Kampf um die Netzneutralität, empfindliche Bußgelder bei Verstößen

euEs ist nicht das erste Mal, dass innerhalb der letzten Monate heftig über die Netzneutralität diskutiert wird. Was das EU-Parlament und der zuständige Kommissar Günther Oettinger etwa als Triumph der Netzneutralität feierten, wurde vielfach als Beginn des Zwei-Klassen-Internets angesehen. Aktuell wird in Brüssel erneut zur Netzneutralität beraten. Am 30. August 2016 wird es ein Ergebnis geben. Verfechter der Netzneutralität befürchten bereits jetzt Schlimmes. Aktuell wird nämlich die seit 30. April in Kraft gesetzte EU-Verordnung 2015/2120 konkretisiert. Und die Provider wünschen sich die Möglichkeit „Überholspuren“ für bestimmte Dienste einzubinden.

Sogenannte „Spezialdienste“ wünscht sich etwa auch die Deutsche Telekom, die neuerdings unbegrenzten Spotify-Traffic bei Neukunden nicht mehr als Option anbietet. Das war dann wohl auch eine Reaktion auf die besagte EU-Verordnung, die nicht nur die Deutsche Telekom gerne wieder etwas aufweichen würde. „Eine zu restriktive Auslegung der EU-Verordnung gefährdet Vielfalt und Innovationskraft im Netz“, argumentiert die Deutsche Telekom.

Andersherum dreht es Christoph Schott, Kampagnenleiter der globalen Bürgerbewegung Avaaz. Er fürchtet eine Verlangsamung von Anbietern, Diensten und Websites, welche sich die Überholspur nicht leisten können. So geht es also quasi hin und her zwischen den Interessen der Unternehmen, die an der Oberfläche fast schon altruistisch argumentieren, aber natürlich eigene, wirtschaftliche Interessen verfolgen, und der Gegenseite, die einem gewissen Idealismus frönt.

Tatsächlich besteht eben die Gefahr, dass sich etablierte Anbieter eine Überholspur leisten und Startups, welche die Deutsche Telekom ja laut eigenen Aussagen gerne anzapfen würde, das Nachsehen haben. Kurios ist übrigens, dass die Bundesregierung just, während jene brisante Diskussion in Brüssel läuft, die Vorzüge der aktuellen Netzneutralitäts-Regelung betont: Unter dem Titel „Im Netz sind alle gleich“ wiegt man derzeit kritischere Gemüter in Sicherheit und legt den Rahmen der Bußgelder offen, der bei Verstößen droht. Etwa sollen Internetanbieter, welche „in unzulässiger Weise den Datenverkehr“ beschränken bis zu 500.000 Euro zahlen. Bei Drosselungen des Datenvolumens, über die unvollständig informiert wurde, drohen bis zu 100.000 Euro Bußgeld. Laut Bundesregierung habe man die Bußgelder bewusst so hoch angesetzt,um den diskriminierungsfreien Zugang zum Internet sicherzustellen.

Das klingt natürlich erstmal so, als ob die Bundesregierung, so wie sie es sich auf die Fahnen schreibt, die Netzneutralität rigoros sicherstellen wolle. Dass es auch eine andere Seite der Medaille gibt, die wir eventuell ab dem 30. August zu Gesicht bekommen, erwähnt man beim Selbstlob lieber nicht.

(via Tagesspiegel)

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden.

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3 Kommentare

  1. Hm. Dass die Deutsche Telekom „neuerdings unbegrenzten Spotify-Traffic bei Neukunden nicht mehr als Option anbietet“ […] „war dann wohl auch eine Reaktion auf die besagte EU-Verordnung, die nicht nur die Deutsche Telekom gerne wieder etwas aufweichen würde.“
    Also scheint die Verordnung doch zu wirken und eben die Netzneutralität zu sichern statt sie zu bedrohen. Sonst hätte die Telekom ja nichts ändern müssen.
    Für mich sind solche Ergebnisse entscheidend und nicht das Gerede von den Lobbyisten beider Seiten.

  2. @Daniel Gerjets (@dmalg)
    Die Telekom hat diesen Schritt wohl damit begründet, dass dieses Angebot zu viel Traffic verursacht hat. Demnach haben sie sich also mir ihrer Argumentation, bestimmte Angebote bevorzugt zu behandeln, selbst ins Knie geschossen, würde ich behaupten. Ist halt blöd, wenn ein Argument Contra Netzneutralität Richtung pro Netzneutralität kippt. Man bedenke, was die Nutzer ohne die Bevorzugung durch dieses Angebot theoretisch plötzlich an Datenvolumen benötigen würden. Da wäre also mehr Geld zu machen. Und es würde mich nicht wundern, wenn diese Gedanken bei der Telekom auch schon gedacht wurden.

    @Toppic
    Ja klasse. Wie lange zieht sich denn schon die Geschichte mit der Telekom und YouTube hin? Da wurde (und wird?) ja angeblich auch gedrosselt. Nur wie soll ich als Nutzer dem ISP so was beweisen? Kann schließlich auch an den Servern etc. des Lieferanten liegen. Deshalb fällt es der Regierung auch so leicht, diese hohen Strafen bei Verstößen gegen die Netzneutralität anzudrohen. So lange die ISP da nicht in die Beweispflicht genommen werden, ist das nur heiße Luft, die sanft von Berlin aus übers Land weht.

  3. @Icancompute
    Ich finde diese Angebote für einen bestimmten Service ohnehin hoch problematisch. Eine generelle „Musik-Flat“ würde ich als Angebot gut finden, aber Spotify herauszuheben und Deezer&Co. auszuschließen ist ziemlich marktverzerrend. Ich finde es allerdings auch ziemlich fragwürdig, wenn im Mobilfunkbereich „Flatrates“ mit Volumenbegrenzung beworben werden. Aber auch da sind die Anbieter anscheinend auf dem Rückzug, ich lese den Bergriff Daten-Flat immer seltener.

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