Europäische Kommission leitet Untersuchung gegen Amazon ein

Die Europäische Kommission leitet eine Untersuchung gegen den Internet-Riesen Amazon ein. Mögliche wettbewerbswidrige Verhaltensweisen seien der Grund hierfür.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: „Die europäischen Verbraucher kaufen zunehmend online ein. Der elektronische Handel hat den Wettbewerb im Einzelhandel angekurbelt und zu einer größeren Auswahl und günstigeren Preisen geführt. Wir müssen sicherstellen, dass große Online-Plattformen diese Vorteile nicht durch wettbewerbswidriges Verhalten aushebeln. Ich habe daher beschlossen, die Geschäftspraktiken von Amazon und seine doppelte Funktion als Verkaufsplattform und Einzelhändler unter die Lupe zu nehmen, um die Einhaltung der EU-Wettbewerbsregeln zu prüfen.“

Amazon hat als Plattform eine doppelte Funktion: Zum einen verkauft das Unternehmen als Einzelhändler Produkte auf seiner Website, zum anderen stellt es einen Online-Marktplatz zur Verfügung, über den unabhängige Händler ihre Produkte direkt an Verbraucher verkaufen können. Und hier greift nun die Europäische Kommission ein.  Bei der Bereitstellung eines Marktplatzes für unabhängige Händler sammelt Amazon fortlaufend Daten über die Tätigkeit auf seiner Plattform. Nach ersten Erkenntnissen der Kommission scheint Amazon wettbewerbssensible Informationen über Marktplatzhändler, ihre Produkte und die von den Händlern auf der Plattform vorgenommenen Transaktionen zu nutzen.

Was man nun genau untersuchen will?

  • Die Standardvereinbarungen zwischen Amazon und Marktplatzhändlern, die es Amazon als Einzelhändler ermöglichen, Daten von Drittanbietern zu analysieren und zu nutzen. Insbesondere wird die Kommission der Frage nachgehen, ob und wie die Nutzung der Daten, die Amazon als Einzelhändler über die Marktplatzhändler sammelt, den Wettbewerb beeinträchtigt.
  • Die Rolle von Daten bei der Auswahl der in der „Buy Box angezeigten Händler“ und wie sich die Nutzung wettbewerbssensibler Informationen über Marktplatzhändler durch Amazon gegebenenfalls auf diese Auswahl auswirken könnte. Über die gut sichtbar auf der Amazon-Website angezeigte „Buy Box“ können Kunden Produkte eines bestimmten Einzelhändlers direkt in ihren Einkaufswagen legen. Die Anzeige in der „Buy Box“ scheint für Marktplatzhändler entscheidend zu sein, da die meisten Transaktionen über sie abgewickelt werden.

Laut Meldung der Europäischen Kommission verstoßen die Praktiken möglicherweise gegen EU-Vorschriften.

Update: Passend dazu die Meldung des Bundeskartellamtes.

Aufgrund von kartellrechtlichen Bedenken des Bundeskartellamtes ändert Amazon seine Geschäftsbedingungen für Händler auf den Amazon Online-Marktplätzen.

Zu den Änderungen im Einzelnen:

– Haftungsregeln:

Amazon ist bislang praktisch von jeglicher Haftung gegenüber den Händlern freigestellt.

Dieser Haftungsausschluss von Amazon wird zu Gunsten der Händler eingeschränkt und enger gefasst. Amazonhaftet künftig ebenso wie die Händler für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sowie bei Verletzung wesentlicher Vertragspflichten. Damit erfolgt für die europäischen Marktplätze eine Anpassung der Regelungen an europäische Standards für Geschäftsbeziehungen zwischen Gewerbetreibenden (B2B).

– Kündigung und Sperrung:

Amazon hat bislang ein unbeschränktes Recht zur sofortigen Kündigung und der sofortigen Sperrung von Konten der Händler ohne Angabe von Gründen.

Bei ordentlichen Kündigungen gilt künftig eine 30 Tage-Frist. Bei außerordentlichen Kündigungen (gestützt auf den Vorwurf von Gefährdungen und Rechtsverletzungen durch einen Händler) ebenso wie bei Sperrungen besteht nun eine Pflicht von Amazon zur Information und Begründung.

– Gerichtsstand:

Bislang war Luxemburg als ausschließlicher Gerichtsstand in den europäischen Geschäftsbedingungen für den Marktplatz als auch in den europäischen Geschäftsbedingungen für den Zahlungsverkehr vorgegeben. Diese Regelung hat es insbesondere kleineren Händlern erschwert, überhaupt eine rechtliche Auseinandersetzung zu suchen.

Die Ausschließlichkeit des luxemburgischen Gerichtsstands wird nun für alle europäischen Marktplätze beseitigt. Inländische Gerichte können künftig unter bestimmten Voraussetzungen zuständig sein.

– Retouren und Erstattungen:

Für die Kunden bleibt alles beim Alten. Von einer Neuregelung unangetastet bleiben die Amazon-Regeln zu Kundenretouren und Erstattungen im Hinblick auf das Verhältnis zu den Kunden.

Bislang mussten die Händler einseitig die Kosten und sonstigen Folgen einer von Amazon getroffenen Erstattungsentscheidung tragen. Halten sie die Retoure für unberechtigt, können sie nach den neuen Regelungen Widerspruch einlegen und ggf. einen Ausgleichsanspruch gegenüber Amazon geltend machen.

– Produktinformation und Nutzungsrechte:

Die Händler mussten Amazon bislang sehr weitreichende Rechte zur Nutzung der eigenen Produktmaterialien, wie Informationen, Beschreibungen, Bilder etc. einräumen. Händler mussten dem Amazon-Marktplatz außerdem Produktmaterial zur Verfügung stellen, das qualitativ ebenso hochwertig ist wie das von ihnen in anderen Vertriebskanälen verwendete Material („Paritätsvorgabe“).

Die angepassten Regelungen enthalten hinsichtlich der Nutzungsrechte Verbesserungen und Klarstellungen im Sinne der Händler. Insbesondere ist die zulässige Nutzung durch Amazon nun auf bestimmte Verwendungszwecke beschränkt. Die sogenannte „Paritätsvorgabe“ entfällt. Künftig sind daher hochwertigere bzw. speziellere Produktinformationen und Darstellungen auf anderen Webseiten möglich. Anforderungen von Amazon an die Qualität des Produktmaterials bleiben aber weiterhin zulässig. Diese Änderung unterstützt die Möglichkeiten von Händlern und Herstellern, mit eigenen Internetseiten in den Wettbewerb zum Amazon-Marktplatz zu treten.

– Geheimhaltung:

Öffentliche Äußerungen der Händler zu der Geschäftsbeziehung zu Amazon sind bislang nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung von Amazon erlaubt gewesen.

Die diesbezügliche Klausel wird weitgehend reduziert.

– Transparenz:

Das Bundeskartellamt hat dafür Sorge getragen, dass es für Händler künftig einfacher wird, die geltenden Regelungen überhaupt zu identifizieren. Die Regelungen werden künftig besser auffindbar sein. Änderungen werden mit einer Frist von 15 Tagen vorher angekündigt.

– Produktrezensionen und Verkäuferbewertungen:

Von zahlreichen Händlern wurde auch die Praxis von Amazon bei Bewertungen beanstandet. Es wurde kritisiert, dass Amazon Verkäufe von Amazon als Händler (Amazon Retail) gegenüber den Verkäufen von Marktplatzhändlern in dieser Hinsicht bevorzugen würde, insbesondere weil über Drittanbieter eingeholte Produktbewertungen von der Plattform entfernt werden. Amazon hat vorgetragen, dass es ein erhebliches Risiko von falschen und manipulativen Bewertungen gibt und Amazon das Problem grundsätzlich angehen möchte. Vor allem soll das bislang nur den Lieferanten von Amazon Retail zugängliche eigene Bewertungsprogramm „Vine“ schrittweise für solche Marktplatzhändler geöffnet werden, die Inhaber einer bei Amazon registrierten Marke sind.

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Hallo, ich bin Carsten! Ich bin gelernter IT-Systemelektroniker und habe das Blog 2005 gegründet. Seit 2008 ist es Beruf(ung). Baujahr 1977, Dortmunder im Norden, BVB-Fan und Vater eines Sohnes. Auch zu finden bei X, Threads, Facebook, LinkedIn und Instagram.

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9 Kommentare

  1. Wolfgang D. says:

    „Amazon hat bislang ein unbeschränktes Recht zur sofortigen Kündigung und der sofortigen Sperrung von Konten der Händler ohne Angabe von Gründen.“

    Auch gegenüber dem Kunden, wenn Amazon dessen Retourenhäufigkeit nicht passt, oder wurde das Verhalten schon durchgeklagt?

    Echt ein sehr seltsames Geschäftsgebahren.

    • Retourenkönig says:

      Was soll daran seltsam sein? Jeder Händler kann selbst entscheiden mit wem er Geschäfte machen will oder halt auch nicht. Auch Amazon.

    • BMHAMBURG says:

      Naja das Privatkonto des Kunden zu sperren ist das gute Recht von Amazon. Als privates Unternehmen darf auch Amazon sich aussuchen mit wem Sie geschäfte machen möchten und mit wem nicht.

    • Wolfgang D. says:

      @Retourenkönig und @BMHAMBURG

      Den Fehler in eurer Argumentation findet ihr sicher selber, mit nur wenig Nachdenken…

      • Erleuchte uns bitte mit deinem Wissen. Weder das BGB noch das HGB liefern da einen Anhaltspunkt, der deine Aussage stützen würde. Andere gesetzliche Grundlagen, die ein Unternehmen dazu verpflichten würden, einen potentiellen Kunden nicht ablehnen zu dürfen, sind mir keine bekannt.

      • Retourenkönig says:

        Nö, ich find‘ nix… Mal abgesehen davon, daß Amazon einer der verbraucherfreudlichsten Händler ist, die ich kenne, kann ich jede Firma verstehen, die keine Kunden will, die von 100 Paketen 98 retournieren. Und genau wie jeder Verbraucher selbst entscheiden kann bei wem er kauft, kann sich auch jeder Händler seine Kunden aussuchen. Nennt man Vertragsautonomie. Wie Amazon (oder jeder andere aus der Branche) mit seinen Lieferanten, Angestellten, Marktplatznutzern, etc. umgeht ist wieder eine ganz andere Baustelle.

  2. Diese Untersuchung kann ich nur begrüßen.

    Erst kürzlich hatte ich ein Erlebnis, bei dem Amazon als Verkaufsplattform, Händler und Hersteller auftrat. Dabei ging es um einen Amazon Echo Spot, der nach knapp über einem Jahr einen Defekt aufwies. Zunächst wurde eine Leistung seitens Amazon ausgeschlossen, da die Garantie abgelaufen sei. Auch ein Hinweis auf die Gewährleistung führte nur zu einem weiteren Hinweis, dass die einjährige Garantie nachweislich abgelaufen sei. Erst eine nachdrückliche Erläuterung der Gesetzgebung führte zumindest zu einem Weiterleiten an die Fachabteilung.

    So ein Verhalten eines solche erfahrenen Händlers finde ich gelinde gesagt überraschend. Und ich will nicht wissen, wie viele Kunden sich mit dem Hinweis auf die einjährige Garantie und die Ignoranz gegenüber der Gewährleistung haben abwimmeln lassen. „Kundenfreundlichstes Unternehmen der Welt“? Mit Sicherheit nicht.

  3. Wir kaufen sehr viel über Amazon , finde diese Aktion aber gut und längst überfällig, da Amazon alle Daten hat, um das eigene Angebot zu steuern (Produkte, Preise). Sobald sich ein Produkt rentiert, steigt Amazon selbst als Anbieter ein ,sonst überlässt es das gerne dem Marktplatz.

  4. Welche Zeitverschwendung wieder mal, fast jeder hat eine Verkaufsplatform. Real, Conrad seit neuestem uvm.
    Man sollte lieber sorgen das Unternehmen mal ihre FUCKING Steuer dort bezahlen wo sie auch Verkaufen/Tätig sind nicht nur das Geld von dort abgraben. Aber da wir in D sind machen das die Dumpflitiker natürlich nicht, ganz im Gegenteil, man läßt sich lieber weiter von den Großen aus D schmieren um dies nicht zu tun. Schließlich saugt ja D als großer Exportör auch anderswo ganz gut. Die kleinen, armen und dummen werden immer auf der Strecke bleiben und wie sollen sie sich schon währen… sollen sie froh sein das sie was kaufen können… tja so denkt der AMI auch und lacht über die dummen D/EUler…

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