„As Dusk Falls“ im Test: Tolle Story, kritikwürdige Ästhetik

Diese Woche ist das Spiel „As Dusk Falls“ für den PC und Xbox-Konsolen erschienen. Ich habe mir den Titel, der auch im Xbox Game Pass enthalten ist, einmal für euch angeschaut. Vorneweg kann ich gleich verraten, dass sich das Anspielen lohnt, wenn ihr eine richtig gut geschriebene Geschichte erleben und durch eure Entscheidungen beeinflussen wollt. Wer eine zeitgemäße Präsentation erwartet, ist aber leider an der falschen Adresse.

Kommen wir also gleich zum „Knaller“: „As Dusk Falls“ wird als „interaktives Drama“ beworben. Man spricht bewusst nicht von einem interaktiven Film. Das liegt daran, dass das erste Spiel der Entwickler von Interior Night am ehesten einem Motion-Comic ähnelt. Zwar betrachtet ihr 3D-Hintergründe, die allerdings eher polygonarm wirken und kaum moderne Effekte verwenden, die Charaktere sind aber statische 2D-Zeichnungen, die auch nicht animiert worden sind. Vielmehr wechseln die Abbildungen alle paar Sekunden.

Diese Ästhetik ist sehr minimalistisch geraten und führt dazu, dass deutlich weniger Emotionen der Charaktere rüberkommen, als bei vergleichbaren Games, wie etwa den Telltale-Titeln. Mit jenen hat „As Dusk Falls“ in seinem Gameplay am meisten gemeinsam. Allerdings könnt ihr hier nie die Umgebung frei erkunden. In der Regel wählt ihr unter Zeitdruck aus verschiedenen Entscheidungsoptionen: Werft ihr, um einen wütenden Hund zu besänftigen, etwa ein Stöckchen? Redet ihr beruhigend auf ihn ein? Oder nehmt ihr direkt die Beine in die Hand?

Zwischendurch gibt es viele Quick-Time-Events: Entweder ihr müsst rasch Button-Mashing betreiben, den Stick in eine bestimmte Richtung schwenken oder nur kurz die richtige Taste betätigen. Der Schwierigkeitsgrad ist sehr niedrig, denn mir gelangen fast alle Aktionen sofort auf Anhieb. Die wirkliche Herausforderung liegt also in den Entscheidungen. Oft gibt es da nämlich kein „richtig“ oder „falsch“ und zumindest ich habe mich in der Rolle der Charaktere tatsächlich so entschieden, wie ich wohl auch in der Realität gehandelt hätte.

Damit kommen wir zur Story von „As Dusk Falls“: Die dreht sich im Wesentlichen um zwei Familien, die in den späten 1990er-Jahren in Arizona in einer spannungsgeladenen Situation aufeinandertreffen: Die eine agiert als Geiselnehmer, die andere als Geiseln. Das wäre zum einen die Holt-Familie, die unter finanziellem Druck steht, sodass die drei jungen Söhne keinen Ausweg sehen, als den korrupten Sheriff der Stadt auszurauben. Zum anderen sind da die Walkers, die nach mehreren Schicksalsschlägen in einer neuen Stadt einen Neuanfang versuchen wollen und unfreiwillig in der Heimatstadt der Holts stranden.

Dabei muss ich Interior Night Lob für die Geschichte aussprechen: Die ist wirklich hervorragend geschrieben und fesselte mich schon kurz nach den ersten Spielminuten. Die meiste Zeit über schlüpft man in die Rolle des Familienvaters Vince Walker, entscheidet aber immer wieder auch über die Handlungen des Holt-Bruders Jay. Dabei tauchen auch zahlreiche Subplots auf, die sich etwa um die Ehe der Walkers drehen – da will ich nicht zu viel verraten. Für mich fühlte sich die Story jedenfalls wie eine Folge einer guten TV-Serie wie „Breaking Bad“ an. Auch die Sprecher der einzelnen Charaktere sind im Originalton jederzeit glaubhaft und auf höchstem Niveau.

Leider kann man das aber nicht von der Motion-Comic-Präsentation behaupten. Ich konnte das Spiel zwar genießen, das war aber trotz des Grafikstils und nicht deswegen der Fall. Man gewöhnt sich aufgrund der fesselnden Geschichte daran und kann den statischen Aufbau nach einer Zeit ignorieren. Hier liegt man aber hinter im Gameplay ähnlich gestalteten Titeln wie „The Walking Dead“ deutlich zurück. Zumal auch das Gameplay eben noch eine Spur minimalistischer ausfällt.

Interior Design ist ein junges, kleines Studio, da will ich also mit den Entwicklern nicht zu hart ins Gericht gehen: Denn „As Dusk Falls“ zeigt, dass sie tolle Geschichten erzählen können. Allerdings hat man, nachdem nach ca. drei Stunden der Abspann über den Screen flimmert, eher das Gefühl, die erste Folge eines neuen Episoden-Adventures gezockt zu haben. Richtig gelesen, länger hat zumindest mich ein Durchgang von „As Dusk Falls“ nicht beschäftigt.

(Update: Allerdings sprechen viele Gamer nun von ca. sechs Stunden für einen Durchgang, sodass ich vielleicht einfach ungünstige Entscheidungen getroffen habe, die mich im Eiltempo zum Abspann brachten. Vermutlich werdet ihr also länger brauchen als ich.)

Zwar könnt ihr das Game mehrfach durchspielen, um neue Handlungsalternativen auszuprobieren, letzten Endes sind das aber eher Nuancen in der Erzählung. „Alle Wege führen nach Rom“ und so ist der Abschluss des Spiels trotz eurer Entscheidungen immer sehr ähnlich.

Abonnenten des Xbox Game Pass empfehle ich sehr „As Dusk Falls“ eine Chance zu geben, wenn ihr narrative Games wie „Life Is Strange“, „Detroit: Become Human“ oder eben die Titel von Telltale schätzt. Den aktuellen Preis von 29,99 Euro finde ich für das Gebotene allerdings zu hoch gegriffen. Ich bin jedoch gespannt, ob da noch ein Sequel folgen wird – das Ende des Debüts von Interior Design hält sich da nämlich alle Möglichkeiten offen.

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden. PayPal-Kaffeespende an den Autor.

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11 Kommentare

  1. Keine Ahnung was du gespielt hast, aber nach 3h ging es nach dem Abspann bei mir weiter. Bin mittlerweile bei 6h Spielzeit.

    • André Westphal says:

      Weil du nach dem Abspann neu angefangen hast, oder wie ;-)? Also 6 Stunden hätte ich schon alle Entscheidungen im absoluten Schneckentempo mit Toilettenpausen und Telefonanrufen zwischendurch kaum erreicht. Mit mehrmaligem Durchspielen, um Entscheidungen zu revidieren – klar. Da sind bei mir natürlich noch viel „unaugedeckte Szenen nach dem ersten Durchgang gewesen.

      • Naja, die Main Story besteht aus 6 Kapiteln die ca. ne Stunde gehen und man nicht wirklich beschleunigen kann durch die Filmszenen.
        Aber okay, anscheinend hast du das System geknackt 😛

        https://howlongtobeat.com/game?id=81122

        Egal – Hauptsache es macht Spaß

        • André Westphal says:

          Schaute da auch schon, also ich hab meine Zeit nicht gestoppt und will nicht ausschließen, dass ich 4 Stunden gebraucht habe und mich leicht vertue – aber 6 Stunden tatsächlich nicht. Vielleicht waren wiederum meine Entscheidungen auch einfach so „ungünstig“ dass ich viele längere Szenen verpasst habe. Werde mich nach The Quarry mal in einen zweiten Durchgang begeben :-).

      • Sicher dass du nicht nach dem ersten Abspann aufgehört hast? Ich habe auch schon 6 Stunden und bin noch nicht durch.

        • André Westphal says:

          Ich hab die Zeitangabe mal angepasst, da ich jetzt einfach mal freimütig annehme, dass ich mich verschätzt habe nach Musterung meiner Xbox-Stats. Book 1 und 2 habe ich durchgespielt und ich bin auch definitiv unter 6 Stunden geblieben, aber 3 war wohl doch sehr „ungünstig“ gerechnet – war mein Fehler.

          Bei mir sind leider aber auch alle Charaktere, die quasi draufgehen können, bei den ersten Gelegenheiten über den Jordan gegangen :-D. Das hat vermutlich einige Szenen „gespart“. Na ja, dann lohnt sich für mich ein zweiter Durchgang wohl richtig :-).

          • Die Szene mit dem Auto und dem Zug ist nicht der Schluss des Spiels sondern lediglich das Ende der ersten Hälfte. Hast du danach nicht mehr weiter gespielt?

  2. Das Spiel kann man eigentlich nicht unter 5-6 Stunden durchspielen…hab es mit dem Freundeskreis jetzt schon 2 Mal durch!
    Und wer beim dem Spiel die Grafik kritisiert hat es halt einfach nicht verstanden…denke ich!

    P.S.: Es heißt „Button Smashing“!

    • André Westphal says:

      Äh, ne Button-Smashing heißt das nicht und hieß es nie ;-). Das würde übersetzt auch bedeuten, dass du die Knöpfe zerstörst, was völlig falsch ist. Es heißt schon seit den 1980er-Jahren „Button Mashing“, weil du auf die Tasten hämmerst.

      Es ist immer sehr einfach Menschen mit anderer Ansicht einfach herabzuwürdigen, indem man sagt „die haben es nicht verstanden“. Würde ich nun auf dieses Niveau gehen, müsste ich dir entgegen, dir fehle das ästhetische Bewusstsein oder die Erfahrung mit narrativen Spielen, um den Grafikstil in seiner spartanischen Art mit seinen Mängeln ausreichend wahrzunehmen. Wäre aber genau so Quatsch wie deine Anmerkung.

      Letzten Endes wurde der Grafikstil nicht nur von mir, sondern von sehr vielen Spielern und Testern kritisiert. Ich kann ihn „hinnehmen“, bin aber absolut kein Fan davon, da er mir zu minimalistisch und ausdrucksarm ist. Wenn er dir gefällt – super. Ich s sehe es dennoch anders, kann aber akzeptieren, dass es auch Befürworter gibt.

    • Es heißt natürlich Button Mashing und nicht Smashing.

  3. Moin moin,

    das Spiel besteht aus zwei „Büchern“ mit je drei Kapiteln. Nach dem ersten Buch kommt der Abspann und man landet wieder im Hauptmenü. Liegt hier vielleicht der Hund begraben, was die Spielzeit betrifft?
    Liebe Grüße

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