„Die Fantastischen Abenteuer von Captain Spirit“ angespielt: Gratis-Adventure mit Stil

Als auf der E3-Pressekonferenz von Microsoft das neue Game “ The Awesome Adventures of Captain Spirit“ bzw. „Die Fantastischen Abenteuer von Captain Spirit“ vorgestellt wurde, war ich sofort vom ersten Teaser begeistert. Klar, mit verträumt-melancholicher Indie-Musik kriegt man mich sowieso schnell. Entsprechend fachte der Song „Death with Dignity“ von Sufjan Stevens in Kombination mit dem gezeigten Gameplay-Material meine Begeisterung rasch an. Dann ist diese Mini-Episode auch noch kostenlos? Da bin ich doppelt dabei!

Entsprechend: Falls ihr „Life Is Strange“ oder das ebenfalls sehr gute Prequel „Life Is Strange: Before the Storm“ mögt, dann reißt euch auch das Spin-Off „Die Fantastischen Abenteuer von Captain Spirit“ möglichst schnell auf die Konsole oder den PC. Da diese Teaser-Episode auf das im September erscheinende „Life Is Strange 2“ gratis ist, gibt es keine Ausreden. Zur Verfügung steht das Spielchen für die Xbox One, PlayStation 4 und den PC (via Steam). Ich selbst habe den Titel an meiner Xbox One X angezockt. So erstrahlt das Game auf Basis der Unreal Engine 4 dann in höherer Auflösung.

Was man gleich im direkten Vergleich zu „Life Is Strange: Before the Storm“ bemerkt, das ebenfalls für die Xbox One X optimiert wurde, aber noch auf einer anderen Engine basierte: Die Performance ist in „Die Fantastischen Abenteuer von Captain Spirit“ deutlich flüssiger. Auch der Detailgrad wurde gehörig angekurbelt. Zwar bleibt es bei einem comichaften Look, der gar nicht erst fotorealistische Gefilde anstrebt, doch in Nahaufnahmen erspäht man etwa Details im Material der Spielzeuge des Hauptcharakters Chris, welche in bisherigen Spielen der Reihe ausblieben.

Chris ist dabei ein zehn Jahre alter Junge, der davon träumt ein Superheld zu sein. Dafür erfindet er sich seine eigene Welt, in der Gut und Böse klar getrennt sind. Denn Chris Realität sieht anders aus: Gleich zu Anfang erfährt man als Spieler, dass Chris Mutter durch einen Unfall ums Leben gekommen ist. Chris Vater ist dadurch zum Säufer geworden, der in seiner Verzweiflung seinem eigenen Sohn teilweise die Schuld für den Tod seiner Frau gibt. So kehren sich die Rollen um und Chris muss sich um seinen Vater kümmern, statt umgekehrt. Halt findet er nur in seiner Fantasiewelt.

Auch wenn jenes tragisch klingen mag, bewahrt sich Chris einen kindlichen Optimismus, welcher „Die Fantastischen Abenteuer von Captain Spirit“ auszeichnet. Dadurch wird die kurze Standalone-Episode nicht zu einer tristen Erfahrung, sondern lebt von einer verträumten Melancholie. Denn durch die Einsamkeit von Chris schimmert immer wieder Hoffnung durch. Schließlich wähnt sich Chris ja nicht umsonst als rechtschaffener Superheld Captain Spirit.

Als Spieler hat man dabei Einfluss auf Entscheidungen, die Chris trifft. Banalitäten sind gleichzeitig Reflexionen von Chris Alltagsleben: Verschont Chris beim Spielen den Schurken und bietet ihm die Chance seine Taten wieder gut zu machen, oder lässt er ihn quasi sterben? Das entscheidet man als Spieler und kann dem Jungen damit einen eigenen Dreh geben. Außerdem hat Chris die Möglichkeit seine „Superhelden-Fähigkeit“ einzusetzen. Anders als bei „Life Is Strange“ kann Chris aber nicht wirkliche Wunder bewirken, sondern stellt es sich eben eher vor. So knipst er den TV in seiner Fantasie mit der Kraft seiner Gedanken an – hält aber in Wahrheit versteckt die Fernbedienung in der Hand.

Auch Verweise auf die größere Welt von „Life Is Strange“, denn „Die Fantastischen Abenteuer von Captain Spirit“ spielt ja im gleichen Universum, gibt es für Fans. Chris verstorbene Mutter besitzt etwa tatsächlich ein Fotografie-Buch von Mark Jefferson, der Gamern als Lehrer an der Blackwell Academy aus der ersten Season bekannt ist. Auch haben die Entwickler von Dontnod Entertainment bereits bestätigt, dass Chris auch in „Life Is Strange 2“ eine Rolle spielen wird. Denn ohne hier zu spoilern, das Ende dieser kostenlosen Standalone-Episode bringt einen Twist in sein Leben.

Mich hat das Adventure auch etwas an den großartigen Film „Wo die wilden Kerle wohnen“ erinnert. Denn auch „Die Fantastischen Abenteuer von Captain Spirit“ ist eine Geschichte über kindliche Fantasie und Verarbeitungsstrategien – manchmal vielleicht kindlich, aber nicht kindisch. Man kann sicher kritisieren, dass einiges etwas gehetzt wirkt. Etwa ruft einen Chris Vater zum Frühstück und wechselt innerhalb von Sekunden quasi die Rolle vom vermeintlich netten Vater zum Säufer. Teilweise hätte man sich hier etwas mehr Zeit für die dramaturgische Entfaltung nehmen können.

Doch es fällt schwer bei einer Spielzeit von etwa zwei Stunden für lau zu meckern. Zumal auch das mehrfache Durchspielen lohnt. Anders als bei „Life Is Strange“ und dessen Prequel „Life Is Strange: Before the Storm“ ist „Die Fantastischen Abenteuer von Captain Spirit“ nicht völlig linear. Chris hat sich selbst quasi eine To-Do-Liste für den Tag auferlegt. In welcher Reihenfolge man die Aufgaben erledigt, steht einem völlig frei. Zumal man die Handlung des Adventures beenden kann, bevor die Aufgaben abgeschlossen sind. Auch nach dem Abspann lohnt es sich also, alternative Möglichkeiten durchzuspielen.

Was soll ich sagen? Mir hat „Die Fantastischen Abenteuer von Captain Spirit“ in der kurzen Spielzeit extrem gut gefallen. Ich habe sofort Lust auf mehr bekommen und bin nun nach früheren Zweifeln überzeugt, dass „Life Is Strange“ auch als größeres Universum ohne Max und Chloe funktionieren kann. Sollte „Life Is Strange 2“ also ein ähnliches Flair mitbringen, dürfte ich weiterhin ein riesiger Fan der Reihe bleiben.

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden. PayPal-Kaffeespende an den Autor.

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7 Kommentare

  1. Hmm ‚…für PC…‘ bedeutet diesmal wieder nur ‚Windows‘

    (Wann lernen die Macher und Blogger endlich, dies richtig zu definieren…)

  2. Genau xD …ihr seid mir ja zwei sympathische Menschen. Es ist nunmal fachlich einfach völliger Blödsinn zu schreiben, dass es ein ‚Progamm für den PC‘ gibt. Als Blogger und erst recht als Softwareentwickler sollte man das wissen.
    Oder habt ihr schonmal EINEN Beitrag gelesen, in dem geschrieben wurde, dass es ein bestimmtes ‚Programm fürs Smartphone‘ gibt? ^^ Da können sie doch auch alle differenzieren ob iOS, Android, …
    Denkt ruhig mal drüber nach, bevor ihr das nächste mal solche intelligenten Kommentare abgebt. 😉

    • Ist aber so – PC – Personal Computer – fachlich mag es kleinkariert falsch sein – der Konsument aber versteht was gemeint ist. Alternativen zu Windows sind da eher „unter ferner liefen“ usw

      Das Smartphones größer aufgeteilt sind liegt dran dass dort Apple weit mehr bei Konsuimenten verbreitet ist als im PC Sektor… Zudem gibts viele die gar keinen PC oder ähnliches mehr haben und nur noch ein Smartphone – Apple oder Samsung (viele meiner Kollegen wissen nicht mal dass sie Android haben oder es ist ihnen egal ^^)

  3. Gestern mal angezockt auf dem (Windows-)PC und ganz angetan. Macht Laune. Danke für den Tipp!

    • André Westphal says:

      Immer gerne, cool dass dir die Episode auch gefallen hat! Im September gehts dann ja mit „Life Is Strange 2“ weiter – freue mich sehr drauf und werde dazu bestimmt auch was bloggen :-).

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