) besonders sind. Als Kommunikationspartner muss ich davon ausgehen können, dass die Kommunikation vertraulich ist. Natürlich kann mein gegenüber jederzeit meine Nachrichten weitergeben. Das ist hier jedoch nicht das Thema, da es hier um das Erben geht. Auch nach dem Tod des anderen muss die Vertraulichkeit weiter bestehen. So hat auch das Gericht geurteilt. Ein wichtiger Aspekt ist im vorliegenden Fall natürlich auch, dass es sich nicht um eine Straftat handelt. Hier hätten auch nicht die Eltern Anspruch auf Einsicht, sondern die Ermittlungsbehörden.

  2. @Florian:
    Das Urteil ist dennoch in gewisser Weise konsequent: Hätte es sich um klassische Briefe gehandelt, dann hätten die Eltern als Erben ihrer Tochter einen Anspruch darauf, die Briefe zu öffnen und zu lesen.

    Rein menschlich gesehen sicherlich unglaublich schwierig für die Eltern. Sie tun mir leid.

  3. @Bernhard: Das Gericht argumentiert entsprechend dem Fernmeldegeheimnis nach dem Telekommunikationsgesetz. Hier sind Telefonate, nach entsprechendem Urteil des BGH auch E-Mails, und nach Auffassung dieses Gerichts auch Chat-Nachrichten enthalten. Materielle Dinge werden dabei nicht betrachtet. Bei einem Brief muss ich als Kommunikationspartner auch davon ausgehen, dass er von dritten gelesen wird. Bei Passwort-gesicherten E-Mails und Chats muss ich das nicht.

  4. oh – wollte „inkonsquent“ statt „konsequent“ schreiben…
    @Florian: mmmh, ja, deiner Argumentation kann man da schon folgen. Danke für die Herleitung.

  5. Wenn doch Facebook es doch nur selbst mit den Datenschutz so genau nehmen würde.

  6. Schweres Thema.
    Grundsätzlich richtig die Entscheidung.

    Es ist nur die frage ob man in so einem Falle nicht Facebook eine Ausnahme machen sollte Einmal der Anlass und dann wer den Antrag stellt.

    Ich bin immer der Meinung das man auch den Einzelfall sehen.

  7. @John Dann sind wir beim gleichen Thema, das wir auch gestern mit dem Löschen von Kommentaren im Rahmen des Gesetzentwurfes von Herrn Maas hatten. Wer soll das entscheiden? Facebook? Ein Gericht? Heiko Maas (ab Oktober hat er hoffentlich Zeit dafür)? Was sind die Kriterien? Ein Gesetz muss immer gelten. Es kann nicht sein, dass tragische Umstände es aufheben. Es ist auch nicht klar, was die Angehörigen dadurch gewinnen. Trost? Klarheit über die Umstände? Das kann man nicht mit Gewissheit sagen.

  8. Das eigentlich größte Problem daran finde ich allerdings, dass die Eltern anscheinend die Logindaten für das Konto haben, es jedoch auf Anfrage eines Facebookkontaktes des Mädchens in den Gedenkzustand versetzt wurde und sich daher niemand mehr einloggen kann.
    Da frage ich mich natürlich wie ein Facebookkontakt das erreichen kann, die Eltern jedoch keinen Zugang bekommen.

  9. Richtige Entscheidung! Ob Einzelfall hin oder her, ist es in jedem Fall richtig, dass so entschieden wurde. Es gibt durchaus die Möglichkeit einen „Erben“ für das Konto bei Facebook einzusetzen. Die Funktion nennt sich „Nachlasskontakt“. Diese Person kann dann anschließend Freundschaftsanfragen beantworten, Beiträge fixieren und das Profilbild aktualisieren! Nachrichten schreiben/lesen oder Beiträge posten sind nicht möglich!

    Zitat von Facebook: „Ein Nachlasskontakt ist eine von dir ausgewählte Person, die im Todesfall dein Konto verwaltet. Diese Person kann beispielsweise einen Beitrag in deiner Chronik fixieren, auf neue Freundschaftsanfragen antworten und dein Profilbild aktualisieren. Allerdings kann sie nicht in deinem Namen posten oder deine Nachrichten sehen.“

    Ich finde die Entscheidung absolut richtig und notwendig. Hätte man hier anders entschieden, hätte man einen Präzedenzfall geschaffen und eine wichtige „Mauer“ im Datenschutz wäre gefallen!

  10. DragonHunter says:

    @friloo:
    Ich finde die Argumentation mit dem Nachlasskontakt etwas einseitig.
    Als Eltern tritt man normalerweise das Erbe an. Damit hat man auch Zugang zu Briefen, Unterlagen und dem restlichen Eigentum.
    Wo ist da der Unterschied zum Facebook-Profil? Hat diese Einstellung nun die Kraft eines Testaments?
    Schwierig. Sehr schwierig.
    Das Postgeheimnis erlischt mit dem Tode quasi, das Fernmeldegeheimnis nicht? Wieso?

    Einen Präzedenzfall kann man in Deutschland so gar nicht schaffen. Dieses System kennt man hierzulande nicht.
    Aber womöglich wird hier auf eine Grundsatzentscheidung des BGH hingearbeitet, was ich gut finde.

  11. Richtig so.

    Und ein Nachlasskontakt bei Facebook und Co einrichten ist doch Unsinn. Warum das noch nicht kassiert wurde ist mir schleierhaft. Ab ins Testament damit und gut ist (zumindest für den mündigen Teil der Gesellschaft).

  12. Kopfschuettel says:

    Ich finde auch, dass Mitgefühl mit den Eltern deutlich weniger Wert hat als das Fernmeldegeheimnis. Wer ein Kind verliert sollte doch froh sein, dass es wenigsten Datenschutz gibt. Wichtig ist Internet, Facebook und co. Merkt ihr eigentlich wie pervertiert das ganze ist?! Stellt euch doch mal vor, es wäre eure Tochter gewesen und es würde die Möglichkeit geben wenigsten ein wenig Frieden zu finden. Wie kann das Fernmeldegeheimnis wichtiger sein als den Eltern vielleicht ein wenig Last zu nehmen? Ich kann über das Urteil nur den Kopf schütteln ebenso wie über einige Kommentare hier.

  13. @Kopfschuettel In der Rechtsprechung geht es nicht darum, trauernden Eltern die Last zu nehmen. Dafür sind die Gerichte nicht da. Wegen dieses einen tragischen Falls kann man diesen Schutz nicht grundsätzlich aufgeben. Und das Argument, dass sich jeder vorstellen soll, es wäre sein Kind, ist auch hinfällig. In dem Fall wäre man befangen und könnte nicht objektiv urteilen, so wie es die Kommentatoren tun, über die du den Kopf schüttelst. Außerdem suggerierst du, dass es den Eltern nach Einsicht in den Account besser gehen würde. Das kann keiner mit Sicherheit sagen. Was wäre denn, wenn das Kind dort im vertraulichen Chat mit einer Freundin den Eltern die Schuld gibt?

  14. Die Eltern hatten ja die Zugangsdaten (woher auch immer), daher sollten sie auch Zugang bekommen (z.B. nur lesend). Das man in jungen Jahren nicht an ein digitales Testament denkt ist auch völlig normal denke ich.

  15. @Peter Wer sagt denn, dass es der Wunsch des Kindes war, dass die Eltern Einsicht bekommen. Außerdem darf ein Nachlasskontakt bei FB nicht die Chats lesen. Diese sind laut Urteil ja auch geschützt.

  16. @Florian: da den Eltern die Zugangsdaten bekannt sind, gehe ich davon aus, daß das Mädchen den eigenen Eltern im Vertrauen diese gegeben / hinterlassen hat. In dem Fall fehlt eben das digitale Testament – in dem Alter eher unüblich überhaupt eines zu verfassen.
    Mal sehen ob es da weiter gehen wird.

  17. Meiner Meinung nach hätte es hier eine Lösung gegeben, die beiden Seiten gedient hätte. Das Gericht hätte verfügen können, dass ein unabhängiger Gutachter Zugang zu dem Konto erhält und es auf Hinweise zu Suizidgedanken oder Mobbin prüft.

    Ich selbst arbeite im Bereich Behandlungsfehler. Auch hier gibt es die Möglichkeit, dass Erben einen Behandlungsfehler prüfen können, auch wenn sie vom Verstorbenen nicht dazu legitimiert wurden (was ja in den wenigsten Fällen möglich ist). Der wichtigste Aspekt hierbei: ein bestehendes sog. „immaterielles Interesse“. Will heißen: die Erben wollen von den vermuteten Schädigern keinen finanziellen Ausgleich/“Schadenersatz“, sondern nur Klarheit über die Todesumstände des Verstorbenen. In diesem Fall bietet das Gesetz eben doch die Möglichkeit, auch ohne Zustimmung des Verstorbenen dessen medizinische Unterlagen einzusehen. Eine gewisse Analogie könnte ich da durchaus erkennen.

  18. Kopfschuettel says:

    @Florian Du hast keine Kinder, oder? Deine Argumente sind immer schlüssig. Alles schön technokratisch. Ein paar Kollateralschäden sind immer hinzunehmen. Es sei den, es trifft dich mal. Dann wirst Du die Dinge auch mit einer anderen Brille sehen. Es wäre ein leichtes gewesen, sowohl für FB als auch für das Gericht, Regelungen zu finden, die den Eltern helfen können. Der Verlust der Tochter wird immer ein Problem für die Eltern bleiben.

  19. @Peter Ein 15jähriges Mädchen gibt freiwillig den Eltern die Zugangsdaten für ihren Facebook-Account?! Das halte ich für sehr, sehr unwahrscheinlich. Eher hat sie das PW im Browser o.ä. gespeichert.

  20. @Kopfschuettel Ich frage mich, warum du das hier immer auf die emotionale Ebene bringen möchtest. Wir beide kommentieren hier einen Artikel auf einer IT-Seite. Auch wenn ich mich wiederhole: Es geht hier um Gesetzgebung und Rechtsprechung. Die Eltern hatten geklagt, weil sie vollen Zugriff auf die Kommunikation ihrer verstorbenen jugendlichen Tochter auf Facebook aus Basis des Erbrechts haben wollten. Das Gericht hat geurteilt, dass das Telekommunikationsgesetz und der Schutz der Kommunikation mit dritten dagegen höher wiegt. Wenn dir hier bei dieser Diskussion die emotionale Tiefe fehlt, solltest du diese auf Seiten suchen, die eher das Leid der Eltern thematisieren. In einem Bericht, der hier zwischen dem neuen Stream-Angebot der Telekom und dem neusten Smart Home-System veröffentlicht wird, wird du diese zumindest von mir nicht erhalten.

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