„Detroit Become Human“ angespielt: Träumen Androiden von elektrischen Schafen?

Anfang Juli hatte ich einen Beitrag über meine bisherigen Top-Spiele des Jahres 2018 veröffentlicht. Damals sparte ich „Detroit Become Human“ aus, weil ich das Game schlichtweg bis zu jenem Datum noch nicht gezockt hatte. Mittlerweile habe ich es einem enttäuschten Kumpel abgekauft, der mit der dystopischen Atmosphäre des Titels nicht so recht warm wurde. Bereits nach wenigen Tagen stecke ich nun in der Mitte des Spiels und bin schwer begeistert. Entwickler David Cage hat hier sein meiner Meinung nach wohl bestes Game abgeliefert.

Klar, noch bin ich nicht komplett durch, doch „Detroit Become Human“ erscheint mit bisher als absolut konsequente Fortführung des Gameplays, das Cage auch schon zuletzt in „Heavy Rain“ und „Beyond: Two Souls“ immer weiter perfektionierte. Ihr wisst nicht so genau was ich meine, weil ihr noch nie ein Game von David Cage gespielt habt? Vielleicht kennt ihr stattdessen die Adventures von Telltale? Grob ist das Gameplay durchaus vergleichbar. So sind auch die Spiele von Cage und seinem Studio Quantic Dream über weite Strecken eher interaktive Filme.

Begonnen hatte Cage mit jener Formel bereits in „Fahrenheit“ im Jahr 2005. „Detroit Become Human“ ist aber mit Sicherheit nun das Spiel, welches die Grenze zwischen Game und Film am stärksten verwischt. Das liegt freilich auch an der weiterentwickelten Technik. Auf der PlayStation 4 Pro sieht dieses Spiel wirklich fantastisch aus. Speziell in Nahaufnahmen sehen die Gesichter der durch Motion Capturing aufgenommenen Schauspieler in einigen Augenblicken fast fotorealistisch aus. Allerdings gibt es auch hin und wieder einige Momente, in denen man ins Uncanny Valley abdriftet.

Auch die Lichtstimmungen, Details wie Regen auf der Kleidung oder Physikeffekte, etwa überschwappendes Wasser aus einem Swimmingpool gleich zu Beginn des Spiels, sehen beeindruckend aus. Zumal auch der mal elektronisch wabernde mal orchestrale und melancholische Soundtrack perfekt zum Spiel passt. Technisch wird hier also wirklich einiges aufgeboten, so dass sich „Detroit Become Human“ zu jederzeit wie ein Triple-A-Titel anfühlt. Dass Schauspieler wie Lance Henriksen („Millennium“) oder Valorie Curry („The Tick“) an Bord sind, verstärkt dabei die Nähe zu Film- und Serienproduktionen.

Das Gameplay bei „Detroit Become Human“, mag anfangs auf diejenigen etwas befremdlich wirken, die noch nie ein Spiel von Quantic Dream gespielt haben. So regiert hier eine Mischung aus Quick-Time-Events, zu treffenden Entscheidungen, welche die Story tatsächlich stark beeinflussen können und kleineren Rätseln. Manchmal widmet man sich auch eher banal wirkenden Tätigkeiten wie dem Servieren des Essens oder des Putzens der Küche. All das wird aber eingesetzt, um Atmosphäre zu schaffen.

Dabei ist es auch in vielen Sequenzen möglich, dass einer der drei Hauptcharaktere komplett über den Jordan geht. Das Spiel geht dann für die anderen Protagonisten dennoch weiter. Anders als in vergangenen Games von Quantic Dream kommt hier aber eine neue Komfortfunktion ins Spiel. So seht ihr nach Abschluss jedes Kapitels in einem Diagramm, wie viele andere Wege ihr verpasst habt. Ihr erfahrt keine Details, seht aber eben alternative Abzweigungen. Das animiert dazu bereits abgeschlossene Sequenzen neu anzugehen. Und das ist möglich, ohne komplett ein neues Spiel anzufangen. Vielmehr sind die einzelnen Kapitel separat auswählbar.

Die Entwickler empfehlen zwar beim ersten Durchspielen die Story quasi so zu nehmen, wie sie kommt, aber euch hindert keiner daran ein Kapitel nochmal neu zu starten, wenn ihr mit dem Ausgang unglücklich seid. Genau das habe ich etwa direkt mehrfach mit dem ersten Abschnitt getan, weil der Androiden-Ermittler Connor sonst direkt das Zeitliche gesegnet hätte. Auch die anderen beiden Hauptfiguren, die sich als Mutter versuchende Kara und der rebellierende Freidenker Markus, können in vielen Sequenzen draufgehen.

Während Kara und Connor mir schnell ans Herz gewachsen sind, ist Markus ein eher dröger Charakter. Hier gibt es ein wenig Jesus-Symbolismus und seine Charakterzüge bleiben, zumindest bis zur Spielmitte, wenig ausgeprägt. Trotzdem ist auch seine Storyline, welche ihn auf eine ganze Gruppe rebellierender Androiden stoßen lässt, durchaus spannend. Denn hier erzähle ich euch sicher nichts Neues: „Detroit Become Human“ dreht sich erzählerisch um eine nahe Zukunft, in welcher Androiden zum Alltag gehören. Erinnert stark an die TV-Serie „Humans“ bzw. „Real Humans“.

Wie gesagt, befinde ich mich erst in der Mitte des Spiels, die Geschichte ist bisher aber sehr fesselnd. Man nimmt auch ein paar Klischees mit, was die Behandlung der Androiden durch die Menschen betrifft, aber gleichzeitig wirft man die klassischen Fragen auf: Was macht ein Wesen menschlich? Wo liegen die Gefahren künstlicher Intelligenz? Sind Maschinen vielleicht die nächste Stufe der Evolution? All diese Fragen verankert man emotional durch die Hauptcharaktere.

Die Entscheidungen, die man im Spiel trifft, haben dabei durchaus Gewicht und führen teilweise zu vollkommen unterschiedlichen Folgesequenzen. Versteckt man sich in einem Motel, einem verlassenen Haus oder auf einem leeren Parkplatz in einem verrosteten Auto? Diese Entscheidung hat später Folgen und alles hat sein Für und Wider. Auch wenn man dabei manchmal im Wesentlichen oft nur Dialogoptionen auswählt oder Quick-Time-Events bearbeitet, fühlt sich „Detroit Become Human“ nie zu passiv an. Genervt war ich persönlich lediglich vom Einsatz der Bewegungssensoren des DualShock 4. Manchmal muss man den Controller in eine bestimmte Richtung reißen. Das wurde leider bei mir nicht immer korrekt erkannt.

Wer auf Games steht, die im Wesentlichen von ihrer Story leben und dem Spieler Einfluss auf die Erzählung gewähren, ohne in hektische Action abzudriften, der wird mit „Detroit Become Human“ viel Spaß haben. Die dichte Atmosphäre tut ihr Übrigens, um speziell Sci-Fi-Nerds zu begeistern. Ich werde den Titel jedenfalls in den nächsten Tagen weiter zocken und anschließend tatsächlich auch mal alternative Lösungswege ausprobieren.

Habt ihr „Detroit Become Human“ bereits gezockt? Wie ist denn eure Meinung zu diesem PS4-Exclusive?

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden.

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5 Kommentare

  1. Was heißt denn PS4-exclusive? Ist es völlig ausgeschlossen, dass das Spiel Mal auf Steam für den PC rauskommt? Bin extrem heiß auf das Spiel, aber nunmal PC-Spieler. Fahrenheit gibt es ja auch für den PC, nur Heavy Rain wohl nicht, wie ich kurz recherchiert habe.

    • Ich glaube eher friert die Hölle zu. Sony hat eben ein Händchen mit ihren Exclusives. Naughty Dog (Uncharted, TLOU) ist auch Sony Exclusiv. Rate mal warum ich eine PS4-Pro zu Hause habe. Microsoft hat das Nachsehen mit der XBOX, aber die echten Hardcore Gamer kaufen sich eh beide UND haben noch einen PC stehen.

  2. Das Spiel ist mein Fehlkauf des Jahres. Leider habe ich mich vom Hype anstecken lassen. Nach einer anfänglich guten Intro war ich dann nur noch der Laufbursche, bis ich nach drei Stunden hingeschmissen habe. Todlangweilig.

  3. Ich habe das Spiel durch gespielt und muss sagen, dass es das beste Game ist, dass ich jemals hatte. Mich hat noch nie ein Spielende so zum Nachdenken angeregt, wie Detroit: Become Human. Und, ohne zu spoilern, das Beste kommt zum Schluss. Echt.

  4. Sehr ich auch so, Simone. Ich liebe es! Ich finde es sogar noch besser als beyond two souls.

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