BGH: Apple-Patent zur Entsperrung eines Touchscreens ist nichtig

iPhone klein artikel teaserWir haben relativ lange nichts mehr von Patenten gehört – zumindest nicht so, wie es in den Hochzeiten der Fall war, als Apple und Samsung sich bekriegten. Aber nicht nur Apple und Samsung ist ein Thema, sondern auch das in Deutschland geltende europäische Patent 1 964 02. Die Motorola Mobility Germany GmbH hatte das Streitpatent mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen.

Dieses Patent beschreibt das Vorgehen zum Entsperren eines Touchscreens, wie es beispielsweise bei einem Smartphone der Fall sein kann. Sperrfunktionen müssen sicherlich nicht lang und breit erklärt werden, sie sind zum Schutz des Gerätes da und verhindern ausserdem das Auslösen von Funktionen, wenn man das Gerät beispielsweise in der Hosentasche hat. Das Patent beschreibt zum Entsperren des Gerätes eine bestimmte Wischbewegung.

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Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent nun mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt und auch die hilfsweise verteidigten beschränkten Fassungen des Patents für nicht rechtsbeständig gehalten.

Der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, wie der Bundesgerichtshof mitteilte, „weil er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe“. Das 2006 eingereichte Patent ist also nichtig, da das Gerät eines schwedischen Herstellers alle Merkmale – bis auf die grafische Anleitung – vorweggenommen habe. Die grafische Anleitung reicht nach Ansicht der Richter also nicht aus, um aus dem Ganzen eine Erfindung zu machen:

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Das von dem schwedischen Hersteller Neonode vertriebene Mobiltelefon N1 nehme alle Merkmale der Erfindung bis auf die Anweisung vorweg, dem Nutzer auf dem Bildschirm ein Entsperrbild anzuzeigen, das sich im Einklang mit der – als solche bekannten – Fingerbewegung auf einem vorgegebenen Pfad auf dem Bildschirm bewegt. Dieses Merkmal sei jedoch bei der Beurteilung der Patentfähigkeit nicht zu berücksichtigen, weil es kein technisches Problem löse, sondern lediglich auf die Vorstellung des Benutzers einwirke, indem es durch grafische Maßnahmen die Bedienung des Geräts vereinfache.

Der u.a. für das Patentrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Er hat zwar bei der Prüfung der Patentfähigkeit – anders als das Bundespatentgericht – berücksichtigt, dass die Erfindung insofern über den durch das Mobiltelefon Neonode N1 verkörperten Stand der Technik hinausgeht, als die Entsperrung dem Benutzer durch eine den Entsperrvorgang begleitende grafische Darstellung angezeigt wird.

Eine solche benutzerfreundlichere Anzeige war dem Fachmann jedoch durch den Stand der Technik nahegelegt. Denn dort wird ein „virtueller Schalter“ beschrieben, der durch eine Wischbewegung auf einem berührungsempfindlichen Bildschirm mittels „Verschiebens“ eines grafischen Objekts einen Schieberegler imitiert. Das Streitpatent beruht daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

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(danke Thorben für den Hinweis!)

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Hallo, ich bin Carsten! Ich bin gelernter IT-Systemelektroniker und habe das Blog 2005 gegründet. Baujahr 1977, Dortmunder im Norden, BVB-Fan und Vater eines Sohnes. Auch zu finden bei X, Threads, Facebook, LinkedIn und Instagram.

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5 Kommentare

  1. Was so nervig ist bei diesen Trivialpatenten, man braucht immer einen finanzkräftigen Kläger, der Luft und Lust zum jahrelangen Prozessieren hat. Es müsste deutlich einfacher werden, dem ein Ende zu bereiten. Jedes aufstrebende Unternehmen wird sonst durch ähnliche Nichtigkeiten aus dem Markt gedrängt. Ein Hoch auf das mir unbekannte N1, posthum verliehen.

    Carsten: Noch 43 Artikel, dann wird ’ne Runde fällig!

  2. Hat viel zu lange gedauert. Solche Trivialpatenten müssten schon bei der Beantragung abgeschmettert werden! Gerade bei Apple sind das doch recht viele, aber andere Hersteller halten gut mit. 🙁

    Ist schon fast so, als wenn sich jemand den Vorgang des „Arsch abwischen“ patentieren lässt und dann von allen Krankenhäusern und Pflegediensten Lizenzgebühren für das Arschabwischen bei Pflegefällen kassiert!

  3. Maxmustermann says:

    Ich persönlich erachte ein solches Patent für durchaus gerechtfertigt. Man darf nicht vergessen, nur weil das zum jetzigen Zeitpunkt als selbstverständlich angesehen wird wie Brotschneiden, haben sich Firmen damals in der Entwicklungsphase viele Gedanken verbunden mit Studien und Aufwand in der Programmierung gemacht die es zu schützen gilt. Finde es immer schade das sobald ein Patent Software betrifft die meisten meinen das dies ohne kosten verbunden ist. Bin aber durchaus der Meinung das das Patent System generell einer Überholung bedarf.

  4. Ist doch am Ende nur die Übertragung eines schon seit dem Mittelalter an Toren und Türen verwendeten Schließmechanismus….Keinerlei Schöpfungshöhe.

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