Neuer Bundestrojaner darf ab sofort losziehen

bka logoSeit dieser Woche darf der neue Bundestrojaner loslegen: Über die Software können sich das Bundeskriminalamt (BKA) sowie das Landeskriminalamt (LKA) auf PCs sowie mobilen Endgeräten einschleichen und die Kommunikation (Chats, Anrufe) mitschneiden. Der Bundestrojaner dient der sogenannten „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“ (TKÜ). Er soll Gespräche direkt auf den Geräten der verdächtigen Personen abgreifen, noch bevor eine mögliche Verschlüsselung einsetzen könnte. Angesichts der aktuellen Kontroverse um Apple und das FBI hat die deutsche Regierung den neuen Bundestrojaner wohl zu einem etwas „unglücklichen“ Zeitpunkt ins Rennen geschickt.

Der neue Bundestrojaner ist im Gegensatz zu vorherigen Versionen eine Eigenentwicklung des BKAs. Im Gegensatz zur alten Variante, welche zusätzliche Schadsoftware einschleusen konnten und die gesamten Daten eines Geräts ausspionieren bzw. manipulieren konnte, soll der aktuelle Bundestrojaner rein auf die Abhörung von Kommunikationsvorgängen beschränkt sein. Allerdings hagelt es in diesem Bezug auch bereits Kritik: „Die prinzipielle Unterscheidung zwischen einem Trojaner, der nur Kommunikation ausleiten soll und einem, der generell auch zum Beispiel zur Raumüberwachung geeignet ist, ist nicht zu treffen„, bemängelt z. B. Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs gegenüber dem Deutschlandfunk. Rieger hat Zweifel daran, dass der neue Bundestrojaner den bereits vor Jahren auferlegten, technischen Beschränkungen des Bundesverfassungsgerichts genüge.

big brother

Auch Konstantin von Notz, stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen, blickt wenig begeistert auf den neuen Bundestrojaner: „Wir haben Verständnis für die Bedürfnisse der Sicherheitsbehörden, trotzdem: in einem Rechtstaat heiligt eben nicht der Zweck die Mittel.“ Für sehr bedenklich hält von Notz in diesem Bezug, dass der Staat quasi mit dem Bundestrojaner Sicherheitslücken bewusst ausnutzen wolle – und damit auch kein Interesse habe, dass sie geschlossen würden. Denn nur über Sicherheitslücken in Betriebssystemen und weiterer Software (oder den direkten physischen Zugriff auf die Hardware) lässt sich der Bundestrojaner einschleusen. Genau hier sieht auch der CCC-Sprecher Rieger Folgeprobleme: Sollten Sicherheitslücken geschlossen werden, welche der Bundestrojaner bisher ausnutzte, müssten BKA und LKA neue Lücken aufspüren. Jene müssten dann eingekauft werden. Dadurch wilderten staatliche Institutionen eventuell bald in einem dunklen Markt, den sonst nur Geheimdienste und Kriminelle für sich entdeckt hätten.

Problematisch ist zudem, dass der Bundestrojaner selbst wiederum für Hacker oder andere Geheimdienste aus dem Ausland ein willkommenes Einfallstor sein könnte. Schwachstellen im Bundestrojaner könnten überwachte PCs dann direkt auch für weitere, interessierte Parteien öffnen. Sehr umstritten ist zudem die Kooperation mit der Firma Elaman / Gamma International. Jene arbeite laut einigen Berichten auch mit repressiven Regimen in etwa Äthiopien, Bahrain oder Saudi-Arabien zusammen. Von dem Unternehmen habe das BKA als Ergänzung der Eigenentwicklung einen Ersatz-Trojaner gekauft.

Wie man sieht, geht die Überwachung von staatlicher Seite damit auch in Deutschland in die nächste Runde – die VorratsVerkehrsdatenspeicherung ist ja ebenfalls beschlossene Sache. Natürlich bewegen sich die Behörden hier durchaus in einem Spannungsfeld, für das man Verständnis hat: Täter sollen ermittelt und Bürger geschützt werden. Das wird auch niemand grundsätzlich anzweifeln. Ob der neue Bundestrojaner dafür ein adäquates Mittel ist, das lässt sich aber kritisieren.

(via Süddeutsche)

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden. PayPal-Kaffeespende an den Autor.

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24 Kommentare

  1. Karl Kurzschluss says:

    Irgendwie muß das Ding ja erstmal auf den eigenen Rechner oder das eigene Smartphone kommen. Per Handauflegen wird’s wohl nicht gehen. Locker bleiben!

  2. Die Installation erfolgt dann unter persönlicher Aufsicht nach einem entsprechenden Beschluss 😀

  3. Wann ist eigentlich ein glücklicher Zeitpunkt?

    Traurig ist es schon, dass es sowas braucht. Aber ohne eine gewisse Waffengleichheit wird die Einhaltung von Recht und Gesetz nur schwer zu gewährleisten sein.

    Ich habe in die deutschen Behörden (nachdem ich weiß wie sie ticken) jedoch mehr vertrauen, als in amerikanische. Insofern glaube ich wirklich, dass beim Einsatz derartiger Mittel die Verhältnismäßigkeit (in den meisten Fällen) gewahrt bleibt.

    Ob das Ding überhaupt erfolgreich eingesetzt werden kann, steht ja nochmal auf einem anderen Blatt.

  4. Verkehrsdatenspeicherung – Warum sollte man dafür Verständnis haben?

  5. Eigentlich ist so etwas doch verfassungswidrig oder sehe ich das falsch? Ich verstehe dieses ganze „Verständnis“ der Bevölkerung überhaupt nicht. Wieviele Rechte müssen denn noch beschnitten, ignoriert oder gestrichen werden bis sich Otto-Normal-Bürger die demokratische Legislative und Exekutive hinterfragt? Bevor man dir Zustände z. B. in Saudi Arabien, Quatar, Nordkorea oder sonst wo kritisiert sollte man MaK vor der eigenen Haustür kehren

  6. @Andreas
    Vorauseilender Gehorsam ist leider der Tonus auf dieser Platform..
    Also für Politikbildung ist das hier die falsche Adresse.

    Aber über tweaks, gadgets, tech-news und den ganzen Kram wird man hier bestens informiert..

    @ Sebastian
    „Traurig ist es schon, dass es sowas braucht.“
    > Rührselig..

  7. irgendwann wird einer, dem der Trojaner untergekommen ist, diesen umprogramieren und die Lauscher belauschen.
    Auf diesen Tag freue ich mich schon jetzt.
    Dann wird dieser FAUX-PAS wieder einer Niete in Nadelstreifen angehängt, die dann wohl längst in Pension ist. Schwamm drüber. Wir kennnen das.

  8. André Westphal says:

    @ Andreas Ich schreibe doch nur, dass man / ich das Spannungsfeld verstehe, in dem sich die Behörden bewegen – also die grundsätzliche Problematik zwischen Sicherheit / Überwachung auf der einen Seite und Freiheit / Risiko auf der anderen. Die Verhältnisse müssen aber halt stimmen. Etwas verstehen und nachvollziehen können, heißt für mich aber nicht, dass man es gutheißen oder unterstützen müsste ;-).

  9. Der wahre Hannes says:

    @Michel
    In Deutschland kann nichts verfassungswidrig sein, weil es gibt schlicht keine Verfassung.

  10. @michel :ich kann das auch nicht verstehen wo soll das noch hin führen. Lass doch mal den Fall eintreten es wird jemand Politiker und haut dort auf den Putz Wenn man zb. : mal anderer Meinung ist, wie irgendein Partei Vorsitzender dem man gefährlich wird dann wird auf einmal schnell geschaut was man den so im privaten früher mal gesagt oder geschrieben hat in einem vielleicht ganz anderem Zusammenhang. Man man und das ist nur ein Beispiel. Ich will mir gar nicht vorstellen wo das nochmal hinführt.

    Verstehe auch nicht wieso nicht noch mehr Leute etwas dagegen tun. Unsere Kinder werden wirklich irgendwann fragen wieso habt ihr dagegen nix gemacht.

    Es ist doch schon komisch wenn die EU über ttip verhandelt aber die Öffentlichkeit gar nicht wissen soll worum es eigentlich geht. Ist doch sehr komisch. Wir haben sie gewählt ja das stimmt aber alles können manche dieser pappnasen nicht für uns entscheiden. Weil sie schon nicht mehr neutral sind sondern viel Zusehr von irgendwelchen Firmen abhängen.

    Meiner Meinung dürfte es so etwas nicht geben. Für viele Sachen müsste man auch mal das Volk abstimmen lassen. Es mag ja dann auch sein das viele Sachen länger brauchen und vielleicht auch nicht immer positiv entschieden werden aber manchmal wäre besser.

    Sorry für die langen Worte aber ich habe einfach keine Lust mich überwachen zu lassen.

  11. Funktionen dieser „Bundestrojaner“ eigentlich auch auf dem MAC?

  12. @Mario
    Nein, dein Mac ist sicher….hahaha…

  13. Der wahre Hannes says:

    Aber sollte den Trojaner nicht ein (ausländischer) Virenscanner erkennen?

  14. @ Der wahre Hannes schon eine kurze Recherche würde dich zu kompetenten Menschen bzw. ihren Texten führen, die dir erklären, dass das Grundgesetz sehr wohl eine Verfassung ist.

  15. @Andre‘ – Guten Morgen! Für etwas Verständnis zu haben, also etwas „verstehen“ ist wichtig sich dazu zu positionieren, eine Meinung zu haben. Klar… Ich persönlich bin überzeugt, dass Verkehrsdatenspeicherung wie wir sie derzeit erfahren unverhältnismäßig und nicht GG /EUGH konform ist. Eine Freiheit mit Überwachung in diesem Sinne gibt es nicht. Eine freie Gesellschaft wird mit diesem Spannungsverhältnis leben müssen oder schafft sich ab. Aber diese Diskussion dürfte in diesem TechBlog zu weit führen.

  16. Ja klar und wie zum teufel wollen die das ding bei mir installieren. bzw. es auf mein Handy bringen. Ging ja nur wenn die zb. google dazu bringen würden bestimmte google Accounts dazu zu bringen ihn zu installieren auf meinem Handy. Als Update oder eben als app install.

  17. Also kauft der schlaue Verbrecher zum Telefonieren alle paar Tage ein neues Wegwerfhandy, da läuft das Ding nicht drauf ;-).

  18. @kOOk – macht der schlaue verbrecher schon lange, billig 0815 handy mit unregistrierter prepaid SIM-Karte vom flohmarkt! Keine kunst! Und der verständnisvolle bürger wird nonstop überwacht…

  19. Stell dir vor du kommst vom Urlaub zurück betrittst deine eigenen vier Wände und unterbrichst dabei eine Lichtschranke nach dem ersten Schritt ins Vorzimmer. Im Badezimmer findest du an der Decke eine kleine Kamera mit der Aufschrift Staatseigentum, powered by trusted US companies. Im Schlafzimmer hängt ein Mikro oberhalb des Bettes und deinem Provider-Modem wurde eine Blackbox vorgeschalten.

    Du zuckst mit den Schultern und gehst mit deinem Smartphone aufs Klo.

  20. @holgi
    Meine, das wäre bei der ersten Version des ersten Trojaner sogar auch möglich gewesen, weil sämtliche Übertragung nicht verschlüsselt war. Und die NSA hat die Software sicher schon von den Festplatten der deutschen Behörden kopiert, erfolgreich auf Schwachstellen untersucht und freut sich jetzt über weitere Datenquellen.

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