Besuch im Samsung Audio Lab: Hier hört man genauer hin

Kurz vor meinem Trip zur CES 2018 in Las Vegas hatte ich die Chance gemeinsam mit dem deutschen PR-Team von Samsung und einigen anderen Redakteuren das Samsung Audio Lab in Kalifornien zu besichtigen. Dort tüfteln Ingenieure und Techniker an neuen Audiolösungen: Soundbars, TV-Lautsprechern und mittlerweile sogar Feinabstimmungen für Smartphone-Speaker. Das Labor liegt im Norden von Los Angeles, in Valencia. Der Kopf des Audio Labs und ehemaliger Hardman-Mitarbeiter, Allan Devantier, gab mir persönlich Einblicke in Samsungs Herangehensweise an den Lautsprecherklang. Die Erkenntnisse sind für mich als Musikliebhaber durchaus recht spannend.

So höre ich mit meiner bevorzugten Musikrichtung, Shoegaze, vor allem ein Genre, das Lautsprecher schnell auf die Probe stellt: Shoegaze setzt auf zahllose Gitarrenspuren, endlose Effekte und viel Noise – ist aber trotzdem sehr melodisch. Das Resultat ist, dass bei hohen Lautstärken besonders schnell Verzerrungen an Lautsprechern auftreten. Zumal einige Shoegaze-Vorreiter wie My Bloody Valentine ihre Musik absichtlich so auslegen, dass sogar ein möglichst breiter Frequenzgang berücksichtigt wird. Denkt man an solche Feinheiten im Samsung Audio Lab?

Tatsächlich sprach Devantier speziell das Problem der Verzerrung ausführlich an, das ich beim Hören meiner Lieblingsbands wie Airiel, Adorable oder Cruyff in the Bedroom häufig feststelle. Dabei wies man mich aber indirekt auch etwas zurecht: Denn die Lautsprecher-Qualität stehe grundsätzlich nicht in Verbindung mit dem individuellen Musikgeschmack. Die Logik dahinter: Ein guter Speaker kann etwa basslastige Club Music genau so solide wiedergeben wie dynamische Klassik. Es müssen eben die notwendigen Reserven vorhanden sein. Als Ausnahmen nannte Devantier Extrembeispiele wie etwa Massive Attack, die mit sehr extremen Bässen durch die Boxen pumpen.

Laut Devantier und seinen Kollegen seien dabei immer die Resonanz und die Vermeidung von Klangverzerrungen am wichtigsten. Denn genau in diesem Bezug werde jeder Hörer die Schwächen einer Box rasch bemerken. Wenig überraschend kritisiert der Samsung-Mitarbeiter hier schnell die Konkurrenz. So würden die meisten Audiohersteller nur „Bullshit Measurements“ durchführen. Damit meint der Leiter des Samsung Audio Labs, dass nur eine Messung für den idealen Sitzabstand bzw. die ideale Sitzposition durchgeführt und der Klang darauf hin optimiert werde. Das sei aber komplett praxisfern, da im Alltag so gut wie niemand auf jener Position verweile – speziell nicht mehr in Zeiten von drahtlosen Speakern und 360°-Modellen.

Im Samsung Audio Lab arbeite man laut Devantier anders, nämlich viel alltagsbezogener: Man messe stets für unterschiedliche Sitzpositionen und optimiere den Klang der Speaker derart, dass er eben auf möglichst vielen Hörpositionen passe. Aktuell konzentriere man sich im Audio Lab in erster Linie auf die Entwicklung von Soundbars, helfe mittlerweile aber auch beim TV-Sound aus und auch bei Smartphones. 23 Leute tüfteln am Klang. Darunter sind vier Menschen mit Doktorgrad, sieben Personen mit Master-Abschluss und acht aktive Musiker. Samsungs Ziel sei es, letzten Endes auch im Audiosegment die Nummer 1 zu werden.

Für mich persönlich automatisch sympathisch: Im Samsung Audio Lab hängen gleich mehrere Poster der Band Radiohead – unter anderem auch eines zum Album „OK Computer“, das ebenfalls in meinem Wohnzimmer prangt. Für euch sicherlich spannender: Man führte mich und die anderen Redakteure nun durch die verschiedenen Tests, die man im Samsung Audio Lab zur Optimierung des Klangs so durchführt.

Etwa macht man mit Testhörern einen Blind-Tests: Verdeckt werden verschiedene Soundbars kurz angespielt – mehrfach in jeweils zufälliger und wechselnder Reihenfolge. Dabei sind die Produkte hinter einem Vorhang verborgen. Damit die Soundbars möglichst schnell wechseln können und immer identisch aufgestellt sind, haben die Samsung-Techniker dafür extra eine rotierende Plattform gebaut – eine kuriose aber beeindruckende Konstruktion.

Ich nahm selbst an so einem Test teil – mich persönlich überzeugte dabei keine der Soundbars zum Musikhören – sorry Samsung. Auch den Klang der hauseigenen Modelle empfand ich als viel zu flach. Zugeben muss ich aber, dass ich im Blind-Test trotzdem zwei Soundbars von Samsung als deutlich besser bewertete als die Konkurrenz.

Und man muss auch eingestehen, dass die Musikwiedergabe wohl grundsätzlich nicht die Paradedisziplin einer Soundbar ist. Ich sehe hier einfach selbst deutlich günstigere Setups, etwa Lautsprecher der Reihe Heco Victa, immer noch meilenweit vorne.

Samsung sieht dabei viel Potential in 360°-Audio-Lösungen: Man zieht den Vergleich zu einer Glühbirne: 360°-Lautsprecher wollen quasi den ganzen Raum bestrahlen. Klassische Lautsprecher seien eher wie Taschenlampen. Sie erhellen sozusagen einen bestimmten Punkt und tun jenes exzellent. Aber der Rest verbleibe leider im Dunkeln bzw. mit wenig Licht. Vorteile von 360°-Audio sind dabei laut Allan Devantier auch ein besserer Mono-Sound sowie eben ein größerer Sweet Spot.

Ebenfalls besprochen wurde, wie Samsung den Klang verbessern will: Hier wurde es sehr technisch. Ich will es für euch einmal vereinfacht wiedergeben: Das reine Originalmaterial liegt unverzerrt vor. Allerdings sorgt die Wiedergabe über einen Lautsprecher immer für Veränderungen im Klang und potentiell auch Verzerrungen. Das ist so, weil jeder Speaker eine bestimmte Charakteristik und bestimmte Stärken und Schwächen mitbringt. Sprich die Original-Waveform wird durch den Lautsprecher quasi verändert. Das will Samsung umgehen, indem man die Wellenform schon vor der Wiedergabe via Software verzerrt.

Absichtlich verzerren? Klingt erst einmal befremdlich. Ergibt aber Sinn: Man verzerrt den Klang vorab, dann gibt der Lautsprecher das Material wieder und die Original-Waveform wird nun hergestellt, da die Vorverzerrung durch die Charakteristiken des Speakers wieder ausgeglichen wird. Dafür muss die Verzerrung natürlich immer auf den jeweiligen Speaker passen. Dafür hat Samsung eben proprietäre Methoden entwickelt und patentiert.

Ebenfalls zeigte man uns z. B. noch eine Kammer ohne Echo und Hall, die komplett gedämmt gewesen ist. Hier herrscht also absolute Stille ohne Hintergrundrauschen, wenn man still ist. Sehr angenehm, wie ich finde. Andere Redakteure klagten in jener Stille spannenderweise aber über Schwindelgefühle.

Auch anderes Audio-Equipment brachte man uns näher: Etwa baut man im Samsung Audio Lab zahlreiche Prototypen und Gehäuse, testet mit aufwändiger Audio-Software einzelne Lautsprecherkomponenten und nimmt es mit selbst kleinsten Details sehr genau. Alle Komponenten sollen zusammenpassen – auch in unteren Preissegmenten.

Allan Devantier schließt dabei mit der Aussage: „Es lohnt sich niemals einem Haufen Schrott zuzuhören – egal in welcher Preisklasse„. Deswegen habe man sowohl in der Einstiegs- als auch der Oberklasse hohe Ansprüche. Augenzwinkernd gibt der Leiter des Audio Labs zu Protokoll, dass man sich zwar an den Klang schlechter Lautsprecher gewöhnen könne – es aber niemals sollte.

Klar ist bei allen überschwänglichen Reden: Würde man nun ein Audio-Labor der Konkurrenz besuchen, erhielte man vermutlich Einblicke in eine andere Arbeitsphilosophie und Gegenargumente zu Samsungs Herangehensweise. Mir hat die Tour durch das Audio Lab in Valencia aber sehr gut gefallen. Eine Soundbar würde ich persönlich, egal von welchem Hersteller, trotzdem aktuell nicht kaufen – außer vielleicht für die gut funktionierende Dolby-Atmos-Wiedergabe. Aber Hersteller wie Samsung befinden sich auf einem guten Weg und ich bin auf die nächsten Produkte in diesem Segment gespannt.

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Hauptberuflich hilfsbereiter Technik-, Games- und Serien-Geek. Nebenbei Doc in Medienpädagogik und Möchtegern-Schriftsteller. Hofft heimlich eines Tages als Ghostbuster sein Geld zu verdienen oder zumindest das erste Proton Pack der Welt zu testen. Mit geheimniskrämerischem Konto auch bei Facebook zu finden. PayPal-Kaffeespende an den Autor.

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